Keine kulinarischen Heldentaten
Die Wikingerzeit wird üblicherweise durch die Jahreszahlen 793 und 1066 eingegrenzt. Beide stehen für kriegerische Ereignisse, 793 wurde von nordeuropäischen Seefahrern das Kloster Lindisfarne an der englischen Ostküste überfallen, 1066 trugen sich in England zwei Schlachten zu. Der angelsächsische König Harold und seine Krieger schlugen zuerst bei Stamford Bridge ein Wikingerheer, um dann bei Hastings gegen die Normannen, inzwischen frankifizierte Wikingernachkommen unter Wilhelm dem Eroberer, zu verlieren. Dies Kriegerische hängt den Wikingern seitdem an, zumal der Überfall von Klöstern genau die traf, die schreiben konnten. Mönche führten Jahrbücher und Chroniken und gaben den Nordleuten natürlich eine schlechte Presse. So genießen die Wikinger bis heute nicht unbedingt den besten Ruf. Aber vollkommen zu
Unrecht: Ihre Handwerker und Künstler leisteten Außergewöhnliches, sie traten als brillante Strategen und Staatsgründer hervor, und ihre Gemeinwesen waren im Vergleich zum mitteleuropäischen Feudalismus geradezu demokratisch. Sie waren vor allem erstmal Bauern, dann Kaufleute und manchmal auch Krieger. In einer Hinsicht ist das Vorurteil gegen »die Wilden des Nordens« allerdings gerechtfertigt: Am Küchenherd und am Braukessel vollbrachten die Wikinger keine Heldentaten.
Bier & Met
Wenn es ums Trinken geht, geht in Wikingerromanen regelmäßig mit den Autorinnen und Autoren die Fantasie durch. Da wird hemmungslos gesoffen, und auf dem Höhepunkt wird auch mal schnell jemand umgebracht. Dabei sind einige Riten des Alkoholmissbrauchs auf spätere Zeit zurückzuführen, als im agrarischen Bereich in Skandinavien und Norddeutschland die Arbeiter mit billigem Schnaps bezahlt wurden, um sie ruhigzustellen und möglichst kostengünstig zu verpflegen, was sich in das allgemeine Suchtverhalten des Nordens einschlich und durch zahlreiche Trinklieder und kulturelle Gepflogenheiten verfestigt wurde. Deshalb sollten einige Dinge vorab geklärt werden: »Skål«, das skandinavische »Prost«, ist nicht auf den Schädel (des Besiegten) zurückzuführen, aus dem der Sieger seinen Siegestrunk nimmt. Zwar sind das altnordische »skál« für Schale und »skalli« für Schädel verwandt, mehr aber auch nicht. Es gibt zwar den Ausdruck »gebogene Äste der Schädel«, aus denen man trinkt, das ist aber eine literarische Umschreibung von Hörnern. Man dichtet sie seit Richard Wagner und seinem »Ring des Nibelungen« den Wikingern gern an den Helm, obwohl das im Kampf äußerst ungünstig wäre, weil es die Waffe direkt in den Schädel leiten würde. Hörner sind als Trinkgefäß aber durchaus denkbar, denn sie wurden in vielen Teilen Europas gebraucht, auch Caesar erwähnt sie schon. Schnaps ist als Wikingergetränk unwahrscheinlich, denn erst in späterer Zeit kam die Kunst des Destillierens nach Europa. Met, Honigwein schließlich, auf jedem Wikingerfest heute ein Muss, war hochgeschätzt, wurde aber selten getrunken, denn Honig war als Süße zu wertvoll, um vergoren zu werden. Dafür gab es einfachere und billigere Methoden. Die Wikinger nutzten zwei Arten der Gärung, die Umwandlung von Zucker und die von Stärke. Das eine geschieht bei der Verwendung von Früchten oder Trauben, deren Zucker durch Hefe in Alkohol gewandelt wird, bei der zweiten Art wird die Stärke im Getreide beim Mälzen vorbereitet und die entstehende Maltose zu Alkohol umgewandelt. Bier hatte den Vorteil, dass es im Gegensatz zu Wasser durch den Alkohol eine antibakterielle Wirkung besaß. Allerdings wurde beim Brauen darauf geachtet, dass nicht zu starker Alkohol den Tag vernebelte. Bei hohen Festen allerdings wurde gerne ein starkes und gutes Bier gebraut, und das hat sich in Form von Frühlingsbier und Weihnachtsbier im Norden bis heute erhalten.
Im Vollrausch
Im Alltag tranken die Wikinger vor allem Milch und Wasser. Trotzdem ist das Klischee vom »trinkfreudigen Wikinger« nicht ganz falsch. Die Nordländer brauten ihr Bier aus Gerste, hin und wieder auch aus Hafer. Als Bitterstoff kam die Gagelstrauchfrucht zum Einsatz. Für den täglichen Verzehr wurde Dünnbier gebraut, das, da es sich in Fässern besser hielt als Frischwasser, in großen Mengen als Schiffsproviant diente. Ein altisländisches Sprichwort besagt: »Bier ist beides, Essen und Trinken.« Für festliche Gelegenheiten gab es Starkbier. »Je größer der Herr, desto stärker sein Bier« war die Regel. Wenn sich eine Gelegenheit ergab, war der Bierkonsum der Wikinger maßlos. Der Höhepunkt eines typischen Normannenfestes war der allgemeine Vollrausch, dem auch kultische Bedeutung zukam. Met gilt ja bis heute als Wikingergetränk schlechthin. Es war aber wie schon gesagt kein Alltagsgetränk, sondern wurde bevorzugt von wohlhabenden Kreisen bei Feiern aus dem Trinkhorn genossen. Halten wir fest: Das Essen und die Getränke der Wikinger waren einfach und rustikal. Zumindest kulinarisch haben die Nordmänner keine Geschichte geschrieben. Vielleicht zog es sie deshalb nach Frankreich, Italien und in den Orient? Sie wollten einfach nur mal gut essen und trinken.
Nordische Met-Mythologie
Übermenschliche Kräfte – wer hätte sie nicht gerne? Durch die Verwandlung von Honigwasser in Met sicherte sich der Energy-Drink der Nordmänner einen festen Platz in der nordischen Mythologie. Odin brachte den Met zu den Menschen, um ihnen Weisheit zu geben. Von Schamanen wurde der Met (angereichert mit halluzinogenen Zutaten) für Flashbacks und Nahtod-Erlebnisse genutzt. Der Honigwein kam als Erinnerungstrank zur Verbindung zwischen den Lebenden und den Toten auf den Tisch und wurde bei Beerdigungen gereicht. Folgt man den germanischen Überlieferungen, so wurde Met sogar mit Fliegenpilzen angereichert.
Zum Thema Honigwein überlassen wir nun dem Wasserdoktor und Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp das letzte volkskundliche Wort:
„Honigwein ist günstig auf das Blut, die Säfte, Nieren und Blase, weil er überall reinigt, auflöst und ausleitend wirkt. Für die Alten, so auch für uns ist Honigwein ein Stärkungsmittel. Die Germanen erfreuten sich einer außerordentlichen Gesundheit und erreichten ein hohes Alter. Beides, Gesundheit und hohes Alter verdankten sie besonders ihrem Met.“