Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

Zum Portrait

Ratsherrn legt die Halskrause ab

Verjüngungs- und Modernisierungskur für traditionsreiche Hamburger Biermarke
12. Juli 2024

Anfang 2023 hat Niklas Nordmann die Geschäftsführung der Ratsherrn-Brauerei übernommen, seit Beginn dieses Jahres ist er gemeinsam mit seinem Vater Oliver Gesellschafter des Unternehmens. Nun verordnet der 31 Jahre alte Chef der traditionsreichen Hamburger Biermarke eine Verjüngungs- und Modernisierungskur. Das Ergebnis ist in den Getränkeregalen der Supermärkte bereits zu sehen: Ratsherrn hat die Halskrause abgelegt. „Wir liefern nur noch Flaschen im neuen Design aus“, sagt Nordmann über den Stand der Dinge beim Traditionsbruch.

© Ratsherrn

Ratsherrn schafft „weißen, alten Mann“ ab

Die sogenannte Hamburger Halskrause war bis vor gut 100 Jahren Teil der Amtstracht und zugleich Statussymbol von Bürgermeistern und Senatoren in der Hansestadt. Und das seit 72 Jahren gebraute Ratsherrn-Bier nutzte sie seit jeher als eine Art Logo und Wiedererkennungssymbol. Als Flaschenhals und Kronkorken des einst in der Elbschloss-Brauerei gebrauten Bieres noch mit goldglänzender Aluminiumfolie überzogen wurden und „alter, weißer Mann“ noch kein Schimpfwort war, zierte das Foto eines gesetzteren Herrn mit kompliziert gefaltetem Halsschmuck das Etikett.

Selbst als die Nordmanns die Marke vor Jahren wiederbelebten, blieb die Halskrause. Wenngleich der Umgang mit ihr bisweilen spielerische Züge annahm. So schlug etwa auf dem Etikett des India Pale Ale ein Hai seine Zähne in das hanseatische Ornat. Jetzt ist Schluss damit. Allein auf den Kronkorken findet sich künftig noch ein stilisierter Ratsherrn-Kopf mit Krause.

© Ratsherrn
© Ratsherrn

Ratsherrn will modern und weltoffen sein

„Während des großen Craftbeer-Hypes galt in der Branche die Devise: Je verrückter, desto besser. Dafür fehlt heute die Berechtigung“, sagt Nordmann. Und Marketingleiterin Nina Maerker findet, diese Halskrause sei doch eher konservativ, ein bisschen von oben herab, belehrend und „sehr männlich“. Ratsherrn wolle aber moderne und weltoffen sein.

Jeder Abschied vom Althergebrachten ist mit einem Risiko verbunden. Dem Aus für die Halskrause ging daher intensive Marktforschung voraus. „Wenn man fragt, ob das Logo bleiben soll, sagen viele Ja. Aber, wenn es nicht mehr da ist, fällt das eher nicht auf“, fasst Niklas Nordmann die Ergebnisse zusammen.

Den Höhepunkt des Marken-Relaunches bildet die groß angelegte Plakat- und Digitalkampagne im Großraum Hamburg. Nina Maerker erklärt die Idee: „Wir haben die Besonderheit unserer Biere, nämlich, dass Gutes eben Zeit braucht, mit Lifestyle-Aspekten verknüpft. Wir leben in einer hektischen Welt, daher plädieren wir für Entschleunigung – mit einer guten Portion Humor.“ Mit dem Hauptclaim der Kampagne „Immer schön langsam“ rückt das Unternehmen die Slow-Brewing-Zertifizierung seiner Biere im Hamburger Schanzenviertel in den Fokus, in Kombination mit der Einladung zu Entschleunigung und bewusstem Genuss.

Matrosenschluck heißt jetzt White Oat IPA

Neue Farben haben die zehn Sorten aus der Brauerei in den Schanzenhöfen bekommen, teils auch neue Namen. Das hopfenstarke Dry Hopped Pils heißt jetzt Hoppy Pilsener, der Matrosenschluck firmiert unter Oat White IPA. Und mit Mildes Lime 0,0 % kam vor kurzem eine ganz neue alkoholfreie und mit einem Schuss Limette aufgepeppte Sorte auf den Markt.

All das soll helfen, die Hamburger Brauerei weiter nach vorn zu bringen. Die Pandemie und ihre Folgen hat sie inzwischen hinter sich gelassen. „Wir haben 2023 wieder den Stand von 2019 erreicht“, sagt Nordmann über Ab- und Umsatz der Brauerei, die mit 40 Prozent einen ungewöhnlich hohen Anteil der Produktion in der Gastronomie absetzt.

„Es war schon Mut im Spiel, das vertraute Design hinter sich zu lassen und selbstbewusst eine neue Corporate Identity zu entwickeln. Aber das „neue Ratsherrn“ passt nun perfekt zur zukünftigen Ausrichtung unseres Familienunternehmens“, zeigt sich Niklas Nordmann überzeugt.

© Ratsherrn

Hamburger Pils für Japan

Neuerdings sogar in Japan. Ratsherrn ist mit den Gründern einer auf deutsche Küche und deutsches Bier spezialisierten Restaurantketten namens Schmatz ins Geschäft gekommen. Schmatz hat um die 50 Filialen in dem fernöstlichen Land. „Ich habe einen der Gründer zufällig kennengelernt“, sagt Nordmann. Seit ein paar Wochen werde bei Schmatz nun auch Ratsherrn Pils gezapft. Ob mit oder ohne Halskrause: immer schön langsam.