Jens Mecklenburg

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Von leidenden Kindern, Milchbauern und Krisengewinnern

Die aktuelle Corona Entwicklungen im Überblick
31. März 2020

Milchbauern leiden unter Corona

Die Corona-Krise führt zu Verwerfungen auf dem Milchmarkt. Während die Molkereien Mühe haben, die stark gestiegene Nachfrage in den Supermärkten zu bedienen, stottert der Export, das Geschäft mit der Gastronomie und gewerblichen Kunden ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Auf die Milchbauern kommen deswegen sinkende Preise zu, obwohl die Bürger derzeit rekordverdächtige Mengen an Milch und Milchprodukten kaufen, wie in der Branche berichtet wird. „Wir haben eine extreme Änderung der Warenströme innerhalb sehr kurzer Zeit“, sagte Hans-Jürgen Seufferlein, der Direktor des Verbands der Milcherzeuger Bayern.

„Die Aufträge seitens des Lebensmitteleinzelhandels (im Inland) sind aktuell doppelt so hoch wie in einer normalen Woche um diese Zeit“, sagte Oliver Bartelt, der Sprecher des Deutschen Milchkontors (DMK) in Bremen, der größten deutschen Molkereigenossenschaft. Die Kunden kaufen demnach vor allem haltbare Milch und Sahne sowie Butter und Käse. „Alle weiteren Segmente verzeichnen aber ebenfalls deutliche Anstiege – teilweise wird die dreifache Wochenmenge bestellt“, sagte Bartelt. Die aktuelle Liefermenge bei DMK liegt demnach derzeit 40 Prozent über Durchschnitt. Doch die Gastronomie kauft deutschlandweit quasi nichts mehr, und der Verkauf ins Ausland ist derzeit ebenfalls sehr schwierig.

Selter ist systemrelevant

Die deutschen Mineralbrunnen begrüßen, dass die Bundesregierung die Land- und Ernährungswirtschaft als systemrelevante Infrastruktur anerkennt. „Das ermöglicht, dass auch die Mineralbrunnen in diesen Krisenzeiten unter Berücksichtigung des notwendigen Gesundheitsschutzes ihren Betrieb fortsetzen dürfen“, sagt Dr. Karl Tack, Vorsitzender des Verbandes Deutsche Mineralbrunnen (VDM) am Donnerstag in Bonn.

Um die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Mineralwasser zu erfüllen, arbeiten die rund 200 Mineralbrunnen in Deutschland derzeit auf Hochtouren. „Der Mineralwasser-Absatz der vergangenen zwei März-Wochen ist vergleichbar mit den heißen Sommermonaten“, so Tack. Aufgrund der Corona-Krise kaufen die Verbraucher große Mengen an Mineralwasser auf Vorrat und behalten Leergut zulange zuhause. Deshalb appelliert Tack dringend an die Verbraucher, die leeren Flaschen und Kisten nicht zu horten, sondern sie zügig zurückzubringen. Jeder könne dazu beitragen, dass der Kreislauf des Mehrwegsystems nicht unterbrochen wird und auch weiterhin reibungslos funktioniert.


Was essen arme Kinder?

Seit zwei Wochen sind die Hamburger Kitas und Schulen dicht. Das stellt manche Familie nicht nur vor logistische Probleme. Weil die kostenlosen Mahlzeiten in Schule und Kitas wegfallen, müssten Familien mehr einkaufen und günstige Nudeln und andere Lebensmittel sind oft ausverkauft. Für Mütter und Väter, die von Hartz IV leben müssen, eine große Herausforderung. Der Regelsatz für Vorschulkinder sieht 2,92 Euro am Tag für Essen vor, der für Schulkinder liegt bei 4,14 Euro. Davon ist es nicht möglich, sind sich Ernährungsexperten einig, sich vielfältig und gesund zu ernähren.

Zahlreiche Sozialarbeiter der Stadt berichten von Alleinerziehenden, die ihre Kinder nicht satt bekommen. Bei Nachfrage weisen Jugendämter auf die Tafeln hin, doch diese arbeiten nur noch eingeschränkt.

Auf der anderen Seite haben Schulcaterer, die bisher die Schulen mit Essen versorgten, nichts zu tun. „Es sieht düster aus“, sagt Okan Saiti von „Mammas Canteen“, der mit seinen 275 Mitarbeitern normalerweise 70 Schulen versorgt. „Von 15.000 täglichen Mahlzeiten sind wir runter auf 100. Das ist ein kompletter Zusammenbruch“, sagte er der taz. In der Notbetreuung seien nur zwei, drei Kinder pro Schule.

Die in der Initiative Hamburger Caterer (IHC) vereinten Betriebe, die erst im Winter um höhere Essenspreise stritten, sehen sich nun in ihrer Existenz bedroht. „Wir müssen unseren Mitarbeitern kündigen, wenn es bis zum 2. April keine Lösung gibt“, sagt Petra Lafferentz vom Träger „Alraune“. Denn die Caterer müssten ganzjährig Löhne zahlen, können aber nur in der Schulzeit Einnahmen erzielen. Sollten sie sich mit Kurzarbeit in die Sommerferien retten, wäre eine erneute Kurzarbeit in der einnahmelosen Ferienzeit nicht möglich. Und aufgrund der beschränkten Reichweite helfe auch weder der Hamburger Rettungsschirm noch der des Bundes.

Wenn die Schulmahlzeiten wegfallen, läge nach Angaben von Sozialarbeitern ein „Mehrbedarf aufgrund außergewöhnlicher Härte nach Paragraf 21, Absatz 6 SGB II“, vor. Doch Jobcenter-Leiter Dirk Heyden winkt ab. Aktuell würden mehrere Anträge auf „Corona-Zuschuss“ gestellt, auch für Lebensmittel. Doch ein solcher sei „im Sozialschutzpaket nicht vorgesehen“. Der Bedarf für Essen sei im Regelsatz enthalten, ergänzt Helfrich. Sollte der nicht reichen, könnten die Menschen Darlehen erhalten. Die Grünen-Bundeschefin Annalena Baerbock sieht das anders. Wie der aktuelle Spiegel berichtet, votierte sie in Beratungen mit der Bundesregierung für einen „befristeten Zuschlag“ von mindestens 60 Euro im Monat, also etwa 3 Euro pro Schultag, damit die Leute mehr Lebensmittel kaufen können. Auf die Frage, warum das nicht berücksichtigt wurde, sagt ein Sprecher von Familienministerin Franziska Giffey: „Wir haben diese Fragen auf dem Schirm.“ Allerdings habe man dies innerhalb der Bundesregierung „noch nicht abschließend klären können“.

Auch Zeelandküste Touristenfrei

Die niederländische Küstenprovinz Zeeland hat Übernachtungen von Touristen verboten. Alle Besucher mussten gestern am Montag bis 12 Uhr ihre Unterkünfte verlassen haben, wie die Behörden mitteilten. Sie hatten im Zusammenhang mit der Corona-Krise am Wochenende eine Notverordnung erlassen, die vorerst bis zum 10. Mai gilt. Die Küstenprovinz im Südwesten des Landes ist besonders bei Urlaubern aus Nordrhein-Westfalen beliebt. Von den rund zehn Millionen touristischen Übernachtungen im Jahr werden mehr als vier Millionen von Deutschen gebucht. Die Provinz befürchtet eine Überlastung des Gesundheitssystems. „Bei einem Zustrom von Touristen, die medizinische Hilfe brauchen, können wir nicht helfen“, hieß es auf ihrer Homepage. Das Übernachtungsverbot gilt für Bungalowparks, Campings und Hotels, aber auch für Unterkünfte bei Privatleuten und Jachthafen. Touristen dürfen zudem nicht in ihren eigenen Ferienwohnungen übernachten. Alle Maßnahmen gelten den Angaben zufolge auch für Besucher aus den Niederlanden.


Mehr Ausgang für Dänen 

Dänemark könnte bereits Mitte April schrittweise von seinen strikten Maßnahmen gegen das neuartige Coronavirus abrücken. Wenn sich die positive Entwicklung fortsetze und die Dänen in den nächsten beiden Wochen weiter so vernünftig gegen die Ausbreitung des Virus vorgingen wie bisher, werde die Regierung das Land nach Ostern kontrolliert und Schritt für Schritt wieder öffnen, sagt Ministerpräsidentin Mette Frederiksen.  
Die Maßnahmen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 zeigten Wirkung, sagte die Regierungschefin. Es sehe so aus, dass sich das Virus langsamer als befürchtet im Land verbreite. „Das ist ein Zeichen für vorsichtigen Optimismus.“ Frederiksen wies darauf hin, dass sich die Dänen darauf einstellen sollten, zu verschiedenen Zeitpunkten zur Arbeit und zur Schule zu gehen. An den Grenzschließungen werde sich vorerst nichts ändern, ergänzte die Sozialdemokratin. Finnland dagegen verlängert die Beschränkungen des öffentlichen Lebens um einen Monat bis zum 13. Mai, wie die Regierung mitteilte.


Krisengewinner 

Die Gewinner der Corona-Krise sind die Hersteller von Toilettenpapier. Hamsterkäufe beim Hygieneartikel haben den Absatz massiv erhöht. Von Februar zum März 2020 sei eine Steigerung um 700 Prozent zu verzeichnen, sagte Christian Böttcher, Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), ohne genaue Zahlen zu nennen.

Das Toilettenpapier nehme beim Kaufverhalten der Deutschen eine Sonderstellung ein, so der Sprecher. Wegen der Angst, man dürfe irgendwann nicht mehr das Haus verlassen, werde gebunkert. Es entstehe eine paradoxe Situation. Böttcher: „Einige wissen nicht, wohin damit. Andere haben zu wenig.“


Windige Geschäftemacher

Die Verbraucherzentralen in Deutschland warnen vor Betrügern, die sich die Coronakrise zunutze machen wollen. Die Krise rufe betrügerische und windige Geschäftemacher auf den Plan, die sich an den Ängsten der Menschen bereichern wollten, sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Klaus Müller, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bei den Verbraucherzentralen gingen inzwischen täglich Hinweise auf derartige Geschäftspraktiken ein, so Müller. Die Zentralen gingen entschieden gegen Auswüchse bei Preisen oder irreführende Gesundheitsversprechen vor: „Wir haben bereits mehrere Abmahnungen ausgesprochen.“ So seien auf Onlineplattformen etwa eine Packung Toilettenpapier für 20 Euro oder ein Liter Desinfektionsmittel für die Hände für 199 Euro angeboten worden, sagte der ehemalige schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister und heutige vzbv-Vorstand.