Verena Weustenfeld

Freie Journalistin

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Neue Fangquoten für die Nordsee

Kabeljau & Seelachs machen Sorgen
19. Dezember 2019

Am Mittwochmorgen einigten sich die EU-Fischereiminister in Brüssel über die Fangquoten in der Nordsee für 2020. Ihr Fazit: Um etliche Fischbestände in der Nordsee steht es sehr schlecht. Bei Kabeljau und Seelachs müssen die Fischer mit deutlich geringeren Fangmengen auskommen. Bei anderen wichtigen Arten wie Makrele und Schellfisch ist hingegen ein deutliches Plus vorgesehen. Die EU-Kommission sieht mit der Einigung Nachhaltigkeitsziele erreicht. Umweltschützer dagegen kritisieren, dass die Bestände weiter überfischt werden.

© Deutsche See

50 Prozent weniger Kabeljau

Die EU-Kommission schlägt die Quoten in der Regel auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen vor. Dann geht es in Verhandlungen darum, die Interessen der Fischfangindustrie gegen Umweltbelange abzuwägen und den Fortbestand der Fischarten zu sichern. Die Fangquoten gelten jeweils für ein Jahr. Beim Kabeljau ist demnach nun eine Reduzierung der erlaubten Fangmenge um 50 Prozent vorgesehen. Auf Deutschland entfallen dann noch rund 1600 Tonnen. Beim Seelachs ist ein Minus von 15 Prozent geplant (rund 8300 Tonnen). Der Makrelen-Fang kann hingegen deutlich ausgeweitet werden. Die Minister hoben die erlaubte Fangmenge hier um 41 Prozent an. Auf Deutschland entfallen dann rund 23.400 Tonnen. Beim für Deutschland ebenfalls wichtigen Hering bleibt die erlaubte Fangmenge hingegen mit rund 39.400 Tonnen unverändert. Im vorigen Jahr hatte es hier bereits deutliche Einschränkungen gegeben.

„Die deutsche Fischerei wird mit diesen Quoten gut leben können“, sagte Sprecher Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband in Hamburg. Der Rückgang beim Seelachs werde den Betrieben zwar weh tun. „Aber das ist die natürliche Schwankung, damit muss man als Fischer leben.“  Zusätzliche Maßnahmen gelten für den Kabeljau: Nachdem die Wissenschaft in den letzten Jahren prognostiziert hatte, dass die Bestandsgröße den Schwellenwert für die nachhaltige Bewirtschaftung überschreiten wird, gibt es bei dieser Fischart seit einigen Jahren unerwartete Nachwuchsprobleme insbesondere im südlichen Teil des Verbreitungsgebietes. Die Zukunft wird zeigen, ob sich der Nordseebestand immer weiter in den Norden ausdehnt. Als treibende Kraft für diese Entwicklung wird der Klimawandel diskutiert. Durch zusätzliche Maßnahmen wie Schonung von Laichgebieten und Jungfischkonzentrationen soll die Bestandssituation noch schneller verbessert werden, als es durch eine einfache Quotenkürzung geschehen würde.

„Die Flotten werden kommendes Jahr auf einem Level fischen, das die Erholung der Bestände nicht verhindern wird“, sagte der neue EU-Fischereikommissar Virginijus Sinkevicius. Die Fangmöglichkeiten für die deutschen Fischer seien „insgesamt zufriedenstellend“, sagte auch Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU).

Nordsee-Kutter. © Nordseetourismus

Nicht nachhaltig genug?

Doch das geht den Umweltschützern nicht weit genug: Dazu Nina Wolff, stellvertretende Vorsitzende und Fischerei-Expertin von Slow Food Deutschland: „Seit der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) 2013 haben die europäischen Minister unbestritten Fortschritte bei der Nachhaltigkeit der Bestände und damit auch der europäischen Fischprodukte gemacht. Doch trotz der Selbstverpflichtung der EU zu einem ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziel wurden Jahr um Jahr zahlreiche Fanggrenzen zu hoch angesetzt und damit dem guten Umweltzustand unserer Meere geschadet. Anders als in den Jahren zuvor handelt es sich bei der Missachtung der für 2020 rechtlich bindend festgelegten Frist nicht mehr allein um politische Unvernunft, sondern um einen klaren Rechtsbruch“.

Slow Food Deutschland kritisiert seit vielen Jahren den unachtsamen Umgang mit unseren marinen Ökosystemen und die übermäßige Nutzung vieler Fischbestände. Die Vorsitzende des Vereins Ursula Hudson: „In diesem entscheidenden Jahr haben die Minister trotz anderslautender Lippenbekenntnisse die Chance verpasst, ein klares Statement für die Nachhaltigkeit der Meere zu setzen. Eine verantwortungsvolle Fischereipolitik, welche unsere planetaren Grenzen respektiert, wäre eine wichtige Voraussetzung, drängende Herausforderungen wie den Biodiversitätsverlust oder den Klimawandel zu bewältigen. Nur mit einer konsequent nachhaltigen Bewirtschaftung unserer Ressourcen können die Meere erhalten und eine wachsende Weltbevölkerung ernährt werden“.

Stella Nemecky von der Naturschutzorganisation WWF kritisierte ebenfalls: „Dem Bestand ging es erst seit Kurzem endlich wieder besser – nach einem Bestandszusammenbruch Mitte der 2000er und vielen Jahren Erholungsplan.“ Doch zu früh angehobene Fangmengen zeigten traurige Wirkung.

Fischkutter. © Ingo Wandmacher

„Die EU ist wieder nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen gefolgt“, sagte auch die Expertin Katja Hockun von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Gerade im Beifang von Kabeljau sieht sie ein Problem. Beim Schleppfang auf Fischarten wie Scholle gerate viel mehr Kabeljau ins Netz, als hinterher angelandet werde. Ein großer Teil werde trotz Verbots wieder ins Meer geworfen. „Das sind enorme Mengen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Solch illegalen Rückwürfe würden aber kaum kontrolliert.


Fazit

Grundsätzlich geht es darum, eine Balance zwischen dem Schutz der Bestände und den Interessen und Bedürfnissen der Fischfangindustrie zu finden. Aber dieses Ziel liegt wie es scheint noch in weiter Ferne. 

© Hendrik Neubauer