Jens Mecklenburg

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Herbstzeit ist Apfelzeit

Von Apfeleinfalt bis Apfelkabinett
11. Oktober 2019

Die goldene Herbstzeit ist Apfelzeit. Um viele Sorten aber ist es alles andere als rosig bestellt, nicht nur aufgrund des warmen Winters und frostigen Frühlings, sondern wegen der anhaltenden Verarmung genetischer Vielfalt. So appelliert   Slow Food an die Politik, die Erzeugerinnen und Erzeuger alter Apfelsorten gezielt zu fördern, um ihren Ansagen zum Erhalt biokultureller Vielfalt auch Taten folgen zu lassen. Verbraucherinnen und Verbrauchern rät Slow Food zu regionalen Obstsorten statt zu Standardware aus dem Supermarkt.

©BVEO

Verarmung der einstigen Apfelvielfalt

Die Verarmung der einstigen Apfelvielfalt begann nach dem Zweiten Weltkrieg und erreichte in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt. Motor dafür war der Handel; unterstützt durch die Politik, die europaweit Erzeugerinnen und Erzeuger subventionierte, die ihre alten, standortangepassten Hochstämme rodeten und Niederstammanlagen mit modernen Sorten kultivierten. Relevant war nur noch Ware, die sich gut anbauen und handeln ließ, ihr Geschmack kam erst an zweiter Stelle. Der Golden Delicious wurde damals als geeignete genetische Basis für modernes Tafelobst ausgewählt. Man kreuzte ihn mit zahlreichen anderen Apfelsorten und schuf auf seiner Basis das heute gängige Sortiment an Supermarktäpfeln. Mit diesem „modernen Obst“ reduzierte sich die Apfelvielfalt enorm. In den Genuss regional und saisonal wechselnder Sorten kommen nur noch die wenigsten, die direkt Kontakt zu Erzeugerinnen und Erzeugern pflegen. Die Vorsitzende von Slow Food Deutschland, Ursula Hudson, sagt dazu: „Die prall gefüllten Auslagen der Supermärkte täuschen auch bei Äpfeln über echte Vielfalt hinweg. Farben, Aromen und vor allem kostbares Apfelwissen gehen uns damit verloren. Letzteres aber brauchen wir, damit wir wissen, welche Sorten wir wie am besten nutzen. Denn während einige, einmal vom Baum geholt, sofort gegessen werden sollten, nutzen wir andere zum saften oder trocknen.“ 

Obst steht Spalier

Und mit den hunderten Kilometern „Spalierobst“, so Hudson, gehe natürlich auch die Fülle an Anbausystemen kaputt. Eckart Brandt aus Großenwörden in Niedersachsen gehört zu denjenigen, die alte Apfelsorten erhalten. Er vertreibt Jungbäume und wünscht sich, dass die Politik statt der intensiven Monokulturen den Anbau von hochstämmigen Obstbäumen unterstützt: „Vielfalt findet in Reih und Glied keinen Platz. Wir brauchen einen gewissen ‚Wildwuchs‘, in dem sich auch Bienen und andere Insekten wohl fühlen“, so Brandt. Verbraucherinnen und Verbraucher hofft er – ganz im Sinne von Slow Food – von dem Geschmack alter Sorten zu überzeugen. „Wer einmal wohlschmeckende und markante Apfelaromen auf seiner Zunge hatte, ist er eher bereit, dafür zu kämpfen, dass es sie weiter gibt“, sagt Brandt. Zu seinen Lieblingen gehört der Finkenwerder Herbstprinz, Passagier der Arche des guten Geschmacks von Slow Food.

https://www.slowfood.de/

Das Apfelkabinett. ©BVEO/ Andre Wagenzik

Angela Merkel empfängt zum Apfelkabinett

Anlässlich des alljährlichen Apfelkabinetts im Bundeskanzleramt empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel am 9. Oktober Apfel- und Blütenköniginnen aus fünf verschiedenen Anbaugebieten Deutschlands. Gekleidet in die traditionellen Trachten ihrer Heimatregionen hatten die royalen Apfel-Repräsentantinnen ein besonderes, wenn auch nicht unerwartetes Gastgeschenk im Gepäck: rund 320 Kilogramm beziehungsweise 2000 Stück der beliebtesten heimischen Apfelsorten. Darunter den beliebten Elstar, die süßen Sorten Jonagold und Jonagored, sowie den aromatisch-würzigen Holsteiner Cox und die Lieblings-Apfelsorte der Kanzlerin, den grünen Boskoop. Ein Apfel, an dem Kanzlerin Merkel insbesondere die ausgeprägte Säure und das feste Fruchtfleisch schätzt.


Hier regiert der Apfel

Das „Apfelkabinett“, das auf eine Initiative der Erzeugerorganisationen zurückgeht, gibt es bereits seit 1976. Eine traditionsreiche Veranstaltung also, bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Bundesministerinnen und -minister Olaf Scholz (Finanzen), Julia Klöckner (Ernährung und Landwirtschaft), Jens Spahn (Gesundheit), Annegret Kramp-Karrenbauer (Verteidigung), Peter Altmaier (Wirtschaft und Energie) und viele mehr nicht nur die Apfel-Hoheiten aus Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch die ersten erntefrischen Äpfel aus deren Anbauregionen begrüßten. 

Für den Präsidenten des Deutschen Raiffeisenverbands, Franz-Josef Holzenkamp, ist diese traditionsreiche Veranstaltung eine Herzensangelegenheit: „Es ist uns eine Ehre, schon seit über 40 Jahren auf höchster politischer Ebene, den Beginn der deutschen Apfelsaison einläuten zu dürfen.“


Äpfel hoch im Kurs

Für 2019 wird eine gute, wenn auch geringere Erntemenge als im Rekordjahr 2018 erwartet. Sehr zur Freude der deutschen Verbraucher. Denn die sind zu 86 Prozent Apfelkäufer und Äpfel hierzulande die Nr. 1 im Obst-Ranking. Durchschnittlich 15,6 Kilo des Kernobstverbrauchs gingen im vergangenen Jahr allein auf das Konto eines jeden deutschen Privathaushalts. Das macht rund 104 Äpfel pro Haushalt oder rund 52 Äpfel pro Person. 

Den Spitzenplatz in der Rangliste der beliebtesten Äpfel belegt seit Jahren in Folge der aromatisch-saftige Elstar. Auf ihn entfallen im Schnitt ca. 17 Prozent der gesamten Absatzmenge. Platz zwei belegt der süß-säuerliche Braeburn mit rund 13 Prozent. Es folgen der süße Gala mit rund 12 Prozent und die fein-säuerlichen Jonagold und Jonagored mit knapp 10 Prozent. 

Marina Tajger vertrat das Alte Land. Julia Heimgartner aus der Region Bodensee repräsentierte Baden-Württemberg und Nane Coorßen das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Elisabeth Geithel war für den Freistaat Sachsen sowie Sachsen-Anhalt und Jasmine Lasch für Brandenburg dabei. Sie alle sind sich einig: „Es gibt viele gute Gründe, sich für frisches Obst aus deutschen Anbauregionen zu entscheiden. Zum Beispiel die kurzen Lieferwege und die hohen Standards beim Anbau. Außerdem schmecken frische Äpfel aus der Region einfach besser.“

© Judith Bernhard