Barbara Maier

Autorin

Zum Portrait

Tim Lessau und die Kunst, aus Wind Stullen zu machen

Das Kulturgut Brot und sein schönes Zuhause in der Braaker Mühle
6. Juni 2025
© Braaker Mühle

Es gibt experimentelle Molekularküche, weitgereiste Food-Trends und fancy Fusion Cooking. Und zu Recht findet diese Art der Esskultur begeisterte Anhängerinnen und Anhänger. Und dann gibt es Dinge wie Brot: so uralt, grundlegend und scheinbar simpel, dass man es glatt übersehen könnte auf der Liste der herausragendsten menschlichen Erfindungen. Nicht aber in Braak, einem kleinen Dörfchen mit knapp 1.000 Einwohnern, vor den östlichen Toren Hamburgs.

Die Braaker Mühle: Geschmack mit Geschichte

Hier dreht sich alles um das Kulturgut Brot. Auf dem Röthberg nämlich steht die Braaker Mühle. Und die ist gleich zwei Dinge: erstens eine 175 Jahre alte denkmalgeschützte Galerieholländer-Windmühle, die heute noch Getreide mahlt. Und zweitens der Name der dazugehörigen Traditionsbäckerei. Tim Lessau, Bäcker, Brotsommelier und Geschäftsführer, leitet das Familienunternehmen in sechster Generation gemeinsam mit seinem Bruder Mark. Seine Urururgroßeltern Carl und Anna Lessau hatten die in Konkurs gegangene Mühle 1859 ersteigert und eine Backstube angegliedert. Heute versorgen rund 550 Mitarbeitende an 40 Standorten die östliche Metropolregion Hamburg mit Backwaren.

© Braaker Mühle

In der Ruhe liegt die Qualität

Jeden Morgen schwärmen sternförmig die Lieferwagen aus. “Nicht hupen! Unser Teig muss noch ruhen.” steht auf den Seiten. An Bord die noch ofenwarmen Brote, Baguettes, Brezeln, Plunderteilchen und natürlich original Hamburger Franzbrötchen für hungrige Nordlichter. Dazu jede Menge roher Teiglinge für Brötchen und Co., denn die Braaker Mühle backt nicht vor, sondern – wirklich! – frisch. Alles für besten, natürlichen Geschmack ohne Zusätze. Und das mit der Teigruhe stimmt. Denn Tim Lessau legt größten Wert auf traditionelles Handwerk. “Wir geben unseren Teigen Zeit, weil es einfach einen riesigen Unterschied macht.”, erklärt er. “Die Teigreife sorgt für den sensationellen Geschmack unserer Brote. Sie bringt Aroma in die Krume, macht alles bekömmlicher und hält die Brote länger frisch. Wenn die Kruste dann auch noch rösch ausgebacken ist – perfekt.”

© Braaker Mühle

Die Mühle lebt – mehr denn je

Mittelpunkt und Herz des Unternehmens war schon immer und ist auch heute die Windmühle. Jeder der vorausgegangenen Generationen hatte das hausgroße Werkzeug eine ganz eigene Aufgabe zugedacht. Gründen, beschützen, modernisieren – zum Schluss: wiederbeleben. Denn in den 1980er Jahren drohte die unrentabel gewordene Mühle, zu verfallen. Ein beherzter Schwiegervater und ein neu gegründeter Mühlenverein brachten frischen Wind und 1996 wurde Neueröffnung gefeiert. Seitdem entdecken Kitagruppen, Schulklassen und Ausflügler jeden Winkel der Mühle und erleben zwischen den knarzenden Balken und surrenden Zahnrädern Aha-Momente, die kein Lehrbuch vermitteln kann. Besonders majestätisch: Wenn alle zusehen, wie sich die enormen Flügel der alten Dame ganz langsam, dann immer flinker beginnen, zu drehen.

© Braaker Mühle

Das neue Mühlencafé: das nächste Kapitel Mühlengeschichte

Welche Aufgabe hat die Mühle Tim Lessau gegeben? “Wahrscheinlich: genießen”, antwortet der 35-Jährige verschmitzt nach kurzem Überlegen. Wer ihn auch nur fünf Minuten erlebt, weiß, dass er damit nicht Füße hochlegen und ausruhen meint. Gerade hat er nach ca. einem Jahr Bauzeit das neue Mühlencafé im Sockel der historischen Mühle eröffnet – inklusive voll ausgestatteter Bäckerei. Der gesamte Unterbau der Mühle wurde dafür denkmalgerecht und mit viel Liebe zu geschichtsträchtigen Details entkernt, massive Tragbalken ausgebessert, Stahlträger hinzugefügt und eine Galerie mit doppelter Deckenhöhe eingezogen. Von hier aus blickt man direkt auf den Verkaufstresen mit dem zentralen Brotregal als Blickfang. An einem Ort, der auf einzigartige Weise Geschichte atmet, macht sich jetzt muckeliger Loft-Charme breit.

Handwerkskunst zum Anbeißen

“Die Mühle soll nicht nur begehbar sein, sondern erlebbar.”, erklärt Tim Lessau. Wenn gemahlen wird, sehen die Gäste im Erdgeschoss das Getreide aus den Silos rauschen und mit dem Becherelevator hochflitzen. Sie hören das Klappern des Rüttelschuhs, der das Getreide zwischen die Mahlsteine bringt. Und beobachten schließlich den Müller, der die vollen Mehlsäcke rüber in die Backstube bringt und weiße Fußstapfen auf dem Holzboden hinterlässt. Wer es ganz genau wissen und auch einen Blick hinter die abgekordelten Bereiche werfen will, der kommt einfach für eine Mühlenführung wieder. “Und dann,”, gerät Tim Lessau ins Schwärmen, “stell Dir mal vor, wie Du in eine unserer

Stullen beißt, frisch für Dich belegt, nachdem du gerade den Weg vom Korn zum Brot mit eigenen Augen gesehen hast. Das ist ein einzigartiges Erlebnis.” Handwerkskunst also zum Staunen, Anfassen und restlos Wegputzen.

Braaker Mühlencafé

Braaker Mühle 8
22145 Braak
Öffnungszeiten ab 10.6.:
Montag – Sonntag 08:08 – 19:08 Uhr
braaker-muehle.de

© Braaker Mühle