Hamburg war im Mittelalter eine Biermetropole, galt als „Brauhaus der Hanse“. Heinrich Knaust, der 1575 das erste Bierlexikon der Welt veröffentlichte, beginnt sein Kapitel über die „vornemsten Biere in Teutschlanden“ mit der Feststellung: „Das edle Hamburger Bier ist eine Königin unter allen anderen Weizen und weissen Bieren.“ Mittlerweile sorgen kleine und feine Craft-Beer-Brauer für süffigen Gesprächsstoff in der Hansestadt. Dabei sticht ein Brauer besonders hervor, der einen spannenden Brückenschlag zwischen der alten Tradition und der Moderne geschafft hat. Ein Pionier in Sachen moderner Biergenuss.
„Ratsherrn“ und Hamburg ist eine Verbindung, die bereits vor 70 Jahren begann. Das Licht der Welt erblickte das Bier 1951 zuerst als reine Exportmarke der Elbschloss-Brauerei. Schon bald war das Bier im ganzen Land bekannt und wurde eng mit Hamburg verbunden. Ende der 1970er war Ratsherrn das meistverkaufte Premium-Pils der Hansestadt mit einem Ausstoß von rund 15 Millionen Litern im Jahr. Mit der Integration der Elbschloss-Brauerei wanderte die Marke dann zur Bavaria-St. Pauli-Brauerei und anschließend zur Holsten-Brauerei. Nach einem Entscheid des Bundeskartellamtes musste die Marke im Jahre 2000 wieder abgegeben werden. Die Markenrechte wurden 2005 von Oliver Nordmann erworben, der in Hamburg einen Standort suchte und 2012 die Brauerei neu eröffnete. Heute ist Ratsherrn eine eigenständige Marke.
Innovative Familienbrauerei
Nordmann ist ein bereits in fünfter Generation geführtes Familienunternehmen, dass auf Nachhaltigkeit setzt. Die Familie betreibt Landwirtschaft, baut Braugerste und Hafer an, hält Bio-Rinder auf Rügen und braut Bier in Hamburg. Vergangenheit und Moderne, Tradition und Innovation, Handwerk und technischer Fortschritt gehen hier zusammen. Wenn Kreativität eines nicht braucht, dann sind es Grenzen des guten Geschmacks, so die Überzeugung der Familie. In ihrer Mikrobrauerei werden regelmäßig saisonale und limitierte Bierspezialitäten kreiert, die Bier-Genusstrinker ansprechen. Sei es in Barrique-Fässern gelagertes Ale, feldfrisches Grünhopfen-Pilsener oder mächtiges Imperial Stout. Der Braumeister Ian Pyle zeigt, was mit Hopfen, Malz und einer Prise anarchischer Experimentierfreude alles möglich ist. Mit der einen oder anderen renommierten Auszeichnung wie dem „International Craft Beer Award“, „European Beer Star“ und bei den „World Beer Awards“ wurde diese Kreativität schon belohnt.
Alte Biertradition neu belebt
Die Sude werden in einer gläsernen Brauerei mit dazugehörigem Braugasthaus namens „Altes Mädchen“ im Schanzenviertel produziert. Man versteht sich nicht als Brauerei in Hamburg, sondern als Hamburger Brauerei. Ihr „Matrosenschluck“ kommt süffig, „Hamburg Hell“ süffig-herb, eben norddeutsch daher – eine Reminiszenz an ein historisches Bier der Brauerei. Das Rotbier ist malzig, rund und vollmundig, eine Erinnerung an das im Mittelalter neben dem Weizenbier populäre Rotbier, dass ein Herr von Lohe in einem Gasthaus vor den Toren Hamburgs ausschenkte. Der Ort sollte später Altona heißen und ein Stadtteil von Hamburg werden. Es gibt die Legende, dass der Wirt das Bier zu günstig ausschenkte und die Hamburger Gastwirte sich beim Rat beschwerten, Lohes Gaststätte wäre „al to nah“ an Hamburg. Man müsse ihm das Braurecht entziehen. Historisch nicht gesichert, aber trotzdem eine schöne Geschichte. Wie auch die Wiederbelebung der alten Hamburger Institution Ratsherrn. So schmeckt Hamburg.