Kanzleramtschef Helge Braun geht davon aus, dass Reisen erst ab August wieder möglich sind. Dann befänden sich die Hoteliers in Deutschland seit neun Monaten de facto im Lockdown. Derweil werden die Rufe, nach einer baldigen Verschärfung der Maßnahmen lauter.
«Ich rechne damit, dass die entlastende Wirkung durch das Impfen und durch den Beginn der warmen Jahreszeit im Mai spürbar sein wird», sagte der Politiker der Bild am Sonntag. Zu Pfingsten werde man die ersten positiven Effekte sehen, vorausgesetzt, die Situation laufe bis dahin nicht aus dem Ruder. «Ich halte es für realistisch, dass im August Reisen wieder möglich sind», so Braun. Osterurlaub sei jedoch bei den momentanen Entwicklungen nicht verantwortbar.
Forderungen nach Lockdown und neuer Bund-Länder-Runde werden laut
Nur wenige Tage nach der letzten Bund-Länder-Runde scheint sich die Stimmung zu drehen. Die Forderungen nach einem harten Lockdown und nach einem neuen Corona-Gipfel werden lauter. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann stellte für Anfang der Woche weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern über einen harten Lockdown in Aussicht.
«Erstmal überlegen wir alle solche Sachen», sagte Kretschmann am Samstagabend in Stuttgart. «Wir müssen das auch mit anderen Ländern vorbesprechen, mit dem Bundeskanzleramt. Wir sehen halt, die Zahlen rasen förmlich hoch.» Bei den Gesprächen am Montag und Dienstag müsse man «zu Klarheit kommen». Ob die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten, die im April geplant ist, vorgezogen werden muss, sagte der Grüne nicht. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte einen raschen neuen Corona-Gipfel gefordert.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn plädiert für einen erneuten Lockdown. «Wenn wir die Zahlen nehmen, auch die Entwicklungen heute, brauchen wir eigentlich noch mal 10, 14 Tage mindestens richtiges Runterfahren unserer Kontakte, unserer Mobilität», sagte der Politiker am Samstag bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Bundesregierung, bei der Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen konnten. Er appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, «im Zweifel auch mehr als die staatlichen Regeln» umzusetzen.
Das Land Berlin will in der Corona-Pandemie aber einen neuen Weg einschlagen, um trotz wieder steigender Infektionszahlen aus dem Kreislauf aus Öffnen und Schließen herauszukommen. Deshalb bleiben einerseits vorsichtige Lockerungen etwa in Handel und Kultur bestehen, werden aber durch neue und verschärfte Regeln vor allem im Hinblick auf das Testen ergänzt. Die sogenannte Notbremse kommt damit nicht in der Form zum Tragen, wie sie Bund und Länder beschlossen hatten. In Mecklenburg-Vorpommern wurden die Corona-Maßnahmen jedoch teilweise verschärft. In Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 sind künftig nächtliche Ausgangsbeschränkungen möglich.
Der Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf sprach sich in der Bild am Sonntag klar für einen harten Lockdown aus. Es müsse endlich aufhören, dass jede Kommune ihren eigenen Sonderweg gehen könne. «Es wäre mir lieber, wenn wir noch mal zehn Tage bundesweit in einen harten Lockdown gehen und danach überall öffnen können, anstatt über Monate keine klaren Strukturen zu haben.» Wolf kritisierte die Ministerpräsidentenrunde deutlich: «Ihre Beschlüsse gehen seit Monaten völlig an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen und Betriebe vorbei.»
Tourismuskodex für schleswig-holsteinische Ostseeküste
Noch weiß niemand, wie viele Touristen in diesem Sommer nach Schleswig-Holstein kommen dürfen. Um Gedränge an den Stränden wie im Corona-Sommer zu vermeiden, haben sich die Orte an der Lübecker Bucht auf einen Tourismuskodex geeinigt. Dadurch sollten Alleingänge im Interesse des Tourismus in der Region vermieden werden, sagte die Geschäftsführerin des Ostsee-Holstein-Tourismus (OHT), Katja Lauritzen. Im vergangenen Jahr hatten Urlauber und Tagestouristen vor allem in Timmendorfer Strand und Scharbeutz an der Lübecker Bucht für zum Teil chaotische Verhältnisse gesorgt.
Tagesgäste sind für die Urlaubsorte ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Eine Studie des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr (dwif) in Auftrag des Ostsee-Holstein-Tourismus hat Lauritzen zufolge ergeben, dass im Jahr 2019 rund 58,5 Millionen Tagesgäste an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins für einen Bruttoumsatz von mehr als 1,7 Milliarden Euro gesorgt haben.