Verena Weustenfeld

Freie Journalistin

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Wer hilft?

Tafeln im Norden sind an der Grenze
30. März 2020

Lange Schlangen reihen sich lange vor der Öffnungszeit vor der Tafel. Rentner, Arbeitslose, Aufstocker und Mütter. Jedes 5. Kind ist in Deutschland von Armut betroffen – ein warmes Mittagsessen ist da schon in normalen Zeiten nicht selbstverständlich. Über 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen beziehen Lebensmittel von den Tafeln. In Zeiten der Corona-Krise ist diese Versorgung aber nicht mehr selbstverständlich – in Kiel sind bereits alle Ausgabestellen geschlossen.

Überfluss & Mangel

Insgesamt bezogen landesweit 2019 1,65 Millionen Menschen Lebensmittel von den Tafeln. Insgesamt 949 Tafeln werden von über 60.000 Ehrenamtlichen unterstützt. Vor allem Geringverdiener ohne finanzielle Rücklage geraten durch Corona unter Druck, manche Arbeitsstellen werden gar gestrichen. Die prekären Verhältnisse werden durch die Krise verschärft. Das Sozialleben muss meist auf engstem Raum gestaltet werden, das wiederum ein Herd von Konfliktsituationen darstellt. Hier wird deutlich, dass Organisationen wie die Tafeln auf Überfluss und Mangel hinweisen. 1.3 Millionen Tonnen Lebensmittel werden weltweit pro Jahr weggeworfen. 47 Prozent der KundInnen von den Tafeln sind ALG II-Bezieher. Jetzt gibt es eine schwierige Entscheidung zu treffen: Sollen Tafeln jetzt schließen, um die Mitarbeiter zu schützen oder ist das Risiko vertretbar und die Hilfe gerade nun besonders wichtig. „Wir arbeiten hauptsächlich mit älteren Menschen, die zur Risikogruppe zählen“, erläutert Frank Hildebrandt, Landesvorsitzender der Tafeln in Schleswig-Holstein. Im Moment ist die Überlegung da, wie die Tafeln wieder geöffnet werden können. Was fehlt sind zum einen die jungen Helfer. Zurzeit ist aufgrund der Lage eine Lieferung der Lebensmittel an Bedürftige geplant. Doch wer der insgesamt 1800 gemeldeten „Tafel-Kunden“ kommen in Frage? In Süderbrarup und Itzehoe ist das Modell schon angelaufen. Hier werden vorwiegend ältere Menschen beliefert. „Nur etwa 10 Prozent der Bedürftigen kommen tatsächlich auch zur Tafel, die Scham ist einfach immens groß“, so der Helfer. „Die Tafel kann immer nur eine Zusatzversorgung sein, die öffentliche Hand sollte versorgen“ resümiert Hildebrandt das Problem. Von 57 Tafeln in Schleswig-Holstein sind rund 40 geschlossen. In Rendsburg hat noch eine Ausgabestelle offen und in Hamburg zwei in den Bezirken Harburg und Wilhelmsburg. Verschärft ist die Situation besonders am Monatsende und für viele ist die Ausgabestelle auch ein gesellschaftliches Highlight, das jetzt wegfällt. „Im Moment wird auch weniger gespendet“, erläutert Hildebrandt weiter. Doch was tun? Im Moment laufen in Kiel einige Alternativen an, den Hunger zu stillen, wie z.B. die SattMission. Die Corona-Pandemie trifft besonders diejenigen, die es ohnehin schon schwer haben. Rund 1200 Menschen sind in Kiel obdachlos. Die Stadtmission Mensch in Kiel hat deshalb die Kampagne organisiert und will damit gleich zwei Seiten helfen. Während Obdach- und Wohnungslose nicht wissen, wo sie eine warme Mahlzeit herbekommen sollen, stehen viele Küchen im Land still. Restaurants oder Kantinen dürfen nur noch Lieferservices anbieten und haben dadurch deutlich weniger zu tun als sonst. Die Kampagne will diese beiden Seiten zusammenbringen. Die Stadtmission kann ihr Projekt über viele Wochen aber nur mit Hilfe von Klein- und Großspenden aufrechterhalten. Jeder ist gefragt!