Jens Mecklenburg

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Symbolkuh Norwegens

Telemarkrinder finden in Schleswig-Holstein neue Heimat
24. November 2022

Der Norden Deutschlands ist eng mit seinen skandinavischen Nachbarn verbunden. Große Teile Schleswig-Holsteins gehörten geraume Zeit zum Dänischen Königreich, von Flensburg sind es nur wenige Meter nach Dänemark und zwischen Kiel, Göteborg und Oslo herrscht ein reger Fährverkehr. Schweden und Norweger gehören schon lange zum normalen Stadtbild der nördlichsten Hauptstadt Deutschlands. Auch geht der norddeutsche Wintersportler seiner Neigung lieber in Norwegen als in den Alpen nach. Da wundert es nicht, dass auch einige norwegische Rinder den Weg nach Schleswig-Holstein fanden: das Telemarkrind.


Kulturgut Rind

Die Region Telemark hat viel zu bieten: die gesamte Vielfalt der wunderschönen norwegischen Landschaft mit wilden Flüssen, weiten Wiesen, endlose Seen und der Schärenküste, allesamt oft ursprünglich und naturbelassen. Außerdem ist die südnorwegische Provinz die Heimat des nach ihr benannten Rinds, dem Telemarkrind. Die Rasse mit geringer Höhe, aber mit, für traditionelle Landrassen, durchaus beachtlicher Milchleistung von über 4000 Kilo pro Jahr, ist fest in der Kultur des Landes verwurzelt und über die Zeit zu einem nationalen Symboltier geworden. Sie ist die älteste norwegische Rinderrasse. Federführend in der Zucht war der Staatsagronom Johan Lindeqvist, 1856 wurde die nur etwa 120 Zentimeter hohe Rasse erstmals bei einer öffentlichen Ausstellung vorgestellt.

Das hübsche rot-weiß, rot-braun gefleckte Rind überzeugte die Norweger durch hohe Robustheit, durch eine hohe Milchleistung und durch seine gute Anpassung an die schöne aber raue Fjord-, Wald- und Gebirgsgegend. Als Milchrind gezüchtet, stand vor allem die Telemarkkuh im Vordergrund. Mit ihrer Zucht wurde auch die freiwillige „Husdyrkontrollen“ eingeführt, eine Art staatliche Haustierkontrolle, in der heute etwa 90 Prozent der norwegischen Milchproduzenten Mitglied sind und die bei Futter und Zucht sowie bei Gesundheits- und Wirtschaftsfragen beratend zur Seite steht.

© K. Semp/ Arche Warder

Friedfertiger Landschaftspfleger

Trotz imposanter Hörner – jedes Tier besitzt eine etwas andere Hörnerform – ist das Tier äußerst friedfertig. Die Kuh bringt 400, der Bulle 500 Kilogramm auf die Waage. Die Milchleistung von rund 4000 Kilogramm war früher eine stolze Leistung und der Hauptgrund für ihre Verbreitung, für heutige Verhältnisse ist es eher wenig. Moderne Hybridzüchtungen in den hochtechnisierten Ställen geben gerne das Zweieinhalbfache, sehen dafür jedoch nie die Schönheit der norwegischen Landschaft aus ihren großen, runden Augen. So wundert es nicht, dass größere Rinderrassen, die mehr Milch geben, nach Norwegen geholt wurden und die ehemals großen Bestände des Telemarkrindes im Laufe der Jahrzehnte stark zurück gingen. Die Traditionskuh stand kurz vor dem Aussterben. Heute besinnt man sich wieder etwas mehr der schönen Kuh, nachdem Anfang der 1990er Jahre nur noch 150 Exemplare des Telemarkrinds gezählt wurden. Heute sind wieder weit über 1.000 registriert. Zum Vergleich: Die gängigste Milchrasse Norwegens ist die „NRF-Kuh“ mit 300.000 Tieren. Mit ihnen wird 98 Prozent der norwegischen Milchproduktion eingefahren. Das Telemarkrind schätzt man heute vor allem als „vierbeinigen“ Landschaftspfleger, der seinen Beitrag zum Erhalt traditioneller bäuerlicher Kulturlandschaft leistet. Der Staat ködert die Bauern mit staatlichen Zuschüssen.
Norwegen ohne Telemarkrind: einfach unvorstellbar. In Schleswig-Holstein findet man das Rind im Nutztierpark Arche Warder.

© Ingo Wandmacher
© Ingo Wandmacher