Werner Brockmann

Weinakademiker & Weinfachhändler

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Winzer des Nordens

VDP-Weingut Balthasar Ress auf Sylt
2. Oktober 2020

Als im Jahre 2009 das erste Mal Pflanzrechte für Wein nach Schleswig-Holstein vergeben wurden, bewarb sich Christian Ress umgehend auf einen Teil dieser Rechte, mit dem Ziel in Keitum auf Sylt eine kleine Fläche von 0,3 ha zu bewirtschaften. Als Inhaber des VDP-Weingutes Balthasar Ress im Rheingau und Betreiber der Winebank ging es für ihn von Anfang an nicht um eine „Spielerei“, sondern um ernsthaften Weinbau. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim für Weinbau & Önologie wurden die Bedingungen vor Ort hinsichtlich Mikroklima und Boden untersucht und auf mögliche Rebsorten sondiert. Als Ergebnis wurden dann vorwiegend Solaris aber auch Rivaner angepflanzt.

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Sonniger als im Rheingau

Denkt man im ersten Moment, dass die klimatischen Bedingungen außerordentlich schwierig sein sollten für einen hiesigen Weinbau, relativiert sich dies auf den zweiten Blick. Dem rauen Klima mit Wind und Regen stehen rund 1.700 Stunden Sonne entgegen, was rund 100 Stunden mehr sind als in der Weinregion Rheingau. Zwar stehen die Reben geschützt von drei Seiten durch Wald auf dem Feld, dennoch ist der Wind für die Durchlüftung der Beeren wichtig damit sie schneller abtrocknen. Mit der Rebsorte Solaris, die sich inzwischen durchgesetzt hat, wurde zudem eine sogenannte Piwi-Rebsorte gewählt. Piwi’s sind speziell gezüchtete pilzwiderstandsfähige Rebsorten. So ist der Pilzbefall für diese lockerbeerigen Trauben auch kein großes Problem. Vielmehr ist der Vogelfraß durch das Anpicken der Trauben ein größeres Problem. Dementsprechend ist das Spannen von Netzen als Schutz vor den Möwen für eine erfolgreiche Ernte unabdingbar. Solaris beansprucht keine besonderen Lagenbedingungen und kommt mit den lehmig-sandigen Böden sehr gut zurecht.
 

Rebstockpächter

Ress hat interessierte Weinliebhaber direkt in das Projekt mit eingebunden, indem er die Stöcke in Form einer Rebstockpacht anbietet. Aktuell gibt es ca. 600 Pächter, die ihren Ertrag über ein Gutscheinsystem in Flaschenform einlösen können. Für die Pächter ist die Lese, bei der sie aktive dran teilnehmen dürfen, ein besonderes Event bei dem am Ende bei einem guten Tropfen Wein ein gemeinsames Essen stattfindet.

Der Aufwand für die Herstellung des Weins ist jedoch enorm. So kommen Mitarbeiter vom Weingut Ress mehrmals im Jahr zur Rebenpflege extra aus dem Rheingau in den Norden. Nur ein Teil der Arbeiten wird an Personen vor Ort delegiert. So kümmert sich ein Sylter Landwirt regelmäßig um die Bodenpflege und die saisonbedingten Rebschnitte können von einem ehemaligen Mitarbeiter des Weinguts durchgeführt werden. Mittels einer eigenen Presse werden die handgelesenen Trauben in Zusammenarbeit mit dem Getränkefachhändler Möller direkt vor Ort gepresst und mit Reinzuchthefen im Anschluss zügig vergoren. So nehmen die Beeren keinen Schaden durch Oxidation bei langen Transportwegen und erfüllen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bezeichnung „Schleswig-Holsteinischer Landwein“.

© Werner Brockmann


Viel Öchsle

Mit der Piwi-Rebsorte Solaris wurde eine Traube ausgewählt, die sowohl den feuchten Bedingungen gewachsen ist als auch in der kurzen warmen Witterungszeit genügend Zucker einlagern kann. So erreicht diese Traube nicht selten ein Mostgewicht von bis zu 100 Grad Öchsle selbst bei einer frühen Lese im September. Der ganz frisch gelesene 18er-Jahrgang hat satte 95 Grad Öchsle ergeben. Dies ist die Basis für Weine mit einem kräftigen Körper und einem ansprechenden Alkoholgehalt, den man hier im Norden kaum für möglich hält. Im Geschmack ist der Wein unter dem Namen „SÖL´RING“ sehr fruchtbetont und aromatisch, was zurückzuführen ist auf die Einkreuzung der Muskateller-Sorte „Muskat-Ottonel“. Intensive Noten von Stachelbeere sowie Heu- und Wiesenkräuter ergeben einen erstaunlich vielschichtigen Wein mit kraftvollen Körper und lebendiger Säure…etwas an einen Sauvignon Blanc erinnernd.

Da ein Großteil der erzeugten Flaschen bereits an die Rebstockpächter geht, bleibt für weitere interessierte Weinliebhaber nur ein geringer Restbestand. Dieser wird exklusiv von Möller vertrieben. Der stolze Preis von 75 Euro pro 0,7l Flasche erklärt sich über den gewaltigen Arbeitsaufwand und die Nachfrage für diese besonderen Raritäten.

Der Blick von Ress geht aber bereits in die Zukunft. Mit Vergabe der Pflanzrechte wurde bereits vereinbart, dass die Anlage durch Anpflanzung weiterer Reben vergrößert wird. So wird sich für Interessierte erneut die Möglichkeit bieten, sich als Pächter an diesem spannenden Projekt zu beteiligen.

 

Weitere Informationen

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Weinvertikale Werner Brockmann

www.weinvertikale.de