Jens Mecklenburg

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Kaum noch Eiswinter – Neue Arten im winterlichen Wattenmeer

14. Januar 2025
Schneeammern (c) Christian-Neumann

Sind jetzt alle Tiere im Winterschlaf oder im warmen Süden? An der Nordseeküste keinesfalls: Hier lassen sich in diesen Tagen noch eine Menge Tiere beobachten. Mit dem Klimawandel kommen sogar noch neue Arten hinzu.

Am Watt ist es mit dem Wintereinbruch stiller geworden: Die großen Vogelschwärme des Herbstes sind weg. Und die des Frühjahrs noch nicht da. In jedem Herbst und jedem Frühjahr rasten nach Angaben der Nationalparkverwaltung etwa zwölf Millionen Zugvögel im Wattenmeer vor der deutschen, niederländischen und dänischen Nordseeküste. Doch auch im Winter lassen sich hier viele Vögel beobachten. Naturschützer erzählen sogar, dass sie neue Tierarten beobachten können.

Möwen sind immer präsent, aber auch verschiedene Gänse und Watvögel wie Austernfischer und Säbelschnäbler sind zu sehen. Denn auch jetzt ist das Nahrungsangebot im Wattenmeer reichhaltig, wie Claus von Hoerschelmann, stellvertretender Leiter des Nationalparkzentrums Multimar Wattforum in Tönning, berichtet.

Einige Vögel zieht es sogar nur in dieser Jahreszeit hierher. Wattspaziergänger können im Spülsaum kleine Singvögel beobachten, die „wie eine rollende Wolke“ durch das Treibsel fliegen, sagt von Hoerschelmann. „Denen geht es super hier. Die kommen tatsächlich nur im Winter her und die profitieren davon, was im Spülsaum an Samen, Körnern und Resten ist.“

Das sogenannte „Spülsaumtrio“ sind Schneeammer, Ohrenlerche und Berghänfling. Sie zieht es im Winter von ihren arktischen Brutgebieten gen Süden ans Wattenmeer. Dort ernähren sie sich von den Samen der Salzwiesen, die im Spülsaum zu finden sind.

Austernfischer (c) Leander-Khil

Kaum noch Seehunde zu sehen

Seehunde sind auf den Sandbänken aber weniger zu finden. Sie zieht es weiter raus in die Nordsee, wo die Temperaturen nicht so niedrig sind wie im Flachwasserbereich des Wattenmeers, sagt von Hoerschelmann. Zudem sind sie durch eine dicke Fettschicht „gut isoliert“.

Wechselwarme Wattbewohner wie Fische, Schnecken und Muscheln passen die Körpertemperatur an die Umgebungstemperatur an. Mobile Arten wie Scholle oder Nordseegarnele flüchtet vor der Kälte in tiefere und damit frostfreie Bereiche der Nordsee. Wattwürmer und manche Muschelarten buddeln sich zum Schutz vor Frost in tiefere Bodenschichten.

Manche Arten wie Herzmuschel und Bäumchenröhrenwurm erfrieren laut Schutzstation Wattenmeer in Eiswintern jedoch leicht: Auch im Küstenvorfeld in 10 bis 20 Metern Tiefe erfrieren den Angaben zufolge mitunter Millionen von Muscheln.

Anders als etwa auf einem See liegen die Eisschollen wegen der Gezeiten auch direkt auf dem Watt, berichtet von Hoerschelmann. „Und die ersten Millimeter oder Zentimeter des Wattbodens frieren mit durch und hängen sich teilweise an die Eisscholle dran.“ Wenn dann die Eisscholle bei der nächsten Flut aufschwimmt, nimmt es die erste Bodenschicht mit. Zudem bewegten sich die Eisschollen durch die Wasserbewegung wie ein Hobel über den Boden und räumten diesen leer.

Die schlimmste Katastrophe – biologisch gesehen – sei ein Eiswinter, sagt von Hoerschelmann. Aber: „Die Tiere, die hier im Wattenmeer leben, sind daran angepasst.“ So helfe Muscheln und Krebsen etwa ihre planktische Larvenphase. Die erwachsenen Tiere lassen ihre Eier ins offene Wasser, daraus entwickeln sich Larven, die zunächst Teil des Planktons sind und sich erst ab einer bestimmten Lebensphase auf dem Boden niederlassen und neue Flächen besiedeln. Zudem wird seit einigen Jahren beobachtet, „dass wir keine Eiswinter mehr haben“, so von Hoerschelmann. Da spiele auch die Klimaerwärmung eine Rolle. Dies habe auch Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Arten im Watt. Jährlich komme im Schnitt eine neue Art dazu. „Und wir beobachten, dass zunehmend wärmeliebende Arten dazu kommen.“ Bisher wurden Experten zufolge aber keine heimischen Arten verdrängt.