Jens Mecklenburg

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Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum – Weihnachtsbaumgeschichte(n)

22. Dezember 2024

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Wie treu sind deine Blätter
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit
Nein, auch im Winter, wenn es schneit

Der Weihnachtsbaum ist das wohl bekannteste Symbol des Weihnachtsfests. Man findet ihn im Wohnzimmer wie an öffentlichen Orten. Er wird liebevoll geschmückt, man drapiert an Heiligabend Geschenke an seinem Fuße und in Dänemark ist er sogar Bestandteil einer Polonaise, wird ein Freudentanz um ihn herum aufgeführt. Aber wo kommt er eigentlich her?

Fest steht: Der Weihnachtsbaum stand vor gut 2.000 Jahren bei Jesus Geburt noch nicht an seinem Platz. Zumindest nicht in der uns bekannten Form. Erst im 15. Jahrhundert wurden die ersten Christbäume aufgestellt. Christliche Reformer wie Martin Luther erklärten ihn zum Weihnachtssymbol für Protestanten. Vielleicht suchte Luther und seine Mitstreiter ein eigenes Symbol, um sich von der katholischen Krippe zur Weihnachtszeit abzuheben?

Wie dem auch sei: Schlägt man in der Bibel nach, wird man in Sachen Weihnachtsbaum nicht fündig. Aber im Koran findet sich ein „Weihnachtsbaum“-Hinweis: Maryam – Arabisch für Maria – wird von den Wehen überrascht und lehnt sich an einen Baum. Und dort, unter der schattenspendenden Palme, kommt Isa – Arabisch für Jesus – zur Welt. Nur, dass hilft uns auch nicht wirklich weiter. Der bei uns so beliebte Weihnachtsbaum – gut 25 Millionen Tannenbäume werden jährlich in Deutschland gekauft – hat seinen Ursprung in heidnischen Traditionen. Zur Zeit der Wintersonnenwende holte man sich sogenannte Wintermaien ins Haus. Die grünen Zweige waren ein Zeichen des Lebens, sollten böse Wintergeister vertreiben und versprachen Fruchtbarkeit.

Im späten Mittelalter vermischten sich immer mehr alte heidnische Bräuche mit „modernen“ christlichen. „Ab dem Mittelalter begann man in der Kirche damit, biblische Szenen darzustellen, um das ungebildete Volk zu unterrichten“, berichten Simone und Claudia Paganini. Das Theologen-Ehepaar hat mit seinem Buch „Von wegen Heilige Nacht!“ einen „Faktencheck zur Weihnachtsgeschichte“ veröffentlicht. „Beliebt war die Geschichte von Adam und Eva im Paradies. Für die Paradies-Geschichte brauchte man natürlich einen ‚Paradiesbaum‘. Dieser musste immergrün sein – es musste also ein Nadelbaum her“, sagen sie. Als Frucht der Erkenntnis wiederum habe zunächst ein roter Apfel herhalten müssen: „Die Geburtsstunde des späteren Weihnachtsbaumes.“

Vom Paradies- zum Weihnachtsbaum

Den grünen Baum mit dem Apfel nutzte man ursprünglich also nicht, um die Weihnachtsgeschichte zu erzählen – sondern die von Adam und Eva und der Schlange. Aus dem „Paradiesbaum“ entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Verbindung zur Weihnachtsgeschichte – und kann daher als Urtypus des später mit goldenen Nüssen, Gebäck und Kugeln geschmückten Weihnachtsbaumes betrachtet werden. Für die Paganinis steht fest: Der Weihnachtsbaum ist eine christliche Erfindung. Eine erste schriftliche Erwähnung findet der geschmückte Baum übrigens im Zusammenhang mit einer Freiburger Bäckerzunft im Jahr 1419. Im lettischen Riga soll der Weihnachtsbaum seit 1510 die Stadt schmücken. Wo der erste Weihnachtsbaum das Licht der Welt erblickte, wird vermutlich nie eindeutig zu klären sein.

Vom immergrünen Zweigen zum Tannenbaum

Einer Überlieferung zufolge wurde in Südwestdeutschland in Straßburg bereits im Jahr 1535 mit Bäumen gehandelt. Scheint der Übergang von immergrünen Zweigen zum geschmückten Weihnachtsbaum seinen Anfang genommen zu haben. Verkauft wurden kleine Eiben, Stechpalmen und Buchsbäume, die noch ohne Kerzen in den Stuben aufgehängt wurden. 1570 tauchte der Brauch dann auch im Norden auf: In den Zunfthäusern der Bremer Handwerker wurden mit Äpfeln, Nüssen und Datteln behängte Bäume aufgestellt. Kinder durften den schmackhaften Schmuck abnehmen und essen.

Ab 1730 wurden die Bäume erstmals mit Kerzen geschmückt. Die „Lichterbäume“ standen aber zunächst nur in den Häusern evangelischer Familien. Konfessionsübergreifend eroberte der Tannenbaum die Wohnzimmer dann in der Zeit der Freiheitskriege gegen Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Baum wurde damals auch zum Sinnbild des Deutschtums und unabhängig von der Glaubensrichtung zum festen Bestandteil des Weihnachtsfestes.

Da vor dem 19. Jahrhundert vor allem Äpfel, Nüsse, Gebäck und Zuckerzeug an den Baum gehängt wurden, hieß der Weihnachtsbaum in einigen Regionen auch Zuckerbaum. So nennt ihn auch der Dichter Jean Paul in seinem 1797 erschienenen Roman Der „Jubelsenior“: „In einigen der nächsten Häuser waren schon die Frucht- oder Zuckerbäume angezündet und die (…) Kinder hüpften um die brennenden Zweige und um das versilberte Obst.“ Bei E. T. A. Hoffmann heißt es in seinem Märchen „Nussknacker und Mausekönig“: „Der große Tannenbaum in der Mitte trug viele goldne und silberne Äpfel, und wie Knospen und Blüten keimten Zuckermandeln und bunte Bonbons und was es sonst noch für schönes Naschwerk gibt, aus allen Ästen.“

Die ersten Weihnachtsbäume waren noch nicht beleuchtet. Im 17. Jahrhundert kam in adligen Familien der Brauch auf, den Baum auch mit Kerzen zu schmücken; diese Mode wurde vom gehobenen Bürgertum aufgegriffen und setzte sich schließlich allgemein durch. Da Bienenwachs teuer war, wurde vor dem 19. Jahrhundert häufig Talg benutzt, der in Walnusshälften gegossen wurde. Erst die Erfindung von Stearin (1818) und Paraffin (1837) erlaubte die Herstellung preisgünstiger Kerzen.

Die Befestigung der Kerzen oder Talglämpchen erwies sich zunächst als schwierig, da es noch keine speziellen Kerzenhalter gab. Die oberen Schichten wickelten Wachsstöcke um die Zweige oder befestigten die Kerzen mit Hilfe von heißem Wachs direkt an den Zweigen, andere benutzten Nadeln zum Feststecken. 1867 wurden dann die ersten Kerzenhalter für Christbäume patentiert.

Auch Lametta kam Ende des 19. Jahrhunderts in Mode. Als Christbaumbehang symbolisiert Lametta das Aussehen von Eiszapfen und wurde deshalb ursprünglich ausschließlich in silberner Farbe hergestellt. Statt Lametta wurden und werden aber mancherorts auch Schleifen oder Bänder verwendet.

Die letzte große Weihnachtsbaum-Innovation war die elektrische Beleuchtung.

1895 hatte der Präsident der Vereinigten Staaten, Grover Cleveland, seinen Tannenbaum im Weißen Haus mit über hundert bunten elektrischen Kerzen schmücken lassen. Die elektrische Christbaumbeleuchtung verbreitete sich seit den 1920er Jahren langsam aber stetig, bis sie in den 1960er-Jahren aus Sicherheitsgründen zum Standard wurde. Heutzutage greift man aber auch wieder gerne zu „richtigen“ Kerzen.

© Ingo Wandmacher

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Wie treu sind deine Blätter

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Du kannst mir sehr gefallen

Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit
Ein Baum von dir mich hoch erfreut


Der Weihnachtsbaum erobert die Welt

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Brauch – zuerst in den Städten, dann auf dem Land – zu einem festen Bestandteil des Weihnachtsfestes in Deutschland. Vorangetrieben durch die verwandtschaftlichen Verbindungen deutscher Adelsfamilien zu den Höfen im Ausland verbreitete sich der Weihnachtsbaum nach und nach in ganz Europa. Auswanderer und deutsche Soldaten, die im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpften, machten ihn im Laufe des 19. Jahrhunderts auch in der Neuen Welt populär. 1891 stand erstmals ein „Christmas Tree“ vor dem Weißen Haus in Washington.

Die Tradition eines weiteren berühmten Weihnachtsbaums hat ihren Ursprung im Zweiten Weltkrieg: Die Tanne, die jedes Jahr auf dem Trafalgar Square in London aufgestellt wird, kommt stets aus Norwegen. Sie soll an den gemeinsamen Kampf der beiden Länder gegen Nazi-Deutschland erinnern.

Weihnachtsbäume in Skandinavien

Da Vorfreude ja bekanntlich die größte Freude ist, bekommt bei den Dänen zum Ende der Adventszeit selbst der Heilige Abend noch ein Vorspiel: Am 23. Dezember trifft man sich zum „Lille Juleaften“, dem „kleinen Weihnachtsabend“, an dem der Baum gemeinschaftlich festlich geschmückt wird – zusätzlich zu den Julehjerter mit dänischen Flaggen und natürlich mit echten Kerzen. Letzte Vorbereitungen gehen oft nahtlos in den Heiligen Abend über, an dem Geschenke für frohe Gesichter und gute Laune sorgen.

Am Anfang des Abends steht aber natürlich auch am 24. das Essen. Oft verbringen die Dänen mehrere Stunden am Tisch, um eine festliche Mahlzeit aus Schweinebraten, Ente, Salzkartoffeln und karamellisierten Kartoffeln, Rotkohl und Soße zu genießen. Den Abschluss bildet das Dessert Risalamande, in dem eine so genannte „Mandelgave“ steckt: Wer die Mandel im Reis findet, erhält ein kleines Geschenk extra.

Im Anschluss folgt – mit vollem Magen – die Bewegung: Hand in Hand tanzt man in Dänemark traditionelle Weihnachtslieder singend um den Baum, erst dann dürfen alle Geschenke ausgepackt werden. 

Die Weihnachtsbäume in Dänemarks Haushalten sind im Übrigen nur zwei von zwölf Millionen Nordmanntannen, die jedes Jahr zum Fest im eigenen Land geschlagen werden. Der Rest wird exportiert, die Hälfte davon nach Deutschland.  

Der Weihnachtsbaum in Finnland ist traditionell ein riesiger Tannenbaum, der an Heiligabend festlich mit Kerzen und Kugeln geschmückt wird. Auch kleine Landesflaggen aus Papier werden oft an den Baum gehängt – nicht nur finnische. Eine weitere beliebte Weihnachtsdekoration ist das Himmeli, eine aufwendige Bastelei aus Stroh, die entweder als Mobile von der Decke hängt oder in einer kleineren Version den Baum dekoriert. Himmeli bedeutet Himmel, und das Stroh, das dafür verwendet wird, ist ein Symbol für die Krippe in Bethlehem. Der Weihnachtsbaum schmückt dann bis zum Dreikönigsfest am 6. Januar die finnischen Wohnzimmer. 

©VisitAarhus

In Schweden ist der 13. Januar normalerweise der Tag, an dem offiziell die Weihnachtsfeierlichkeiten enden – und die meisten Weihnachtsbäume auf der Straße landen. Wenn Sie in Stockholm wohnen, können Sie mit Ihren alten Bäumen für Fische ein neues Zuhause schaffen. Dank der Initiative des schwedischen Sportfischer-Verbands Sportsfiskana dem Tannenbaum ein zweites Leben im eiskalten Wasser vor dem einstigen Stockholmer Industriegebiet Hammarby Sjöstad verschaffen. Von einem Schiff aus werden sie – versehen mit Steinen statt Christbaumkugeln – ins Wasser geworfen, um zum Habitat der dortigen Meeresfauna zu werden.

In den vergangenen Jahren sei in dem Stadtteil viel gebaut worden, entsprechend sei auch der Bootsverkehr dort deutlich angestiegen, sagt die Projektleiterin von Sportsfiskana, Malin Kjellin. „Die Vegetation, die für die Fische zum Laichen genutzt wurde, ist quasi verschwunden – und das ist eine gute Möglichkeit, sie auf natürliche Weise zu ersetzen“.

Seit 2016, dem Start des Projekts, wurden bereits über tausend nach Weihnachten gesammelte Bäume, die natürlich nicht mit Pestiziden behandelt sein dürfen, im Wasser rund um Stockholm entsorgt, und Unterwasservideos zeigen, wie gut sie sich als Orte eignen, in denen Fische ihren Rogen ablegen und Jungfische sich vor ihren Feinden verstecken können.

„Es funktioniert“, freut sich Umweltschützerin Yvonne Blomback vom schwedischen WWF. „Diese Fische sind sehr wichtig, weil sie Teil einer Nahrungskette sind, die eine Zunahme der Algen in der Ostsee verhindert“. Dies gleiche die Probleme der Überdüngung der Ostsee durch die Felder aus, die seit dem 19. Jahrhundert zunehmend die Feuchtgebiete entlang der Küsten ersetzt hätten.

„Weihnachtsbäume haben für uns in Schweden eine eigene Persönlichkeit, wir suchen sie sehr sorgfältig aus und leben mit ihnen“, erzählt Camilla Hallström, während sie ihre kleine Fichte an einer Sammelstelle für das ungewöhnliche Recyclingprojekt abgibt. Die schwedische Rentnerin findet die umweltfreundliche Lösung für ausrangierte Weihnachtsbäume „super“.

Welcher Bio-Baum passt zu mir?

©Kristian Krogh

Gut 25 Millionen Weihnachtsbäume werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. Aus ökologischer Sicht stört weniger die schiere Masse der Bäume, sondern deren giftiges Vorleben. Ist eine Tanne oder Fichte nach einem bis anderthalb Jahrzehnten erntereif, hat sie manche Pestiziddusche gegen Insekten und Konkurrenz hinter sich, warnt der Förster und Bremer NABU-Chef Sönke Hofmann. Auch seien die Anbauflächen keine jungen Wälder, sondern artenarme Plantagen in exotischer Monokultur.
„Mit dem billigen Baum aus dem Baumarkt holt man sich ziemlich sicher eine Giftschleuder ins Wohnzimmer“, ist Hofmann überzeugt. Über Dreiviertel der Weihnachtsbäume sind bei Tests regelmäßig mit mindestens einem Pestizid belastet. Im warmen Wohnraum können die Chemikalien dann in die Raumluft entweichen und besonders Kinder, Senioren und Vorerkrankte belasten.

Etwa jeder zehnte Baum komme im Topf daher, ein Trend, dem Förster Hofmann allerdings auch wenig abgewinnen kann: „Containerpflanzen sind aufwändig und schwer, insbesondere beim Transport. Und dann muss dieses grüne Geschöpf aus dem Winter in die Heizungswärme und wieder zurück.“ Die Überlebensraten bis zum nächsten Fest seien mau und die Nordmanntanne ohnehin ein artenarmer Exot im Garten. Auch Plastiktannen erteilt der NABU in Zeiten der Plastikmüllflut eine klare Absage.

Wenn also Standardware, Plastik und Kübelpflanze aus ökologischen Gründen ausscheiden, was bleibt dann? „Natürlich gehört der Baum zum Fest wie Kerzen und Geschenke“, betont der Naturschützer und bekennender Weihnachtsfan, „doch die Kosten für die perfekte Tanne sind für Mensch und Natur immens.“

„Wer nur wenig Platz hat, kann Zweige in einen aufgebohrten Holzklotz stecken, dann hat man anschließend sogar noch ein Insektenhotel“, gibt Sönke Hofmann einen Basteltipp. Der NABU-Chef empfiehlt ansonsten Nadelbäume aus der Durchforstung beim nächsten Förster. Ist dieser Weg zu weit, bleiben bio- oder FSC-zertifizierte Bäume oder wenigstens Bäume aus lokalen Gärtnereien.

Frisch halten

Was lässt sich tun, damit der Weihnachtsbaum möglichst lange ansehnlich bleibt? Ein wichtiges Kriterium für die Haltbarkeit ist die Frische. Deshalb sollte der Christbaum erst kurz vor Weihnachten geschlagen und möglichst auch dort gekauft werden, wo er gewachsen ist. Falls ein Verpackungsnetz benutzt wird, sollte es sofort nach dem Transport von unten nach oben geöffnet und entfernt werden. Falls der Baum gefroren ist, sollte er langsam aufgetaut werden. Nach dem Transport ist der Baum in einen Eimer mit Wasser zu stellen. Das ideale Zwischenlager ist kühl, schattig und windgeschützt. Garten, Balkon und Keller bieten sich hier an. Ein „Temperaturschock“ ist zu vermeiden. Ideal ist es, den Baum vor dem Aufstellen langsam an das wärmere Raumklima zu gewöhnen. Dazu wird er ein bis zwei Tage in einen hellen Kellerraum, einen kühlen Wintergarten oder ins Treppenhaus gestellt.

Kurz vor dem Aufstellen ist der Baum am Stammende zu beschneiden. Der Standort sollte kühl, also nicht zu nahe an der Heizung, ohne direkte Sonneneinstrahlung und frei von Zugluft sein. Der Baum braucht je nach Zimmertemperatur 0,5 bis 4 Liter Wasser pro Tag. Auch ein tägliches Besprühen der Zweige mit Wasser verlängert die Lebensdauer.

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Du kannst mir sehr gefallen

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Dein Kleid will mich was lehren
Die Hoffnung und Beständigkeit
Gibt Kraft und Trost zu jeder Zeit
Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Dein Kleid will mich was lehren

(Text: Ernst Anschütz, Joachim A. Zarnack. Melodie: alte schlesische Weise)

© Ingo Wandmacher