Dunkel und leblos ist der Meeresgrund. Wo einst Seegras und Faseralgen wuchsen, Miesmuscheln und Seesterne einen Lebensraum hatten, finden Taucher nur noch Schlamm, schwarz gefärbt von Eisensulfid und bedeckt mit sulfatreduzierenden Bakterien. Es entstehen „tote Zonen“ als Folge der intensiven Landwirtschaft und der Massentierhaltung, die immense Algenblüten forciert.
Was nach einem nordischen Krimi klingt, ist leider vielerorts die Realität: So wird die Ostsee oft als Meer mit den größten anthropogenen Todeszonen der Welt beschrieben. Die Fischer haben es nicht leicht und genießen im Hinblick auf den Zustand der Meere nicht immer ein gutes Image. Das soll sich nun ändern. „Von Aquakultur bis zum Angeltourismus. Von den Teichwirten hin zu den Küstenfischern. Das alles zusammen ist Fischerei. Und damit das so bleibt, gehört auch Fisch genießen dazu“, so Jan-Philipp Albrecht, Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur und Digitalisierung auf einer Fachtagung. Zur besseren Vermarktung wurde 2008 die Marke „WIR FISCHEN S.-H.“ ins Leben gerufen, die zahlreiche Vertreter der Fischerei miteinander vereinen soll. Am 22.10.2019 sind ca. 100 Gäste der Einladung des Markenbeirats in die Halle der Landwirtschaftskammer auf dem Rendsburger Messegelände gefolgt.
Lange Tradition
„Die Fischerei hat eine lange Tradition, über die Esskultur wird auch eine emotionale Bindung zum Produkt geschaffen, es geht nicht nur um Fakten, sondern auch um Imagebildung“, so der Landwirtschaftsminister. Die Vielfalt der heimischen Fischerei, der Berufsstand und das Berufsbild sollen gestärkt werden. So auch Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): „Die Fischerei in ihrer ganzen Bandbreite prägt das Gesicht unseres Landes. In Schleswig-Holstein gibt es noch viele lokale und regionale Fischangebote“. Was nach fröhlicher Folklore und Chanty-Chören klingt, wirkt angesichts der finanziellen Not insbesondere der kleineren, traditionellen Fischer etwas absurd. Jeder vierte Speisefisch ist vom Aussterben bedroht. Dass die Leidtragenden des Klimawandels die Weltmeere sind, bestätigt auch der aktuelle Bericht des Weltklimarates IPCC (International Panel on Climate Change). Die Ökosysteme wandeln sich zum Teil durch menschliche Eingriffe rapide. Das gilt auch für die Hochsee: Bislang gibt es kein globales Regelwerk zur Einrichtung und Kontrolle von Meeresschutzgebieten – das geltende Seerecht stützt sich mehr auf die Nutzung der Ozeane als auf deren Schutz. Laut Greenpeace sind die globalen Fischbestände um bis zu 80 Prozent dezimiert.
Großer Hunger auf Fisch
Um unser aller Appetit auf Fisch, Garnelen und Muscheln zu stillen, gehen täglich Millionen Boote auf Fang, von der kleinen Piroge über den durchschnittlichen Kutter bis zum XXL-Trawler mit integrierter Fischfabrik. Dabei landen jedoch auch Millionen Tonnen von Jungfischen und anderen Meeresbewohnern in die Netze und verenden als nutzloser Beifang. Industrielle Fischereiflotten sind das Hauptproblem: Auf ihren „Raubzügen“ – so Umweltschützer – orten sie große Schwärme per Echolot, Radar oder Hubschrauber. Mit kilometerlangen Leinen und gigantischen Netzen fangen sie in kurzer Zeit riesige Mengen. In der Ostsee geht es etwas gemächlicher zu. Und doch gehen auch hier die Fischbestände zurück, steht die Fischerei vor großen Problemen.
Fischerei in Schleswig-Holstein
Ein paar Zahlen: 62,1 Mio. Umsatz pro Jahr erzielte allein die Küstenfischerei in Schleswig-Holstein. In der Ostsee sind 397 Fischereifahrzeuge unterwegs, in der Nordsee immerhin noch 139. Insgesamt 46 hauptgewerbliche See- und Binnenfischereibetriebe sowie Teichwirtschaften bieten ihre Ware frisch oder verarbeitet direkt am Anleger, im eigenen Geschäft oder auf Wochenmärkten an. Fänge aus der Seen- und Flussfischerei werden sogar fast ausschließlich direkt an den Endkunden, an die regionale Gastronomie oder den Einzelhandel verkauft. Dabei ist bei den Klassikern wie Hering oder Krabbe längst noch nicht Schluss. Über das Infoportal „Fisch vom Kutter“ stellen die Fischer sämtliche relevanten Informationen immer aktuell zur Verfügung: Wann und wo ihr Fischkutter anlegen wird, welche Fischarten sie an Bord haben und was zum Verkauf zur Verfügung steht (www.fischvomkutter.de).
Nachhaltige Fischerei
Die nachhaltigere Fischerei in den vergangenen Jahren, Schongebiete, Schonzeiten und größere Maschenweiten haben laut Landesfischereiverband zur guten Entwicklung bzw. Erholung beispielsweise des Dorsches (so wird der Kabeljau in der Ostsee genannt) beigetragen. So starke Jahrgänge seien zuletzt vor 20 Jahren beobachtet worden. Insgesamt jedoch, so spricht der Fischereiexperte Dr. rer. nat. Rainer Froese vom GEOMAR in Kiel, gelten ein Viertel der bekannten Speisefische als überfischt. „Die kleinen Fischer leiden unter immer schwierigeren Konditionen“, so Jan Philipp Albrecht. „Es müssen Dinge verändert werden – „Wir Fischen S.H.“ will vermitteln. Welche Perspektive die Ostseefischerei in Zukunft hat, bleibt offen.