Jens Mecklenburg

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Reisen in Corona-Zeiten

So sind wir 2020 gereist, so wollen wir 2021 reisen
11. Februar 2021

Corona hat das Reiseverhalten der Deutschen auf den Stand der Siebzigerjahre zurückgeworfen. Ändert sich das 2021 wieder? Die BAT-Stiftung und das Statistische Bundesamt haben die Zahlen.

Endlich wieder Strand? Endlich wieder in die Berge? Endlich wieder die lang ersehnte Fernreise? Eher nicht. Das Gefühl der Unsicherheit wegen der andauernden Corona-Pandemie wird erst mal bleiben. So äußerten sich mehr als drei Viertel der Befragten der Tourismusanalyse der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen von British American Tobacco (BAT).

Heimat-Urlaub

Zwei Drittel wollen in diesem Jahr nahe liegende Ziele ansteuern – wenn es denn möglich ist. Und die Hälfte der Befragten (51 Prozent) gab an, das Reisen im vergangenen Jahr nicht vermisst zu haben.

„Solange die Angst, sich zu infizieren, krank zu werden oder im Urlaub gar ärztliche Hilfe zu benötigen im Hinterkopf ist, werden viele Bundesbürger mit einem unguten Gefühl unterwegs sein oder gleich ganz zu Hause bleiben“, sagte der wissenschaftliche Leiter der BAT-Stiftung, Ulrich Reinhardt. „Sicherheit war, ist und bleibt die Grundvoraussetzung beim Reisen.“

Die Stiftung befragte für ihre Studie nach eigenen Angaben mehr als 3000 Menschen zu ihren Reisen im vergangenen Jahr, ihren Urlaubsplänen für dieses Jahr sowie den Erwartungen für die Zukunft der Tourismusbranche. Die Umfrage wurde im Dezember 2020 und Januar 2021 durchgeführt.

Bei allen Unwägbarkeiten, ob und wie Reisen überhaupt möglich sein wird – fast die Hälfte der Bundesbürger planen, dieses Jahr in den Urlaub zu fahren. Jeder Fünfte sogar mehrmals. Ein Drittel ist mit der Planung noch zurückhaltend und will erst mal abwarten. Ein knappes Viertel der Bevölkerung weiß jetzt schon, dass eine Reise nicht anstehen wird.

Von den Urlaubsplanern will ein Drittel in Deutschland bleiben – im Vorjahr hatten vorab nur ein Viertel die Absicht. 40 Prozent plant in Europa unterwegs zu sein – und zwar vor allem in diesen Ländern: Spanien (8,8 Prozent), Italien (6,2), Skandinavien (4,1), Griechenland (3,6) und Österreich (2,9). Vor allem nach Spanien und Italien wollen 2021 deutlich mehr reisen.

Heftiger Einbruch im Fernreisemarkt

Die BAT-Umfrage wirft auch einen Blick zurück: 2020 hat nur etwa jeder dritte Deutsche eine längere Urlaubsreise gemacht: Lediglich 37 Prozent waren trotz der Corona-Pandemie mindestens fünf Tage verreist, im Jahr davor waren noch 61 Prozent im Urlaub gewesen. Davon habe gut jede zweite Urlaubsreise in Deutschland stattgefunden, teilte die BAT-Stiftung mit. Das entspreche dem Reiseverhalten der Siebzigerjahre.

„Die Bundesbürger zeigen sich krisenbewusst und pragmatisch. Statt zu verreisen, blieben sie 2020 überwiegend zu Hause – teilweise zwangsweise, teilweise aber auch durch die große Verunsicherung und Angst vor Infektionen“, sagte Reinhardt.

Der Anteil der Inlandsreisen stieg im Vergleich zum Vorjahr um gut 21 Prozentpunkte auf 55,5 Prozent. Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg konnten ihre Marktanteile jeweils in etwa verdoppeln. Die Anzahl der Ankünfte blieb allerdings in etwa gleich, weil insgesamt weniger Menschen verreisten.

Zu europäischen Zielen reisten 10,3 Prozent weniger als 2019. Erstmals seit etwa 50 Jahren war Österreich wieder das beliebteste Auslandsreiseziel der Bundesbürger, gefolgt von Italien, Spanien und Skandinavien. Die stärksten prozentualen Rückgänge verzeichneten Spanien und die Türkei, auf niedrigem Niveau gewannen Österreich, Skandinavien und Polen Marktanteile. „Hauptgründe hierfür waren die relativ kurze Anreise sowie eine – zumindest gefühlt – geringere Unsicherheit“, so die Stiftung.

Einen historischen Einbruch erlitt auch der Fernreisemarkt, wie die Stiftung konstatiert. Von denjenigen, die 2020 unterwegs waren, steuerten nur 17,2 Prozent ein Land in der Ferne an, das waren 10,7 Prozent weniger als 2019.

Davon lagen die Hauptreiseziele in Asien. Urlaubsreisen nach Afrika oder Amerika hätten fast überhaupt nicht stattgefunden, der Anteil deutscher Urlauber, die in die USA und Kanada, nach Ägypten und Tunesien reisten, sei um jeweils rund 80 Prozent gesunken, und auch die Inselparadiese in der Karibik wurden deutlich seltener angeflogen. Zuletzt seien Anfang der Neunzigerjahre so wenige Bundesbürger außerhalb der europäischen Grenzen verreist, gibt die Stiftung an.


Zwei Drittel weniger Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, mit welcher Wucht die Coronakrise mit ihren Reisebeschränkungen und zeitweisen Übernachtungsverboten für Privatleute das Hotelgewerbe in Deutschland getroffen hat: Die Zahl der Übernachtungen von Reisenden aus dem In- und Ausland fiel gegenüber dem Vorjahr um 39 Prozent auf das Rekordtief von 302,3 Millionen. In der Statistik werden Unterkünfte mit mindestens zehn Schlafgelegenheiten berücksichtigt.

Es war der niedrigste Stand seit dem Vorliegen gesamtdeutscher Ergebnisse im Jahr 1992. Im Jahr 2019 hatte der Deutschland-Tourismus noch das zehnte Rekordjahr in Folge hingelegt.

Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Inland sank im Vorjahresvergleich um gut ein Drittel (minus 33,4 Prozent) auf 270,3 Millionen. Bei Reisenden aus dem Ausland wurde ein noch stärkerer Einbruch um knapp zwei Drittel (minus 64,4 Prozent) auf 32,0 Millionen verzeichnet.

Der Einbruch infolge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ließ sich auch nicht durch eine mancherorts gute Sommersaison kompensieren. Seit Herbst sind touristische Übernachtungen in Hotels wieder tabu. Es fehlten auch Geschäftsreisende und internationale Gäste.

Wegen der Pandemie wurden reihenweise Messen, Konferenzen und andere Veranstaltungen abgesagt. Der weltweite Reiseverkehr wurde eingeschränkt. So galt beispielsweise von Mitte März bis Ende Juni 2020 ein Einreiseverbot für Bürger aus Nicht-EU-Staaten.

Im Dezember 2020 wurden lediglich 6,7 Millionen Übernachtungen gezählt, das waren 78,4 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Von den etwa 52.000 statistisch erfassten Beherbergungsbetrieben hatten rund 60 Prozent geöffnet.