Jens Mecklenburg

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„So mookt wi dat“

Weinanbau im Norden
25. Oktober 2022

Der norddeutsche Wein ist ein Exot unter den deutschen Weinen – allein wegen der Größe der Anbaufläche. Zum Vergleich: Den knapp 30 Hektar in Schleswig-Holstein stehen bundesweit in den klassischen 13 deutschen Anbaugebieten rund 100.000 Hektar gegenüber. Und Spanien baut sogar Wein auf einer Fläche von rund einer Million Hektar an. Die norddeutschen Winzer ficht das nicht an. Warum auch – ihr Wein ist gefragt.

Mit der Neuregelung des Weinanbaus in Deutschland, die vorerst bis 2020 gilt, dürfen seit 2016 in allen Bundesländern jährlich fünf Hektar Rebflächen neu angelegt werden. Vorher galt für viele Jahrzehnte europaweit ein Verbot für Neuanpflanzungen von Weinbergen. International sind diese Weine völlig unbekannt, wissen doch selbst in Deutschland nur wenige Menschen, dass beispielsweise in Schleswig-Holstein oder Berlin Reben wachsen. Doch aufgrund des Klimawandels und der damit einhergehenden Erwärmung sind die Voraussetzungen für den Weinanbau auch im Norden Deutschlands in den letzten Jahren besser geworden. Oftmals werden dort pilzwiderstandsfähige Rebsorten angebaut, die weniger Pflanzenschutz benötigen und dadurch einen geringeren Aufwand in der Bewirtschaftung bedeuten. Eine der erfolgreichsten Sorten dieser Art, die umgangssprachlich auch als „Piwi“ bezeichnet werden, ist die rote Rebsorte „Regent“. An Weißweinrebsorten findet man mittlerweile recht häufig Neuzüchtungen wie „Solaris“ oder „Johanniter“.

©DWI

Schleswig-Holstein

Als Rheinland-Pfalz 2008 Schleswig-Holstein zehn HektarRebenpflanzrechte übertrug, haben sich teilweise professionelle Winzer wie beispielsweise von der Nahe oder aus dem Rheingau den neuen Weinbauflächen angenommen: So betreibt Steffen J. Montigny neben seinem Hauptweingut in Bretzenheim an der Nahe auch das Weingut Hof Altmühlen bei Grebin in der Nähe von Kiel mit ca. 2 Hektar Anbaufläche. Sein 2014er Weißwein „So mookt wi dat“ wurde 2015 sogar vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg (Baden) ausgezeichnet und belegte bei der Verkostung von Weinen aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten aus ganz Deutschland den zweiten Platz. Das zeigt, dass sich die Weine aus dem hohen Norden in manchen Jahren qualitativ durchaus mit denen aus den traditionellen Anbaugebieten messen können. In Keitum auf Sylt bewirtschaftet das Rheingauer Weingut Balthasar Ress seit 2009 den nördlichsten Weinberg Deutschlands. Hier wachsen auf 3.000 Quadratmetern neben Solaris auch Müller-Thurgau-Reben.

In Schleswig-Holstein sind durch das neue Autorisierungssystem zu den ursprünglichen zehn Hektar Weinbauflächen 2016 weitere 15,3 Hektar und 2017 weitere 4,2 Hektar hinzugekommen, wie das zuständige Verbraucherschutzministerium in Kiel mitteilte. „Diese 29,5 Hektar sind in Schleswig-Holstein derzeit mit Reben bestockbar.“

Mittlerweile gibt es in Schleswig-Holstein genehmigte Pflanzungen auf den Inseln Sylt, Föhr und Fehmarn, am Westensee, Malkwitz, Bargteheide, Strande, Neuwittenbek und Grebin.
 

Mecklenburg

In Mecklenburg hat die Weinbauregion Stargarder Land eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Zu ihr gehören die Standorte Rattey und Burg Stargard, bei denen jeweils Winzervereine die Pflege übernehmen. Der Verein der Privatwinzer zu Rattey bewirtschaftet mit 370 Mitgliedern 4,75 Hektar, auf Burg Stargard pflegen etwa 30 Mitglieder 0,25 Hektar. Insgesamt stehen rund 15.000 Rebstöcke unter Ertrag.
 

Niedersachsen

In Niedersachsen haben 2016 zehn Neu-Winzer das Recht erworben, auf insgesamt rund 7,6 Hektar Fläche Rebstöcke anzubauen. Diese Weinbauflächen liegen in der Stadt Göttingen, in der Region Hannover sowie den Landkreisen Göttingen, Lüneburg, Oldenburg, Schaumburg, Friesland, Osnabrück und Ammerland. Innerhalb von drei Jahren nach Genehmigung müssen dort nun Reben gepflanzt werden. Nach etwa weiteren drei Jahren können dann die ersten Trauben gekeltert werden.

Die Rebflächen in Norddeutschland sind keine neuen Weinanbaugebiete. Weine, die außerhalb der 13 deutschen Qualitätsweinregionen erzeugt werden, sind als „Deutscher Wein“ zu bezeichnen und dürfen nicht als Qualitätswein vermarktet werden. In Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Brandenburg wurden inzwischen sogenannte Landweingebiete ausgewiesen. Die Weine von dort dürfen daher beispielsweise Mecklenburger Landwein heißen.

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