Wirtschaftsminister Robert Habeck blickt mit gemischten Gefühlen auf die Bauernproteste. Es sei das gute Recht der Landwirte, zu demonstrieren, sagt er ‒ aber warnt gleichzeitig vor extremen Kräften, die versuchen die Proteste zu vereinnahmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor einer Kaperung der Bauernproteste durch extreme Kräfte gewarnt und zum Schutz der Demokratie aufgerufen. Der Grünen-Politiker sagte in einem am Montag auf sozialen Medien verbreiteten Video des Ministeriums: „Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt.“
Am Montag haben mit Blockaden an Autobahnauffahrten und Traktorkolonnen in Städten bundesweite Bauernproteste begonnen. Am Donnerstag hatten Demonstranten Habeck an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert.
Bauern protestieren gegen Subventionsstreichungen
Hintergrund der Proteste von Landwirten sind geplante Streichungen von Subventionen. Die Bundesregierung hatte am Donnerstag angekündigt, sie wolle einen Teil der Kürzungen zurücknehmen. Habeck sagte, die Bundesregierung sei den Bauern wegen des Kostendrucks entgegengekommen.
Hinter den Protesten stehe aber mehr als die jetzigen Regierungsentscheidungen, sagte der Vizekanzler. „Wir alle erleben einen Umbruch. Kriege und Krisen, die hohe Inflation über die letzten zwei Jahre. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist der Angst vor einer schlechteren gewichen.“ Erschöpfung und Enttäuschung, Sorge und Wut machten sich breit. „Aber, und es ist ein großes Aber: wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern. Wir dürfen nicht blind sein. Umsturzphantasien heißen nichts anderes, als unseren demokratischen Staat zerstören zu wollen.“
Es gibt keine Garantie, dass nicht auch in Deutschland die Debatte immer weiter verroht, so dass am Ende das Recht und der Rechtsstaat gefährdet sind.
Habeck sagte weiter: „Es gibt keine Garantie, dass nicht auch in Deutschland die Debatte immer weiter verroht, so dass am Ende das Recht und der Rechtsstaat gefährdet sind.“ Die liberale Demokratie sei ein Schatz, der verteidigt werden müsse. „Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten.“
Habeck fordert Debatte über Wandel der Landwirtschaft
Habeck hat angesichts der Bauernproteste außerdem zu einer Debatte über einen weiteren Wandel der Landwirtschaft aufgerufen. Der Grünen-Politiker verwies in dem Video auf strukturelle Probleme der Branche. Habeck erinnerte daran, dass er früher Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war: „Ich habe viele Betriebe besucht und noch mehr Gespräche mit Bäuerinnen und Bauern geführt“, sagte der Vizekanzler. „Sie arbeiten sieben Tage die Woche, sind immer auf Abruf, und wenn andere ihren Jahresurlaub machen, haben sie Erntezeit. Ja, sie wirtschaften unter einem mächtigen ökonomischen Druck, dem Preisdruck durch die Discounter, der großen Schlachthöfe und Molkereien, dem schwankenden Weltmarkt.“ Es gebe gute und schlechte Jahre, vor allem aber gebe es ein strukturelles Problem.
Bauern könnten ihre Produktionskosten oft nicht weitergeben, weil die Preise nicht von ihnen gemacht würden. „Häufig haben sie Schwierigkeiten, ihre Produktionskosten zu decken. Es muss also immer mehr produziert werden.“ Genau das passiere auch, so Habeck. „Die Kühe heute geben gut 65 Prozent mehr Milch als noch vor 30 Jahren. Die Zahl der Höfe ist im gleichen Zeitraum um weit mehr als die Hälfte zurückgegangen.“
„Strukturwandel nennt man das. Ich finde, etwas beschönigend. Es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft.“
Robert Habeck
Die Tierbestände pro Hof würden immer größer, kleine Höfe verschwänden. „Strukturwandel nennt man das. Ich finde, etwas beschönigend. Es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft.“ Natürlich wolle man angesichts der Probleme an jeder einzelnen Subvention ohne Abstriche festhalten, sagte Habeck mit Blick auf den Bauernverband. „Nur gibt es auch andere Antworten: „Faire Preise, gute Bezahlung für anspruchsvolle Arbeit, für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz, direkte Vermarktung. Meiner Ansicht nach sollte man die Debatte jetzt nutzen, um ernsthaft und ehrlich genau darüber zu diskutieren.“