Verena Weustenfeld

Freie Journalistin

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Sensationsfund in der Antarktis

Norddeutsche Forschen fanden Spuren eines Regenwaldes
4. April 2020

Heute ist die Antarktis der lebensfeindlichste und kälteste Kontinent unseres Planeten. Doch das war nicht immer so, wie nun ein Bohrkern aus der Westantarktis enthüllt. Denn in ihm haben Wissenschaftler rund 90 Millionen Jahre alte Relikte eines gemäßigten Regenwalds entdeckt.

Rekonstruktion der Westantarktis vor rund 90 Millionen Jahren. Da wo heute das antarktische Eisschild den Boden bedeckt, fanden Forschende Hinweise für einen gemäßigten Regenwald. © Alfred-Wegener-Institut/J. McKay (CC licence CC-BY 4.0)

Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Geowissenschaftlern des Alfred-Wegener-Institutes (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven fanden Baumwurzeln, Pollen und andere Pflanzenreste im Bohrkern die belegen, dass vor 90 Millionen Jahren ein gemäßigter, sumpfiger Regenwald im Küstenbereich der Westantarktis wuchs und die Jahresdurchschnittstemperatur etwa 12 Grad Celsius betrug – ein für das Südpolargebiet außergewöhnlich warmes Klima, das nach Auffassung der Wissenschaftler nur möglich war, weil der antarktische Eisschild fehlte und die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre deutlich höher war als Klimamodellierungen bislang vermuten ließen. 


Zeitalter der Dinosaurier

Die mittlere Kreidezeit vor circa 115 bis 80 Millionen Jahren gilt nicht nur als das Zeitalter der Dinosaurier, sie war auch die wärmste Periode der zurückliegenden 140 Millionen Jahre. Nach bisherigem Wissensstand betrug die Meeresoberflächentemperatur in den Tropen damals rund 35 Grad Celsius; der Meeresspiegel lag bis zu 170 Meter höher als heute. Weitgehend unbekannt war bislang jedoch, wie die Umweltbedingungen zu jener Zeit südlich des damaligen Polarkreises aussahen.  Aus der Antarktis gab es bis jetzt nämlich kaum aussagekräftige Klimaarchive, die so weit zurückreichen. Der neue Bohrkern bietet den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nun erstmals die Gelegenheit, anhand einzigartiger Spuren das westantarktische Klima der mittleren Kreidezeit zu rekonstruieren. Dr. Johann Klages, Geologe am AWI und sein Team haben nun einen Bohrkern untersucht, den das Forschungsschiff Polarstern im Jahr 2017 aus dem Meeresboden der Amundsensee vor der Westantarktis gewonnen hat. Der vor der Eiskante des Pine-Island-Gletschers erbohrte Sedimentkern reicht bis in 30 Meter Tiefe und durchquert an seinem unteren Ende auch einige während der mittleren Kreidezeit abgelagerte Gesteinsschichten. Schon als die Forscher damals diesen Bohrkern an Bord holten, bemerkten sie erste Auffälligkeiten: „Bei der ersten Begutachtung an Bord fiel uns sofort die ungewöhnliche Färbung dieser Sedimentschicht auf. Sie unterschied sich deutlich von den Ablagerungen darüber“, berichtet Klages.

Das deutsche Forschungsschiff Polarstern unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) im Amundsenmeer der Westantarktis. © Thomas Ronge, AWI

„Erste Analysen ließen zudem vermuten, dass wir in einer Tiefe von 27 bis 30 Metern unter dem Meeresboden auf eine Schicht gestoßen waren, die sich einst an Land gebildet haben musste und nicht im Meer.“ „Die vielen pflanzlichen Überreste deuten darauf hin, dass der Küstenbereich der Westantarktis vor 93 bis 83 Millionen Jahren eine Sumpf- und Moorlandschaft bildete, in der ein gemäßigter Regenwald mit vielen Nadelhölzern und Baumfarnen wuchs – so, wie man ihn heutzutage zum Beispiel noch auf der Südinsel Neuseelands findet“, berichtet auch Ulrich Salzmann von der Northumbria University in Newcastle. Wie ein so warmes Klima so nah am Südpol damals möglich gewesen sein kann, haben die Wissenschaftler mithilfe eines Klimamodells rekonstruiert. Daraus ging hervor, dass solche Bedingungen nur dann erreicht werden konnten, wenn es damals keine Eisschilde in der Südpolregion gab und die gesamte Antarktis von einer dichten Vegetation bedeckt war. Zudem müssten die CO2-Werte der Atmosphäre in der mittleren Kreidezeit noch höher gewesen sein als bisher vermutet. „Bis zu unserer Studie ging man davon aus, dass die globale Kohlendioxidkonzentration im Zeitalter der Kreide bei etwa 1000 ppm lag. In unseren Modellversuchen aber waren Werte von 1120 bis 1680 ppm notwendig, um die damaligen Temperaturen in der Antarktis zu erreichen“ erläutert Gerrit Lohmann vom AWI. Die Studie zeigt somit, welch enorme Wirkungskraft das Treibhausgas Kohlendioxid besitzt und welch wichtige Kühleigenschaft heutige Eisschilde ausüben.

„Wir wissen jetzt, dass die Sonneneinstrahlung in der Kreidezeit ruhig vier Monate lang ausbleiben konnte. Bei einer entsprechend hohen Kohlendioxidkonzentration herrschte dennoch ein gemäßigtes Klima ohne Eismassen am Südpol“, erläutert Mitautor der Studie Dr. Torsten Bickert, Geowissenschaftler am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM). Die große Frage lautet nun: Wenn es damals in der Antarktis so warm werden konnte, was hat dann im Anschluss dazu geführt, dass sich das Klima stark abkühlte und Eisschilde entstanden? „In unseren Klimasimulationen konnten wir darauf noch keine zufriedenstellende Antwort finden“, sagt Gerrit Lohmann. Die Ursachen für solche Kipppunkte zu finden, ist jetzt Aufgabe und Herausforderung der internationalen Klimaforschung.

Die Studie ist unter folgendem Originaltitel im Fachmagazin NATURE erschienen: Klages, J.P. et al: Temperate rainforests near the South Pole during peak Cretaceous warmth, Nature, DOI: 10.1038/s41586-020-2148-5

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