Jens Mecklenburg

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Ostern allein im Haus

Die Beschlüsse zum Oster-Lockdown
23. März 2021

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen schicken Bund und Länder ganz Deutschland über Ostern in einen verschärften Lockdown. Tourismus im Inland wird auch in den Osterferien nicht erlaubt sein. Reisen in Nicht-Risikogebiete im Ausland bleiben aber möglich. 

Vom 1. bis einschließlich 5. April, also von Gründonnerstag bis Ostermontag, soll das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Das beschlossen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder in einer mehr als elfstündigen Marathonsitzung in der Nacht zum Dienstag.

Corona lässt nicht locker

Der seit mehr als drei Monaten geltende harte Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird insgesamt um drei Wochen bis zum 18. April verlängert. Am 12. April soll darüber beraten werden, wie es danach weitergeht. «Wir haben das Virus noch nicht besiegen können, es lässt nicht locker», begründete Merkel am frühen Dienstagmorgen die harten Maßnahmen. Deutschland sei in einer sehr ernsten Lage mit exponentiell steigenden Fallzahlen, einer steigenden Belastung der Intensivstationen in den Kliniken und der Ausbreitung ansteckenderer Coronavirus-Varianten.

«Angesichts der ernsten Infektionsdynamik wollen Bund und Länder die Ostertage nutzen, um durch eine mehrtägige, sehr weitgehende Reduzierung aller Kontakte das exponentielle Wachstum der 3. Welle zu durchbrechen», heißt es in dem von Bund und Ländern gefundenen Kompromiss. Dafür sollen die Werktage am 1. und am 3. April zu sogenannten «Ruhetagen» werden, an denen etwa auch Unternehmen wie an Feiertagen geschlossen bleiben. Einzige Ausnahme: Lebensmittelgeschäfte dürfen am 3. April öffnen. Sogar Gottesdienste sollen nicht in Präsenz stattfinden – wobei das nur als Appell formuliert ist.

Bis sich Bund und Länder in der Nacht auf Dienstag nach den rund zwölfstündigen Verhandlungen auf einen Kompromiss einigen konnten, wurde hart gerungen. Zwischenzeitlich drohte die Runde gar ohne eine Einigung auseinanderzugehen. Kanzlerin Angela Merkel spricht von «außergewöhnlichen Entscheidungen», betont aber: die Ruhetage würden die dritte Welle wohl auch nur «ein Stück weit überwinden».

Es gehe darum, Zeit zu gewinnen, bis die Impfungen vorankommen, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärt, es sei nicht einfach nur die Verlängerung eines Lockdowns, vielmehr gehe es nun darum, «eine völlig neue Pandemie» zu bekämpfen. Der Oster-Lockdown werde Geschwindigkeit aus der Pandemie nehmen, «das wird uns sehr sehr helfen», damit dann nach Ostern bei entsprechenden Zahlen wieder über Lockerungen nachgedacht werden könne.

Dass die «schwere Geburt», wie Söder und Müller den Kompromiss bezeichnen, überhaupt noch von Erfolg gekrönt ist, war nicht immer absehbar.

Merkel zieht Notbremse

Als fünf Ministerpräsidenten am Abend erklären, ihren Bürgern trotz der dritten Corona-Welle samt Virusvarianten «kontaktlosen Urlaub» im eigenen Bundesland erlauben zu wollen, zieht Merkel auf einmal ihre ganz persönliche Corona-Notbremse: Sollten Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz weiter darauf bestehen, werde sie den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz nicht mittragen.

Danach ist Pause. Für mehrere Stunden muss die Sitzung unterbrochen werden, in kleinen Runden geht es schrittweise vorwärts. Einen Abbruch kann sich niemand leisten. Am Ende ziehen die Länder zurück.

Es ist nicht das erste Mal, dass Merkel in einer Konferenz mit den Ländern auf Konfrontation geht. Im Oktober wählte sie etwa im Streit um eine Maskenpflicht in Hotspots ebenfalls drastische Worte: «Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden. Es reicht einfach nicht, was wir hier machen.»

Auch das Argument der SPD-Seite, der «kontaktlose Urlaub» sei wegen der vielen deutschen Touristen auf Mallorca gerechtfertigt, lässt Merkel nicht gelten. Sie sei auch nicht begeistert über die Reisen auf die spanische Urlaubsinsel, aber dies sei eben auch keine Rechtfertigung für einen anderen falschen Schritt, macht sie deutlich. Zuvor hatte unter anderem Justizministerin Christine Lambrecht erläutert, dass es kaum möglich sei, die Reisen nach Mallorca zu stoppen. Um dennoch die Sicherheit zu steigern, wird eine Testpflicht für Reiserückkehrer beschlossen.

Apropos Mallorca: Mitten in die unterbrochene Sitzung hin gibt es zwei Meldungen von der Insel, die auf großes Interesse stoßen: So sagen die deutschen Fluggesellschaften zu, dass sie die Rückkehrer nun selbst auf Corona testen wollen. Und zum anderen sollen wegen wieder steigender Corona-Zahlen die erst vor kurzem geöffneten Innenräume von Cafés, Restaurants und Kneipen schließen.

Der Zwist um die kontaktlosen Ferien ist aber bei weitem nicht der einzige Streitpunkt an diesem Tag. Schon Stunden vorher hatten sich die Länder ihrerseits erfolgreich gegen einen Plan Merkels gestemmt, wonach über die Ostertage auch Verwandtenbesuche im größeren Rahmen möglich zu machen. Auch hier kommt das Argument, dies sei in der Pandemie ein falsches Signal – aber eben von den Ministerpräsidenten.

Schon alleine die Bandbreite der diskutierten Maßnahmen zeigt, wie diffus die Infektionslage in diesen emotional aufgeladenen Wochen gesehen wird – diskutierte die Runde anfangs über Lockerungen an Ostern für größere Verwandtenbesuche, beschloss sie schließlich besagten Blitz-Lockdown.

Mit dem neuen Kurs ohne Osterlockerungen und gegen den Tourismus gehen Bund und Länder durchaus ein Risiko ein, wenn auch weniger aus pandemischen Gründen. In der gegenwärtigen Corona-Müdigkeit der Bevölkerung wäre es durchaus ein psychologisch wichtiges Signal gewesen, um die wachsende Unzufriedenheit der Menschen zu bremsen.

Zur Erinnerung: Als vor Weihnachten wegen der steigenden Zahlen die Lockerungen bei den Kontakten über die Festtage kritisiert wurden, sagte Söder, es gehe um eine «Balance zwischen Empathie und Rationalität», immerhin sei Weihnachten das wichtigste Fest des Jahres. Damals gab es aber weder Schnell- noch Laientests.

Doch statt einer frohen Osterkunde setzen Bund und Länder an diesen kalten Märztagen auf eine andere Botschaft: Der Lockdown muss bis Mitte April verlängert werden, in Hotspots muss die Notbremse konsequenter als bisher angewandt werden. Die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement dürfte so weiterwachsen. Dass Bund und Länder dennoch im Bundestagswahljahr diesen Weg gehen, kann man auch als stringente Linie sehen. Und als Ausdruck ihrer Not, denn auch das reiche Deutschland kann sich keinen Dauer-Lockdown leisten. 

Testpflicht für Urlauber 

Der Präsident des deutschen Reiseverbands, Norbert Fiebig, begrüßt, dass nach den jüngsten Beschlüssen von Bund und Ländern nicht alle Reiserückkehrer einer Quarantänepflicht unterliegen sollen. Es sei sinnvoll, stattdessen auf eine Testpflicht zu setzen, sagte Fiebig am Dienstag im ARD-«Morgenmagazin».

Die Reisemöglichkeiten im Inland hängen aus seiner Sicht «von den individuellen Bedingungen» am jeweiligen Ort ab, sagte Fiebig. «Da wo es gesundheitlich vertretbar» sei, sollte auch im Inland geprüft werden, ob Reisen mit Übernachtung möglich ist. Fiebig rät darüber hinaus von Vergleichen zwischen Deutschland und der spanischen Urlaubsinsel Mallorca ab. Dort seien die Inzidenzwerte deutlich niedriger, Vergleiche zwischen In- und Ausland seien nicht zielführend.

Auch in Deutschland grassiere bereits die brasilianische Mutante, betonte Fiebig. Deshalb müsse nun die Sicherheit vor allem über mehr Testungen erhöht werden. Wer diese Tests für alle Reiserückkehrer, wie sie Bund und Länder nun beschlossen haben, bezahlen soll, sei noch offen, sagte Fiebig. Möglich wäre eine Finanzierung durch die Airlines oder Reiseveranstalter.


Diese Maßnahmen wurden beschlossen

RUHEPAUSE ÜBER OSTERN

Merkel nennt den besonders scharfen Lockdown über Ostern eine «Ruhepause». Der Gründonnerstag und Karsamstag werden demnach einmalig als Ruhetage definiert und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen verbunden. «Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause», heißt es in dem Beschluss von Bund und Ländern. Nur am Karsamstag soll demnach der Lebensmittelhandel geöffnet bleiben. Private Zusammenkünfte sollen auf den eigenen Haushalt und einen weiteren Hausstand, jedoch maximal fünf Personen beschränkt werden. Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Paare mit getrennten Wohnungen gelten als ein Haushalt.

Ansammlungen im öffentlichen Raum werden dem Beschluss zufolge in dieser Zeit generell untersagt. Wo bereits Außengastronomie offen ist, muss sie für diese fünf Tage wieder geschlossen werden. Kirchen und Religionsgemeinschaft werden gebeten, an Ostern nur Online-Angebote für die Gläubigen zu machen. Nur Impf- und Testzentren sollen offenbleiben.


NOTBREMSE 

Die Anfang März vereinbarte «Notbremse» bei mehr als 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen soll konsequent umgesetzt werden. Öffnungsschritte sollen bei Erreichen der Marke zurückgenommen werden – am Dienstagmorgen lag sie laut Robert Koch-Institut bei 108,1. Die Landkreise sollen darüber hinaus aber auch weitere Maßnahmen ergreifen, wenn der Schwellenwert überschritten wird. Als Möglichkeit genannt werden in dem Beschluss unter anderem Ausgangsbeschränkungen, verschärfte Kontaktbeschränkungen und die Pflicht zu tagesaktuellen Schnelltests in Bereichen, in denen das Abstandhalten oder konsequente Maskentragen erschwert sind.


MEHR TESTS AN SCHULEN

Die harten Maßnahmen sollen durch mehr Tests begleitet werden. Bund und Länder wollen Corona-Tests für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte ausweiten und streben «baldmöglichst zwei Testungen pro Woche» an. Die Verteilung und Organisation läuft regional unterschiedlich gut, und über die praktische Umsetzung wird vielerorts noch diskutiert – beispielsweise über die Frage, ob die Tests zu Hause oder in der Schule stattfinden sollen. Zur Organisation des weiteren Betriebs von Schulen und Kitas, etwa zu möglichen Schließungen oder anderen Einschränkungen, trafen Merkel und die Ministerpräsidenten keine konkreten Vereinbarungen. Die Länder regeln diese Fragen damit weiterhin in Eigenregie.


MALLORCA-URLAUB 

Urlaub in Mallorca trotz steigender Infektionszahlen: Die Aufhebung der Reisewarnung und Quarantänepflicht für die Lieblingsinsel der Deutschen hat für viel Aufregung gesorgt. Urlaub wird dort zwar weiter möglich sein. Bund und Länder appellieren aber an die Fluggesellschaften, keine zusätzlichen Flüge mehr für die Osterferien anzubieten.

Zudem soll für alle Flüge aus dem Ausland nach Deutschland eine generelle Testpflicht vor Abflug eingeführt werden. Bisher müssen nur Einreisende aus «Hochinzidenzgebieten» mit besonders vielen Infektionen sowie aus Gebieten mit neuen Virusvarianten bei Einreise einen Test vorweisen. Kommt man aus einem «normalen» Risikogebiet, muss man sich erst 48 Stunden nach Ankunft in Deutschland testen lassen, was sich schwer kontrollieren lässt. Es gibt aber auch Gebiete in Europa, die gar nicht mehr auf der Risikoliste des RKI stehen, wie zum Beispiel Mallorca. Die neue Testpflicht zielt vor allem auf Urlauber ab, die von dort in den nächsten Wochen nach Deutschland zurückkehren. In der Osterzeit sollen es um die 40 000 sein.


HOTELS IM INLAND BLEIBEN FÜR TOURISTEN ZU

Tourismus im Inland wird auch in den Osterferien nicht möglich sein. Hotels und andere Beherbergungsbetriebe sollen für Urlauber geschlossen bleiben. Dieser Punkt sorgte in den Beratungen für besonders viel Ärger. Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz drangen darauf, ihren Bürgern Urlaub in Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Appartements, Wohnwagen und Wohnmobilen möglich zu machen, sofern diese über eigene Sanitäreinrichtungen verfügen und auch das Essen in Eigenregie organisiert werden kann. Davon ist im Beschluss nichts mehr zu finden.

Die Bund-Länder-Runde zählte zu den schwierigsten seit Beginn der Pandemie. Dem Vernehmen nach zeigte sich Kanzlerin Merkel zwischenzeitlich sehr unzufrieden mit dem Verlauf. Stundenlang wurde die große Runde unterbrochen und in kleinem Kreise weiterverhandelt. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach nach den Beratungen von einer «schweren Geburt». Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nannte die Verhandlungen schwierig, lobte aber auch den klaren Kurs, der gefunden worden sei. «Wir wissen, dass Corona bleischwer über dem Land liegt», sagte er. Man habe es jetzt aber in der Hand, die dritte Welle schneller zu beenden als die vorherige. «Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden», mahnte der CSU-Vorsitzende.