Die meiste „Frischmilch“, die es im Kühlregal zu kaufen gibt, ist meist schon Wochen alt. Dass Verbraucher*innen meinen, ein wirklich frisches Erzeugnis in den Händen zu halten, ist der irreführenden Verpackungskennzeichnung geschuldet. Zum Weltverbrauchertag möchte Slow Food Verbraucher*innen dafür sensibilisieren, bei der Kennzeichnung „frisch“ genauer hinzuschauen.
Lange haltbar aber irgendwie „frisch“
Als Frischmilch darf heute im Prinzip alles außer H-Milch und Kondensmilch bezeichnet werden. Deswegen findet sich der Frische-Begriff inflationär auf Packungen und weckt bei Verbraucher*innen ein gutes Gefühl und besseres Gewissen. Dabei ist die Frischmilch aus dem Kühlregal meist schon „alt“ und durch den hohen Bearbeitungsgrad das Gegenteil von naturbelassen. Allein bis die Milch vom Hof in der Molkerei landet, dauert es in der Regel zwei bis drei Tage. Dort beginnt ihre Verarbeitung. Durch das Pasteurisieren – ein kurzzeitiges Erhitzen auf 72°C – werden mögliche Keime abgetötet und die Haltbarkeit der Milch auf sieben bis zehn Tage erhöht. Aus Sicht von Slow Food dürfte nur diese pasteurisierte Milch neben der Roh- und Vorzugsmilch als Frischmilch verkauft werden. Usus aber ist, dass die sogenannte, hochverarbeitete ESL-Milch („Extended Shelf Life“/„verlängertes Regalleben“) sich ebenfalls Frischmilch nennen darf und traditionell hergestellt Frischmilch aus den Regalen zunehmend verdrängt hat. Für den Handel ist sie ein großer Vorteil, weil sie nicht innerhalb weniger Tage abverkauft werden muss und auf Vorrat gelagert werden kann. Erst spezielle Techniken – teilweise oder vollständige Erhitzung auf Temperaturen von 120 bis 130°C sowie die Mikrofiltration – machten es möglich, dass Milch bis zu drei Wochen haltbar ist. Konnte eine solche Milch bis 2009 den fragwürdigen Zusatz „länger frisch“ tragen, darf es nach einer Selbstverpflichtung der Milchindustrie und des Handels inzwischen nur noch „länger haltbar“ lauten. Irreführend bleibt: „Frische Milch“ darf draufstehen, da „frisch“ in der EU nur aussagt, dass ein Produkt nicht verdorben ist. Aus Sicht von Slow Food ist das eine klare Verbrauchertäuschung.
Von den Dänen lernen
Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e.V., findet: „Was im Handel als ‚Frischmilch‘ verkauft wird, hat den Namen kaum noch verdient. Viele Verbraucher*innen sitzen dem Irrtum auf, dass sie Milch kaufen, die statt mehrerer Wochen maximal ein paar Tage alt ist. Wo Frische drauf steht erwarten sie Frische drin. Denn in unserem Alltagsverständnis ist der Frischebegriff an kurze Zeitfenster gekoppelt. Hier muss die Politik eine klare Kennzeichnung sicherstellen. Für eine Lösung könnten wir beispielsweise dem dänischen Vorbild folgen und bei Trinkmilch garantieren, dass zwischen dem Abholen ab Hof durch den Milchsammelwagen und der Abgabe an den Handel nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind. Zusätzlich zum Mindesthaltbarkeitsdatum weisen die Dänen das Datum der Abgabe der Milch durch die Molkerei an den Handel aus. Das wäre ein Pluspunkt in Richtung Frische. Zwar kann Milch auch in 24 Stunden hochverarbeitet werden, aber die Notwendigkeit einer solchen Verarbeitung und die Möglichkeit das wahre Alter der Milch zu verschleiern würden sinken“.