Dass Fisch frisch gefangen am besten schmeckt, ist bekannt. Daher ist der Norden, das Land zwischen den Meeren, für Fischliebhaber ein Paradies. Könnte er zumindest sein, gebe es nicht auch ein paar Probleme.
Wie es anfing
Der Fischfang gehört zu den ersten Tätigkeiten des Menschen. Dort, wo sich Land und Meer berühren, siedelten die ersten Menschen. Schon der Homo sapiens konnte mit einfachen Mitteln, ja sogar mit seinen Händen, sich etwas von den Gaben des Meeres aneignen. Er war ein Fischer. So ist es nicht verwunderlich, dass der Fischfang zur frühesten Wirtschaftsform des Nordens gehörte. Zunächst zur Deckung des persönlichen Nahrungsbedarfs der Küstenbewohner, später als Erwerbsfischerei. An den Küsten, wo zwischen den Gezeitenströmen das Wasser beim Ablaufen in Löcher und Vertiefungen stehen bleibt, ist jede Menge Meeresgetier zu finden. Ohne großen Aufwand konnte man schmackhafte Schätze des Meeres einsammeln. Später kamen gebaute Hindernisse wie Steinwälle, Zäune aus Rohr oder Reisig, Reusen und Stellnetze hinzu. Die Methoden des Fischfangs wurden im Laufe der Jahrtausende ständig weiterentwickelt und vervollkommnet. Uralt ist die Fischerei ohne jegliches Gerät zum Beispiel beim Fang vom heute bei Feinschmeckern so beliebten Steinbutt. Bei ablaufendem Wasser wurde der Schlamm, unter dem sich die Fische verstecken, mit bloßen Füßen oder den Händen abgetastet – schon war der Fisch gefangen.
Der Reichtum der Hansestädte wie Lübeck gründete vor allem auf dem Handel mit Fisch, besonders dem Hering aus Nord- und Ostsee, der zum Teil in sehr großen Mengen gefischt wurde. Heringe und Dorsche waren im Mittelalter ein Massenprodukt und Nahrungsmittel für breite Bevölkerungsschichten.
Paradies für Fischliebhaber
Fisch ist bekanntlich gesund und mit etwas Erfahrung zubereitet ein wahrer Genuss. Was viele nicht glauben mögen: Fisch ist obendrein ein anspruchsloses Lebensmittel. Es ist schon erstaunlich, mit welch geringem Aufwand man ein leckeres Fischgericht hinbekommt. Hauptsache, der Fisch ist frisch. Ein bisschen Butter oder Öl, ein paar Kräuter, etwas Weißwein oder Sahne und schon wird aus einem frischen Fisch ein kulinarisches Meisterwerk.
Nirgendwo kommen Neptuns Gaben frischer auf den Tisch. Dorsch, Flunder, Kliesche, Meerforelle, Plattfisch, Scholle, Wittling aus der Ostsee; Hering, Kabeljau, Scholle und Seezunge aus der Nordsee – der Tisch ist reich gedeckt. Wozu auch die Früchte des Meeres, wie Kaisergranat, Krabbe, Miesmuschel und sogar Auster aus dem Sylter Wattenmeer ihren gewichtigen und genussvollen Beitrag leisten.
Die Austernbänke wurden schon im 11. Jahrhundert von Knut dem Großen angelegt. Die gute Qualität sprach sich bis zum russischen Zaren herum, er ließ sich regelmäßig frische Austern kommen, in kleinen Holzfässchen mit Seewasser gefüllt. Noch heute wird die Sylter-Royal-Auster von Kennern geschätzt. Ihr hoher Fleischgehalt von 20 Prozent und der zart-nussige, kaum salzige Geschmack macht sie einzigartig. In einem gemütlichen Lokal mit Terrasse und Seeblick sitzen und ein Dutzend Austern mit Zitrone beträufelt speisen. Dazu ein Glas Sekt oder Weißwein trinken – was könnte schöner sein?
Die Reise durch Neptuns Reich kann aber nicht beendet werden, ohne auch noch die weltberühmten Kieler Sprotten und den (Glückstädter) Matjes zu erwähnen.
Wer immer noch nicht auf den (Fisch)Geschmack gekommen ist, dem ist nicht mehr zu helfen. Es sei denn mit Kaviar aus der Kieler Förde. Zwei quirlige Fischereibiologinnen züchten erfolgreich delikate Lachsforellen in der Förde. Das i-Tüpfelchen ist die Vermarktung von Rogen. Zwischen 600 und 800 Gramm Kaviar lassen sich aus einer ausgewachsenen Lachsforelle gewinnen. Um den optimalen Geschmack zu erhalten, verzichtet sie aufs Pasteurisieren. Die rot-körnigen Eier schmecken tatsächlich ein wenig wie der weltberühmte Beluga-Kaviar vom Kaspischen Meer, kostet aber nur einen Bruchteil und wird nachhaltig produziert.
Frischer Fisch
Der meiste Fisch wird heute von hoch technisierten Fangschiffen und Hochseeflotten auf den Weltmeeren erbeutet und an Bord gleich gefrostet, manchmal schon zu fertiger Tiefkühlkost verarbeitet. Doch noch laufen täglich auch die Nord- und Ostseekutter aus ihren kleinen idyllischen Häfen aus, um die Nordlichter und Urlauber mit ihrer fangfrischen Ware zu erfreuen. Und was wäre Schleswig-Holstein ohne Fischmärkte, Heringstage, Matjeswochen, Krabbenwettpulen und den Verkauf direkt vom Kutter? Die Zeiten sind vorbei, als man einen Eimer Heringe für einen Groschen kaufen konnte. Fisch hat seinen Preis. Einige Arten sind wegen Überfischung sogar selten geworden, gleichzeitig steigt aber die Nachfrage nach Speisefisch, weil er gesund, kalorienarm und lecker ist. Schon Goethe wusste: „Es wird Natur durch keine Art gebessert.“
Fischland Schleswig-Holstein
- 536 Fischerboote sind an Ost- und Nordsee im Einsatz
- 46 Betriebe sind in der Binnenfischerei aktiv, sie nutzen 15.900 ha Gewässerfläche
- 35 Betriebe betreiben Aquakultur
- 40.000 Anglerinnen und Angler sind in Vereinen organisiert
- 14.383.594 kg Miesmuscheln im Wert von 20 Millionen Euro wurden 2017 geerntet
- 3.087.199 kg Nordseekrabben im Wert von 23 Millionen Euro wurden 2017 angelandet
- 62,1 Million Euro Umsatz erzielte die Küstenfischerei im Jahr 2017
Links zur Fischerei in Schleswig-Holstein
Ostsee überfischt
Zum Tag der Fische am 22. August 2019 fordert Slow Food Deutschland von der Politik, die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Fischerei rechtzeitiger und konsequenter umzusetzen. Nur dann können Menschen auch künftig von Fischfang und -verarbeitung leben und Fisch als wertvolles Lebensmittel genießen. Die Ostseefischerei hat bei der Beendigung der Überfischung in der EU über einige Jahre hinweg eine Vorreiterrolle gespielt. Nun aber ist die Situation einiger der wichtigsten Fischbestände in der Ostsee wissenschaftlichen Analysen des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) zufolge höchst kritisch. Zu den regionalen ‚Sorgenkindern‘ gehört der Dorsch, die wirtschaftlich wichtigste Zielart. Sein Bestand in der östlichen Ostsee verschlechtert sich seit vielen Jahren. Auch der Hering in der westlichen Ostsee ist weit von den EU-rechtlichen Nachhaltigkeitsmarken entfernt. Als Gründe nennt die Wissenschaft neben der übermäßigen Fischerei erhöhte Wassertemperaturen in Folge des Klimawandels und gebietsweise auftretenden Sauerstoffmangel, für den Einträge aus der Landwirtschaft mitverantwortlich sind. Ende Juli wurde für den Ostdorsch ein Fangverbot verhängt, auch für den Hering in der westlichen Ostsee wurde ein Fangstopp empfohlen.
Slow Food fordert die Entscheidungsträger auf, konsequenter für nachhaltige Fischbestände in der Ostsee einzutreten. Dazu sagte Nina Wolff, Fischereiexpertin und stellvertretende Vorsitzende von Slow Food Deutschland: „Um in der Ostsee Fischbestände in ökonomisch relevanten und ökologisch sinnvollen Größen zu erhalten, müssen in Berlin und Brüssel gleich mehrere Hebel umgelegt werden. Die unverzichtbare Grundlage bilden wissenschaftskonforme Fanggrenzen und -pausen, gemäß dem rechtlich bindenden Versprechen der EU, bis 2020 ausnahmslos alle Fischbestände nachhaltig zu bewirtschaften. Immer deutlicher zeigt sich aber auch, dass die hinlänglich bekannten Defizite in der Klima- und in der Agrarpolitik auch für die Fischbestände, Fischer und Fischgenießer schwerwiegende Folgen haben. Solche Versäumnisse sind aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht unverantwortlich und erfordern der Dringlichkeit entsprechend zügige Abhilfe“. Slow Food fordert langfristige Erholungspläne für Dorsch und Hering, ein Ende der Überdüngung der Ostsee infolge der industriellen Landwirtschaft sowie eine ambitionierte Klimastrategie der Bundesregierung bis September.