Jens Mecklenburg

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Von Brennen & Bränden

Interview mit Jan Czerny von Czerny Küstendestillerie
3. November 2021

Jasmin und Jan Czernys Küstenbrauerei und Destillerie wurde 2017 gegründet und liegt direkt an der Kieler Förde. Beide sind promovierte Meeresbiologen. Mit ihrem kleinen Familienunternehmen mit ein paar MitarbeiterInnen stellen sie direkt am Strand hochwertige Spirituosen und Biere her. Gebrannt und gebraut wird in einer historischen Festung. Wir sprachen mit Jan Czerny über seine Leidenschaft, das Destillieren von feinen Bränden.

© Till Schauder

Wie bist Du zum Brennen gekommen? 

Hochwertige Spirituosen haben mich schon immer fasziniert. Insbesondere Whisky mit seiner natürlichen Komplexität, die aus seiner traditionellen Herstellung resultiert, hat es mir angetan. Dieses hohe Maß an Terroir; man glaubt die Küste, das Land, die Orte zu schmecken, an dem er entstanden ist. Es sind sehr komplexe Zusammenhänge, die zum individuellen Geschmack führen, angefangen von den Rohstoffen über die Herstellung bis zur Reifung. Ich kann vieles wissenschaftlich nachvollziehen aber eben nicht alles. Es bleibt auch immer ein Mysterium. Einfach faszinierend. 


Was macht einen guten Brenner aus, was muss er mitbringen?

Sachverstand in Sachen Biologie Chemie und Physik schaden auf jeden Fall nicht – es ist schließlich Verfahrenstechnik, die zur Anwendung kommt. Wichtig ist aber auch Geduld, insbesondere bei fassgelagerten Spirituosen. Nicht zuletzt sollte man aber sorgfältig vorgehen. Das fängt bei der Wahl der Rohstoffe an, der handwerklichen Verarbeitung und einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit den Ergebnissen. Gute Geschmacks- und Geruchssinne sind ebenfalls erforderlich.


Hast Du eine Vermutung, warum es im Norden vor allem die Quereinsteiger sind, die für Aufsehen sorgen und weniger die alteingesessenen Brenner?

Wie bei vielen modernen industriellen Produkten hat im letzten Jahrhundert Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Effizienz eine zu große Rolle gespielt. Der Alkohol musste vor allem billig sein. Korn ist da ein Paradebeispiel. Mit billigsten Rohstoffen und Industriellen Anlagen wurde aus einem ehemaligen Charaktergetränk ein billiger Sprit. Auf einer Flasche Doppelkorn für sechs Euro sind immerhin etwa 4,5 Euro Steuern. Was für 1,50 Euro dann in der Flasche ist, kann man sich ja vorstellen. 

Enthusiasmus und Ehrgeiz besondere Genussprodukte zu brennen, bringen wohl eher Quereinsteiger mit. Man verlässt doch nicht seinen angestammten, etablierten Beruf, um dann so etwas zu produzieren!


Was unterscheidet einen guten, von einem schlechten Brand?

Das ist natürlich immer auch eine Geschmacksfrage, über die man ja bekanntlich streiten kann. Für mich sind neutrale Brände minderwertig, gute Brände zeichnen sich durch Geschmacksintensität und Charakter aus. Sie dürfen auch gerne Ecken und Kanten haben. Ich will Abenteuer im Glas erleben, anspruchsvoll unterhalten werden.

© Till Schauder


In welchem Verhältnis stehen Brennanlage, Zutaten, Maischen, Destillate, Reifung? Was ist für den Geschmack am wichtigsten? 

Zuerst kommt es auf eine gute Maische an. Wenn die geschaffen ist, muss der Geschmack noch transportiert werden. Es muss nicht viel herausgefiltert oder abgetrennt werden. Unsere Brennanlagen im Stil von einfachen Schottischen Pot Still haben keinerlei Einbauten, Verstärkerböden oder Katalysatoren, die den Geschmack aufhalten können. Bei der Reifung braucht es gute Fässer, ein geeignetes Klima und viel, viel Zeit. 

Es wird gerne darüber gestritten welcher Anteil beim Whisky das Fass hat.

Ich bin der Meinung, dass für ein schlechtes oder langweiliges Destillat jedes Fass zu schade ist. 


Welche Rolle spielt die Qualität des Wassers?

Eine große Rolle. Ohne gutes Wasser, kein gutes Produkt. Früher hatte die lokale Wasserqualität – die gegeben war – großen Einfluss auf die Produktion und die Produktqualität. Wir können heute ganz unterschiedliche Wasserstile und Wasserqualitäten herstellen. Als Kühlwasser und zum Reinigen haben wir entkalktes Wasser. Zum Verdünnen auf Trinkstärke benutzen wir destilliertes Wasser. Und für die Maischen benötigen wir ganz anderes Wasser, dass im Mineralgehalt komplexer ist; insbesondere zur Bierherstellung. Bei uns hat jedes Produkt sein ganz eigenes Wasserprofil. Unser Vorteil: Als Grundlage bekommen wir hier in Kiel ein absolut schadstofffreies Wasser, dass aus Eiszeitlichen Wasserreservoirs unter der Ostsee stammt. Wasserchemie ist eines meiner Steckenpferde. Wir können Wasser „nachbauen“, wie es an den besten Braustandorten der Welt zu finden ist.


Zuerst hast Du Korn gebrannt, dann Gin. Von der Idee bis zum fertigen Produkt. Wie lange dauert es und wie gehst Du dabei vor?

Wir gehen ganz unterschiedlich vor. Unser Gyldenlöv Korn ist eigentlich ein einfaches Produkt, zumindest von der Rezeptur her. Es kommt regionaler Weizen herein und Gerstenmalz zur Verzuckerung, wie in alten Zeiten. Vergoren wird es mit einer Hefe, die ein gutes Geschmacksprofiel hat. 

Gin ist komplett anders, man hat unendliche Freiheitsgrade bei den möglichen Zutaten und deren Abstimmung untereinander. Hier haben wir ein gutes Jahr im Labor experimentiert, bis wir mit dem Gin nach unserem Konzept zufrieden waren. Zuerst haben wir uns überlegt mit regionalen Botanicals (so heißen die Aromatischen Pflanzen in Gin-Jargon) dem Littoral Gin einen Eindruck von Seeluft zu verleihen. Keine leichte Aufgabe, wie sich gezeigt hat. Zunächst haben wir aus fünfzig selbstdestillierten Einzelkrautdestillaten Entwürfe gefertigt, um zu sehen, was man wie verwenden kann. Die Kräuter haben wir zum Teil selbst gesammelt. Daher sind wir sind jetzt auch zertifizierte Kräutersammler! Als wir einen Entwurf gefunden hatten, der uns zugesagt hat, mussten wir noch eine ganze Weile weiter forschen, bis wir ein Protokoll hatten und wussten, wie man den Littoral Gin auch im Großen herstellen kann.


Ist eigentlich das Basisdestillat für Gin, Korn und Aquavit gleich?

Nein, der Korn ist ein geschmacksintensives Destillat nach historischem Vorbild. Es schmeckt nach Getreide und fruchtig nach Hefe. Für Gin hätte es deutlich zu viel Eigengeschmack. Um die feinen Gewürze, Kräuter und Fruchtnoten im Gin zur Geltung bringen zu können, braucht man ein neutrales Destillat. 

© Till Schauder


Was kommt von dir als nächstes?

Rum, wir forschen an Rum. Die ersten Entwürfe reichen in Sachen Intensität und Charakter an Jamaikanische Rums heran. Wir werden zunächst einen Bio spiced Rum herbringen, der süß und vollmundig schmeckt und mit einer regionalen Gewürzkomponente überrascht. Und nach ein paar Jahren Lagerzeit bringen wir einen traditionellen fassgelagerten Rum ohne Zucker und Gewürze auf den Markt. Rum gehört einfach zum Norden.


Wer trinkt eigentlich eure Spirituosen. Eher jüngere oder eher ältere Menschen?

Ich finde alle sollten das Tun! Von der Preisklasse her sind wir eher etwas für Menschen mit gesichertem Einkommen. Qualität und Handwerk haben eben ihren Preis, wobei ich finde, dass wir moderate Preise aufrufen, wir machen keine „Luxusprodukte“. Durch unsere Präsenz auf Festivals, Kieler Woche und durch unsere Sozial Media Aktivitäten haben wir zumindest regional ein ausgeprägt junges Publikum. Aber auch ältere Genusstrinker gehören zu unseren Stammkunden. 


Nach Craft Beer, Gin, Whisky, wohin geht die Reise, was sind die nächsten Trends?

Ich denke Craft Destilling ist das neue Craft Beer. Die Nachfrage nach innovativen charakterstarken Destillaten wächst, dass haben der Gin- und Whiskyhype gezeigt. Dazu kommen handgemachte Regionalspirituosen, interessante Unikate gehen immer. Wir selbst forschen weiter an kreativen Konzepten. Derzeit produzieren wir auch Destillate aus Bier: Hybride zwischen Craft Beer und Whisky. Hier tun sich interessante Noten auf. Sie können fruchtig-hopfig daherkommen oder schokoladig-malzig. Da geht noch was.

Noch eine interessante Beobachtung. Wir waren als Meeresforscher ja auch viel im hohen Norden unterwegs: Craft Beer und Whisky ist in Skandinavien wesentlich verbreiteter als in Deutschland. Nicht zuletzt wegen der hohen Alkoholsteuer gibt es die vielen Billigproduckte wie hier dort gar nicht. Und wenn man sowieso tief in die Tasche greifen muss, um sich alkoholische Getränke zu kaufen, dann greift man gleich zum edlen Tropfen. 

Das Gespräch führte Jens Mecklenburg für Nordische Esskultur


Über Jan Czerny

Geboren 1981 in Königstein im Taunus, studierte er Biologie in Frankfurt und Promovierte als Meeresforscher in Kiel. Bis 2016 arbeitete am Meeresforschungsinstitut GEOMAR in Kiel. 2017 erfüllt er sich einen Traum und macht sich gemeinsam mit seiner Frau Jasmin mit einer eigenen kleinen Brauerei und Destillerie an der Kieler Förde selbständig.  

Brauerei & Destillerie

Deichweg 20

Seefestung Friedrichsort
24159 Kiel

Tel. 0431/ 8890 3000 / 01726145892

czernys-kuestenbrauerei.de/

 

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