Hunkelstide setzt sich aus dem plattdeutschen „Gehunkels“ (Fallobst, Obstreste) und dem Wort „Tide“ für Gezeitenwechsel zusammen. Mit anderen Worten: saisonale Überschussverwertung. Fallobst, oder auch Gemüse, das nicht der gewünschten Norm entspricht, oder tatsächlich Überschussware ist, landen normalerweise auf dem Müll. In der Hunkelstide werden diese „Überschüsse“ zu feinsten Trockenfrüchten, Gemüse Pestos, veganen Quittenbrot, Fruchtaufstrichen und sortenreinen Apfelringen verarbeitet.
Die Hunkelstide
Jeanette Wintersieg hat als ehemalige Mitarbeiterin der Hunkelstide diese Ende 2018 von ihrer damaligen Chefin, Silke Kühl, übernommen. Kühl hatte die Hunkelstide Ende 2010 in Schwartbuck gegründet. Wintersieg ist diplomierte Kommunikations-Designerin und hatte nach eigener Aussage nach 30 Jahren Arbeit am Monitor den Wunsch, mal wieder etwas mit den Händen zu machen und einen Teil zur Umkehr des Lebensmittel-Wahns beizutragen. So hat sie auf ihrem Grundstück in Giekau neben dem Wohnhaus in einem kleinen Häuschen die Hunkelstide neu eröffnet.
Als Designerin arbeitet sie weiterhin, jedoch jetzt nur noch freiberuflich.
Die Hunkelstide besteht aus einer modernen Gastroküche mit einem Dörrschrank, der Platz für 40 Kilogramm Frischobst bietet. Dazu kommen Induktionsplatten, ein gutes Mixgerät zum Zerkleinern der Früchte und ein Ausstechgerät für die zu entfernenden Apfelknüste. Neben der Küche liegt das Lager, in dem sich das getrocknete Obst, Tüten mit Apfeltees oder Früchtemischung und viele, viele Apfelringe befinden.
Eine feine kleine Manufaktur
Jeanette Wintersieg verarbeitet regionale und saisonale Obst- und Gemüseüberschüsse zu edlen Trockenfrüchten und anderen Köstlichkeiten. Das Trocknen der frischen Früchte im Dörrschrank geschieht schonend bei knapp 40 Grad per Luftstrom. Durch die sanfte und langsame Trocknung bleiben nicht nur fast alle wichtigen Inhaltsstoffe, Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und Enzyme erhalten, sondern auch die Geschmacksvielfalt. So kann man sogar nach dem Trocknen die unterschiedlichen Apfelsorten schmecken.
Auch stellt sie beispielsweise Fruchtaufstriche mit hohem Fruchtanteil und wenig Zucker her, hat einen Quittensenf kreiert, bereitet Walnuss-Pesto und „verhexelt“ Äpfel zu geschmackvollem Apfeltee. Jeanette Wintersieg verrät, „Den Apfeltee bereite ich ausschließlich aus kleinen Apfelstückchen der Apfelenden zu. Zum Aufbrühen wird er kalt aufgesetzt und kurz erhitzt. Durch diese Art der Zubereitung enthält er sehr wenig Säure. Mit Nelken, Zimt und Orangenstückchen wird daraus ein weihnachtlicher Punsch. Die Apfelstückchen lassen sich nach dem Genuss des Tees ganz prima zu einem Apfel-Crunch oder Crumble verarbeiten.“
Die „Pure-Früchte-Mischung,“ die sich aus Äpfeln, Brombeeren und Aronia-Früchten zusammensetzt duftet schon im Beutel herrlich aromatisch. Dieser Fruchtmix eignet sich besonders für Müslis, Joghurts und Quark.
Jeanette Wintersieg möchte gerne die feinen, kleinen Sachen, wie zum Beispiel die Pestos, Dips und Waldpilzpulver zum Würzen von Suppen und Soßen, in größerer Menge herstellen. „Doch es ist“, so sagt sie, „gar nicht so leicht, so viele Früchte und Gemüse zu generieren, da ich meine Produkte eben nur aus Überschüssen herstelle.“
Die Hunkelstide wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, so zum Beispiel mit dem 3. Platz beim Nachhaltigkeitspreis des Ministeriums für Landwirtschaft, Energiewende, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein.
An- und Verkauf
Das Obst und Gemüse wird in erster Linie aus privaten Gärten der Region, alten Streuobstwiesen und von kleinen Obst- und Gemüsebetrieben des Umlands und aus dem eigenen Anbau bezogen. Durch die Saisonalität der Produkte ändert sich das Sortiment im Rhythmus der Jahreszeiten.
Die sortenreinen Apfelringe alter Sorten sind eine ihrer Spezialitäten.
Einen großen Teil der Äpfel bekommt Wintersieg von ihren Nordbauernkollegen Schuster von der Obstquelle im Schwentinental.
Vermarktet wird über die Marktschwärmer, UNVERPACKT in Kiel, sowie einige Edeka-Märkte und den Internet-Versandhandel.
Corona
Vor der Corona Krise hat Wintersieg mehrere Hotels in Howacht mit diversen Fruchtaufstrichen beliefert. Nachdem Restaurants und Hotels für unbestimmte Zeit schließen mussten, viel dieser Vertriebszweig von heute auf morgen weg. Auch die Belieferung aller Hofläden die touristisch aufgestellt sind, wie auf den friesischen Inseln, ist weggebrochen, da der Tourismus ebenfalls auf unbestimmte Zeit ausfällt.
Die Fachfrau des Trockenobstes stellt jedoch fest, „Ich merke, dass die Kunden langsam umdenken. Inzwischen wird auch mal eine krumme Gurke, oder ein zu klein geratener Apfel gekauft.
Gerade jetzt in dieser Zeit, achten die Verbraucher viel mehr auf Regionalität.“
Nordbauernmitglied
Wintersieg sagt, „Für mich ist die Mitgliedschaft bei den Nordbauern enorm wichtig. Ich werde, ohne mich selbst darum kümmern zu müssen, mit Informationen über Gesetze und Deklarationen versorgt. Ich finde das Konzept dahinter sehr gut, denn die Vernetzung unterstützt die kleinen Betriebe und gibt ihnen eine Stimme nach außen. Wenn es Neuigkeiten gibt, werden sogleich alle Nordbauern informiert.“