Dr. Doris Tillmann, langjährige Direktorin des Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseums, liegen Plakate sehr am Herzen. Daher hat sie die Plakatsammlung des Museums ausgebaut und daraus die letzte Ausstellung ihrer Amtszeit zusammengestellt. Das Stadtmuseum ist nun voller bunter Werbeplakate, pittoresker Reiseplakate und düsterer Propagandaplakate und alle erzählen Geschichten. Das Museum hat seine Nachbarn nach ihrem Lieblingsplakat befragt. Wir begleiten sie bei ihrer Wahl.
Der Buchhändler
Ein Museumsnachbar ist der Buchhändler Wolfgang Erichsen, der für seinen langjährigen Einsatz für die Kieler Innenstadt mit der Andreas-Gayk-Medaille der Landeshauptstadt Kiel ausgezeichnet wurde. Das Traditionsgeschäft in der Dänischen Straße gibt es seit 1960 am gleichen Standort. „Sich für ein einziges Plakat zu entscheiden, war mir fast unmöglich. Bei der Vielfalt an Motiven sind mir gleich drei markante Plakate ins Auge gefallen, darunter ein Plakat der Deutschen Bundesbahn und ein Schiffsplakat der Hamburg-Amerika Linie. Da ich mich aber für eines entscheiden musste, habe ich mir das Plakat mit dem großen Bären der Marke ‚Bärenmarke‘ ausgesucht. Das verbinde ich mit vielen Kindheitserinnerungen. Was haben wir den geliebt.“
Die Berner Alpenmilchgesellschaft wählte für ihre Werbebotschaft seinerzeit das Wappentier ihres Kantons, den Bären, aus. Auf den Milchdosen war eine Bärin zu sehen, die ihr Junges mit einer Flasche füttert. Ganz im Stil der Zeit führte die Firma 1951 einen tapsigen Teddybären als Werbefigur ein, der mit einer Milchdose unter dem Arm über eine blühende Alpenwiese läuft.
Übrigens gehörte diese Werbung zu den erfolgreichsten Kampagnen der Wirtschaftswunderzeit, als Bohnenkaffee wieder erschwinglich war und mit Zugabe von Dosenmilch genossen wurde. Vielen Deutschen ist sicherlich auch der gesungene Werbeslogan aus den 60er Jahren in Erinnerung geblieben, der für eine ganze Generation zum Ohrwurm wurde.
Die Klassikexpertin
Ruth König bietet in ihrem Geschäft Ruth König Klassik in der Dänischen Straße mehr als nur Musik-CDs an. Seit über 20 Jahren führt die Musikexpertin ihr beliebtes Geschäft, in dem sich die Kundinnen und Kunden auf fachkundige Beratung und ein exklusives Sortiment freuen können. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass Ruth König nach dem Ausstellungsrundgang gleich das Telefunken-Plakat zu ihrem Lieblingsobjekt auserkoren hat.
„Die hübsche Frau und die bewegten Figuren zusammen mit den kunstvollen Notenlinien auf dem Plakat stachen mir sofort ins Auge“, so König. Das auf den ersten Blick ein bisschen bieder anmutende Plakat der Telefunken GmbH, die Radiogeräte und Fernseher herstellte, verweist mit der schwungvoll gezeichneten Notenlinie und den tanzenden Figuren auf die gesittete Unterhaltungsmusik Mitte der 1950er Jahre und zielte damit auf eine entsprechende Kundschaft ab. Ruth König: „Die Firma Telefunken, aus der die Teldec hervorging, ist vielen noch ein Begriff. Und dann habe ich sofort an das Schallplattenmuseum in Nortorf gedacht, zu dem ich einen ganz besonderen Bezug habe. Ab und zu unterstütze ich das Museum mit historischen Plakaten oder Bildern aus meinem Geschäft und leiste damit einen kleinen Beitrag zur Sammlungserweiterung.“
Die Hutmacherin
Claudia Voss ist Modistenmeisterin und Inhaberin von HUTWILLER. Das Geschäft zog 2005 von der Holstenstraße in die Dänische Straße und bietet dort eine große Auswahl an Hüten und Mützen an, die in der angeschlossenen Werkstatt gefertigt werden. Außerdem findet man bei ihr schöne Handschuhe, Tücher, Ledertaschen und seit Neustem auch eine kleine Auswahl schicker Kleider.
Beim Aussuchen des Lieblingsplakats fiel Claudia Voss die Wahl gar nicht so leicht. So kamen gleich zwei Plakate in die engere Auswahl. Statt für das Plakat mit der Maggi-Würze – „Sonntags gehört Maggi stets aufs Frühstücksei“, so Voss – fiel die Entscheidung letztendlich zugunsten des farbenprächtigen Modeplakates „Dralon Imprimé“ aus. Besonders beeindruckt hat sie dabei die Größe und die Farbigkeit des sehr grünen Plakates. „Im Krieg war alles grau und braun. Es gab nur Kleidung aus Stoffen wie alten Decken oder Sonstigem, was eben vorhanden war. Danach gab es diesen Schritt in die Zukunft, endlich Farbe und die Mode kam wieder für die Frauen zurück“, sagt Claudia Voss.
Das Modeplakat mit den Schlagworten „luftig, waschbar, bügelfrei“ hebt die Vorzüge der neuen Synthetikfaser mit dem Markennamen Dralon hervor, die 1954 auf den Markt kam. Dass sich Komfort und Mode nicht ausschließen, beweist die elegant auf einer Schaukel sitzende Dame, die an die in den 1960er Jahren populäre italienische Filmschauspielerin Sophia Loren erinnert. Bei dieser Werbung für die moderne Kunstfaser wurden Eleganz und vermeintliche Wertigkeit besonders herausgestellt, denn die synthetischen Surrogate mussten mit den edlen Originalen wie Seide konkurrieren.
Der Antiquar
Seit 1967 ist das Antiquariat Schramm fester Bestandteil der Kieler Innenstadt. In der Dänischen Straße führt Daniel Schramm sein Antiquariat und Auktionshaus, in dem besonders wertvolle Bücher, seltene Landkarten und Stadtansichten, aber auch detailreiche Graphiken und Kunst angeboten werden. Fast zehn Jahre lang war der Inhaber auch Experte der NDR-Fernsehsendung „Lieb und Teuer“. Seine Kundschaft kann sich auf Expertise und ein ausgewähltes Sortiment verlassen.
Besonders gut gefiel und im Gedächtnis blieb Daniel Schramm das Plakat zur Kieler Herbstwoche für Kunst und Wissenschaft 1921, das im Untergeschoss der Ausstellung zu finden ist. „Bei der Betrachtung dieses expressionistischen Plakates kam mir gleich der Gedanke: Kiel wurde von der künstlerischen Muse geküsst! Die frühen 20er Jahre waren für Kiel eine sehr spannende Zeit, einerseits von Armut und den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges, aber andererseits eben auch von neuen, kulturellen Strömungen geprägt. Ich denke da insbesondere an die Zeitschrift ‚Die schöne Rarität‘ und die Gründung der Expressionistischen Arbeitsgemeinschaft Kiel, mit der eine neue künstlerische Bewegung aufkam. Es wäre aus meiner Sicht eine schöne Idee, die Herbstwoche für Kunst und Wissenschaft wieder neu aufleben zu lassen, die erstmals 1920 von Seiten der Stadt Kiel ins Leben gerufen wurde“, so Schramm abschließend.
Die Gastronomin
Das von Christina Mann geführte Lüneburg-Haus befindet sich seit 1994 in der Dänischen Straße und zählt seitdem zu den kulinarischen Highlights in Schleswig-Holstein. Gäste werden vom Chefkoch René Rosenberg mit regionalen und hochwertigen Köstlichkeiten verwöhnt. An das Restaurant schließt sich das hauseigene Hotel mit fünf stilvollen Appartements an. Auch Christina Mann hat ein Lieblingsplakat für sich in der Ausstellung entdeckt: „Mit United Colors of Benetton kommen mir gleich Erinnerungen an meine Jugendzeit in den Sinn. Wer etwas von Benetton trug, war etwas Besonderes, man gehörte sozusagen dazu. Mode als Statement verbinde ich heute noch mit dieser Marke. Die Plakate sind zeitlos und transportieren immer eine Botschaft, zum Beispiel weisen sie auf Probleme wie Rassismus und Hunger hin, die auch heute noch die Weltbevölkerung beschäftigen. Mich fasziniert einfach, wie die Plakate provozieren, auf Missstände hinweisen und sich Jugendliche mit ihrer Kleidung politisch positionieren.“ Das 1965 gegründete italienische Modeunternehmen Benetton entwickelte in den 1980er Jahren in Kooperation mit dem Fotografen Oliviero Toscani eine wirksame Werbekampagne, die statt der Produkte die Firmenphilosophie als abstraktes Markenimage in den Mittelpunkt stellte: das friedliche Miteinander von Menschen aller Hautfarben und Kontinente, das auf dem Plakat visualisiert wird. Dementsprechend änderte das Unternehmen 1985 seinen Namen in „United Colors of Benetton“. Die prägnante Werbekampagne, bei der auf die eigentliche Produktdarstellung verzichtet wurde, war weltweit sehr erfolgreich.
Wann und wo
Wer neugierig geworden ist, kann sich dieses und rund 200 weitere Plakate in der Plakatausstellung im Stadtmuseum Warleberger Hof, Dänische Straße 19, in Kiel ansehen. Die Ausstellung ist bis zum 22. Januar 2022 dienstags bis sonntags zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.