Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

Zum Portrait

Rettet die Emdener Gans

Robust, naturverbunden, umgänglich, echt norddeutsch
21. November 2023

In ihren Adern fließt das Blut einer langen und vor allem lange erfolgreichen Geschichte. Tief im Westen, kurz vor der niederländischen Grenze, hat die majestätische Emdener Gans ihr zu Hause, und das seit bald 800 Jahren. Ihre beeindruckende und dennoch elegante Erscheinung, ihre lange Tradition und ihre überzeugenden Eigenschaften als Zuchttier machen sie zum Primus unter den mittlerweile seltenen deutschen Rassegänsen. 

© Ingo Wandmacher

Seit dem 13. Jahrhundert wird die reinweiße Schönheit gezielt gezüchtet. Ihre Ahnen sind die Graugans und eine aus der Gegend zwischen Emden und Bremen stammenden alten Landrasse, der mächtigen und langhalsigen Schwanengans. Die hübsche Gestalt und die hervorragenden Eigenschaften zur Zucht haben sich über die Jahrhunderte gehalten und verfeinert. Die Emdener Gans ist ein ausgesprochen anspruchsloser Weidegänger und benötigt kein zusätzliches Kraftfutter, um sein Schlachtgewicht zu erreichen. Feuchtes und eher kühles Wetter, wie es in ihrer Heimat regelmäßig herrscht, kann ihr nichts anhaben und auch gegen Krankheiten ist sie gefeit. Robust, naturverbunden und umgänglich – eben eine echte Norddeutsche.  

Sie wurde schnell über die Region hinaus bekannt und in viele Länder exportiert, darunter England und die USA. Die Emdener Gans wurde später mit modernen Gänserassen gekreuzt. Die ehemals beliebte Gans lieferte das „Ausgangsmaterial“ für die heutigen modernen Hybridgänse der industriellen Gänsemast, wie sie vor allem in Polen und Ungarn betrieben wird. Nahezu 90 Prozent aller Gänse weltweit sollen Emdener Blut führen.

Warum war sie so beliebt? Besonders wegen ihrer großen Erscheinung und des hohen Schlachtgewichts. Die Emdener Gans misst ein Meter in der Höhe und wird gerne 10 Kilogramm, der Ganter sogar 11 kg schwer. Bei ordentlicher Mast können es sogar noch ein, zwei Kilo mehr sein. 


Kräftig, aber mit weichen Rundungen

Der reinweiße Vogel hat einen kräftigen Körper, einen schlanken Kopf und langen Hals, eine schöne Brust und ein breites Hinterteil. Die Übergänge sind harmonisch, mit weichen Rundungen. So wirkt er trotz seiner Masse elegant. Die Emdener Gans ist robust, liefert hervorragendes Fleisch und legt rund 40 Eier von je 150 bis 200 Gramm im Jahr. Selbstverständlich lassen sich auch ihre Federn/Daunen hervorragend nutzen. All das machte die Emder Gans über einen langen Zeitraum zu einem äußerst beliebten Nutztier, das im Weser-Ems-Gebiet auf vielen Höfen zu finden war.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs konnte die Emdener Gans nicht mehr an ihre Erfolgsgeschichte anknüpfen. Die wenigen Exemplare, die es noch gab, waren in schlechtem Zustand, es dauert bis in die 70er Jahre den alten starken und robusten Zuchttyp wieder heranzuziehen. Die veränderten Anforderungen der modernen Landwirtschaft tat ihr übriges zum Niedergang des ehemals so beliebten Federviehs. Die Freilandhaltung war nicht mehr kostendeckend, höhere Erträge mit massigeren Turbozucht-Gänsen bedeuteten den Abstieg,heute ist die Emdener Gans stark in ihrem Fortbestand gefährdet: Es gibt nur noch ca. 500 reinrassige Vögel. Schade, ist die alte Landrasse doch besonders schön und elegant, dabei robust und anhänglich. Hat man ihr Vertrauen erst gewonnen, kann man sich wunderbar mit ihr unterhalten. Jede Ansprache beantwortet sie mit Geschnatter. Und nicht zu vergessen das Fleisch, es ist äußerst delikat und hat ein intensives köstliches Aroma. Gans lecker. So sollte Gans schmecken. 

©Ingo Wandmacher