Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

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Märchen und Tiere in der Kunsthalle

Multimediale Gegenwartssatiren aus Schottland
28. Februar 2020
„Feed Me“ © Maclean

Die Kunsthalle zu Kiel zeigt die multimedial arbeitende schottische Künstlerin Rachel Maclean in ihrer ersten musealen Einzelausstellung in Deutschland. Mittels digitaler Video-, Virtual Reality- und Fototechnik entwirft Maclean bildgewaltige Erzählungen, die in grellfarbigen Fantasiewelten spielen. Ihre humorvollen und bitterbösen Gegenwartssatiren beziehen sich auf Märchen wie Rotkäppchen und der Wolf oder Der Wind in den Weiden. Mit opulenten Kostümen und aufwendigem Make-up spielt die Künstlerin ihre verschiedenen Figuren fast immer selbst. In ihren unverwechselbaren Arbeiten widmet sich Rachel Maclean Themen wie dem Nationalismus, den Veränderungen des sozialen Lebens, Geschlechterbilder und Konsumverhalten. Die Ausstellung zeigt Video-Projektionen und digitale Malereien der Künstlerin.  


Tierisch auf die Welt blicken 

Erstmals in Europa präsentiert die Kunsthalle auch Macleans jüngstes Werk Native Animals (Einheimische Tiere, 2019). Die Arbeit besteht aus 23 digitalen Malereien und einer Acht-Kanal-Video-Installation. Die Künstlerin widmet sich darin unter anderem der britischen Identität und dem Brexit. 

Native Animals ist durch Tiercharaktere wie Kröterich, Dachs oder Hase aus Kindergeschichten wie Der Wind in den Weiden (1908) und Peter Rabbit (1902) inspiriert. Rachel Maclean spielt alle Figuren selbst. Motivisch zitiert die Künstlerin unter anderem das friedliche Landleben, wie es Werke der klassischen britischen Landschaftsmalerei zeigen. Doch Rachel Macleans fabelhafte Welt ist ein düsterer Ort. Gesellschaftliche Zugehörigkeit und Ausgrenzung sowie die scharfe Trennung sozialer Klassen in Zeiten digitaler Kommunikation spielen eine wesentliche Rolle. 

© Maclean

Unter den gezeigten Werken ist auch der Film Feed me (Füttere mich, 2015), in dem sich die Künstlerin der Beziehung zwischen der Kommerzialisierung von Kindheit und der Sexualisierung des Kindlichen bei gleichzeitiger Infantilisierung des Erwachsenenverhaltens widmet. Schauplatz ist eine Welt, die von einem Spielzeughersteller namens Smile.inc regiert wird.  

In ihrer ersten künstlerischen Arbeit mit der Virtual-Reality-Technik zeigt Rachel Maclean unter dem Titel I’m Terribly Sorry (Es tut mir schrecklich leid, 2018) eine ins Groteske verzerrte britische Großstadtwelt, in der das Selbstverständnis Großbritanniens fundamental ins Wanken gerät. Ästhetisch und handlungsstrategisch ist diese Arbeit an den Stil von Videospielen und Science-Fiction-Filmen angelehnt. 

Weitere Werke der Ausstellung widmen sich Bildern von Weiblichkeit, der Macht der Werbung und dem Phänomen des Niedlichen, das wesentlicher Bestandteil unserer Alltagskultur geworden ist. 


Gute Zusammenarbeit 

Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden. Rachel Maclean hat für ihre Arbeiten in der Kunsthalle zu Kiel ein eigenes Konzept entworfen, das Farben aus ihren Werken aufnimmt und in den Raum überträgt: Entstanden ist ein grellbunter Parcours, der durch zwei grundverschiedene Farbwelten führt. Im ersten Bereich laufen Ausschnitte der britischen Flagge, des Union Jack, über sämtliche Wände vor rotem Boden. Im weiteren Verlauf der Ausstellung zeigt Maclean ihre Werke vor pinken Wänden und leuchtend blau gehaltenem Teppich.  

Rachel Maclean bei der Zabludowicz collection, London. © David Bebber

Die Künstlerin 

Rachel Maclean wurde 1987 in Edinburgh geboren. Sie lebt und arbeitet in Glasgow. Die Künstlerin studierte bis 2009 Drawing and Painting am Edinburgh College of Art, Schottland. Seit 2011 nimmt Rachel Maclean an internationalen Filmfestivals und Screenings teil und ist in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit zu sehen. Zu ihren jüngsten Einzelpräsentationen zählen Ausstellungen in der National Gallery London (2018/2019) sowie im Tel Aviv Museum of Art (2019/2020). Auf der 57. Biennale di Venezia im Jahr 2017 repräsentierte sie Schottland.  

2014 erhielt Maclean den Margaret Tait Award – Schottlands renommiertester Preis für Videokünstler*innen. 2013 sowie 2015 war sie auf der Shortlist des Jarman Award, der Künstler*innen im Bereich innovatives und experimentelles Bewegtbild ehrt.  

Warnung

Die Ausstellung ist gelungen, unbedingt empfehlenswert und für die beschauliche Landeshauptstadt an der Förde eine kleine Sensation. Nur sollten Eltern mit Kindern und sensible Zeitgenossen folgende Warnhinweise der Kunsthalle beachten:

„Diese Ausstellung enthält Werke, deren Inhalte auf die Besucher*innen verstörend wirken oder die Gefühle verletzen könnten. 

Kindern und Jugendlichen empfehlen wir einen Ausstellungsbesuch in Begleitung ihrer Eltern oder im Rahmen unseres Vermittlungsprogramms zur Ausstellung.“ 

© Rachel Maclean

Was, wann & wo

Rachel Maclean

noch bis 24. Mai 2020

Kunsthalle zu Kiel

Düsternbrooker Weg 1, 24105 Kiel

www.kunsthalle-kiel.de/de/ausstellungen

Website der Künstlerin