Ein Beitrag von Ira Scheidig
Kaffee hat in der Hansestadt eine lange Tradition, Branchengrößen wie Melitta oder Azul sind hier ansässig. Aber auch viele kleine innovative Unternehmen und Cafés sind entstanden, die die Kaffeehistorie Bremens fortführen. Dabei setzen sie auf hochwertigen Spezialitätenkaffee, der strengen Richtlinien unterliegt, und sorgen so für eine neue Kaffeekultur in der Kaffeehochburg.
Daniel Wenkel steht hinter dem Tresen und zaubert ein kunstvolles Muster in den Milchschaum des Kaffees. Wenkel ist Inhaber des YellowBird Coffee und hat damit 2016 nach eigenen Angaben das erste Bremer „Speciality Coffee House“ eröffnet – also ein Café mit Spezialitätenkaffee, der für besonders hohe Qualität steht. Die Tische sind nicht nur an diesem Tag bis auf den letzten Platz besetzt, seit der Eröffnung hat sich das Café in der Bremer Neustadt zum regelrechten Publikumsmagneten entwickelt. Das Erfolgsgeheimnis? Kein Klimbim, beschreibt Wenkel seine Intension – dafür jede Menge Handwerk und Geschmack. So auch seinerzeit seine Überlegungen für ein innovatives Café-Konzept: „Wir haben die Kaffeezubereitung neu, modern und handwerklich gesehen“, erläutert er. „Es gab so etwas nicht in Bremen.“ Damit hat Daniel Wenkel in Bremen eine neue Form der Kaffeekultur angestoßen, die sich heute durch viele kleine kreative Start-ups zeigt, und mit der er an eine lange Kaffeetradition in seiner Heimatstadt anknüpft. Denn in Bremen eröffnete im Jahr 1673 das erste deutsche Kaffeehaus – auf Initiative des Niederländers Jan Jahns von Huisten, der das koffeinhaltige Getränk damit erstmals in die Hansestadt brachte.
Spezialitätenkaffee unterliegt strengen Richtlinien
Im Supermarkt findet man Spezialitätenkaffee eher selten. In Deutschland gibt es rund 700 Röstereien, die ihn verkaufen – hochwertiger Spezialitätenkaffee boomt. Doch was zeichnet ihn aus? Spezialitätenkaffee, wie er den Gästen im YellowBird Coffee in der Bremer Neustadt serviert wird, unterliegt strengen Richtlinien und einem Punktesystem der Speciality Coffee Association (SCA) – die zentrale Anlaufstelle für Spezialitätenkaffee. Das bezieht sich in erster Linie auf die Qualität der Kaffeebohnen, die strengen Prüfkriterien unterzogen werden. Doch es geht nicht um die Kaffeequalität, sondern auch um Kriterien wie Transparenz der Lieferketten, ökologisch nachhaltigen Anbau, faire Löhne der Kaffeebauern sowie die Förderung sozialer Projekte im Ursprungsland. Ab 80 Punkten auf der SCA-Skala spricht man von Spezialitätenkaffee.
Auch für den Kaffee-Experten Wenkel ist Spezialitätenkaffee sehr viel mehr als die gute Qualität der Kaffeebohne. Für ihn muss der gesamte Kaffeeprozess transparent sein. „Spezialitätenkaffee ist für mich auch der Umgang damit und der Ausgleich von Lieferketten. Das bedeutet, dass alle aus der Lieferkette gut bezahlt werden, keiner überproportional und dass es nicht in erster Linie profitorientiert ist.“ Für den Café-Inhaber fängt die Prüfung bereits bei der Qualität der Kaffeefarm an und endet im Umgang miteinander in seinem Bremer Kaffeehaus. Bei den Gästen kommt das Konzept gut an, der Spezialitätenkaffee hat in Bremen einen festen Platz gefunden.
Bremer Branchenriesen entdecken Spezialitätenkaffee
Die zunehmende Bedeutung von Spezialitätenkaffee in der Hansestadt zeigt sich auch daran, dass Branchengrößen wie Melitta seit neuestem ihr Angebot darum ergänzen. 2020 wurde die Melitta Manufaktur in Bremen gegründet – auf Initiative einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die damit ihrer Leidenschaft für Kaffee in kleinen und sehr besonderen Röstungen Ausdruck verleihen wollten. Aktuell gibt es unter dem Dach der Melitta Manufaktur zwölf Spezialitätenkaffees, darunter zwei Raritäten. „Für unsere Melitta Manufaktur-Kaffees wählen wir ausschließlich Spezialitätenkaffees aus, die uns mit ihrem Charakter überzeugen. Diese Kaffees sind nur in kleinen Mengen verfügbar“, erläutert Nicole Böhmke, Expertin für Spezialitätenkaffee bei Melitta. „Erst unsere Manufaktur ermöglichte es uns, diese besonderen Kaffees in solch kleinen Mengen zu verarbeiten.“ Kaffee hat eine lange Tradition in der Hansestadt. Einst gründete Ludwig Roselius in Bremen Kaffee HAG und errichtete damit die erste Kaffeefabrik Europas. Bremen ist die Kaffeehauptstadt, mit ihr werden nicht nur große
bekannte Marken der Branche verbunden, die bremischen Häfen sind auch die wichtigsten Importstationen für Kaffee in Deutschland. Laut Statistischem Landesamt Bremen gelangt jede zweite Kaffeebohne über Bremen nach Deutschland. Viele Privatröstereien wie Lloyd Caffee, Münchhausen und Cross Coffee tragen die Tradition Bremens als Kaffeehauptstadt weiter.
Klasse statt Masse
Auch bei Martin Büchler und seiner kleinen Privatrösterei in der Böttcherstraße dreht sich alles leidenschaftlich um Kaffee. 2006 gründete er die Bremer Kaffeegesellschaft und bringt mit Büchlers beste Bohne eine Eigenmarke heraus. In dem dazugehörigen Ladengeschäft mit kleinem Ausschank können Kaffee-Fans im geschichtsträchtigen Ambiente der Böttcherstraße verschiedene Sorten kosten und kaufen. Der Standort ist nicht zufällig, denn sie geht auf den Bremer Kaffeekaufmann Roselius zurück. Er hat diese historische Gasse zwischen 1922 und 1931 erbaut und damit eine der schönsten Sehenswürdigkeiten und touristischen Anziehungspunkte mitten in der Bremer Innenstadt geschaffen. Die Böttcherstraße bietet heute eine gelungene Mischung aus Handel, Genuss, Geschichte und Kunst – und eben auch Kaffeekultur.
Im Ladengeschäft können die Besucherinnen und Besucher Exponate der Bremer Kaffeegeschichte bewundern. „Noch viel mehr lagert auf meinem Dachboden“, sagt Kaffeespezialist Büchler lächelnd und erzählt von seiner Idee, in Bremen mal ein Kaffeemuseum eröffnen zu wollen. Für ihn ist beim Spezialitätenkaffee vor allem der Geschmack das Kriterium, und er wählt die rohen Bohnen für seinen Kaffee sorgfältig selbst aus. Da wird auch mal per Hand säuberlich nachsortiert. Sein Motto: Klasse statt Masse. Büchler war mit dem handelsüblichen Angebot nicht zufrieden, steckte daraufhin viel Energie in eigene Kaffeesorten und röstet selbst, erzählt er. Gerade hat er in eine der modernsten Röstmaschinen investiert. Das kommt bei den Gästen gut an. Nicht nur zahlreiche Stammkunden, auch an Kaffeeraritäten Interessierte und Bremenbesucherinnen und -besucher gehören zu seinen Kunden. Damit auch Kaffeeliebhaberinnen und -liebhaber über die Grenzen Bremens hinaus in den Genuss seiner Kaffeespezialitäten kommen, bietet er mit einem Online-Shop überregionalen Versand an.
Auf Qualität wird mehr Wert gelegt
Dass Bremen zur Kaffeehochburg werden konnte, ist vor allem der Weser zu verdanken, die zum wichtigsten Handelsweg wurde. Sie und viele andere Gewässer machen einen großen Teil der bremischen Lebensqualität aus. Deswegen widmet sich Bremen mit seinem Themenjahr „Genussufer 2023. Bremen am Wasser erleben“ diesen Gewässern und lädt Menschen an verschiedensten Orten in der Stadt zum Genießen ein. Alle Infos und Orte
„Guter Kaffee ist kein Zufall“, sagt Daniel Wenkel von YellowBird Coffee und ist wie Martin Büchler und viele andere ein Beispiel für eine neue Bremer Kaffeekultur, die mehr denn je Wert auf gute Qualität und hochwertigen Kaffee setzt. Das Heißgetränk wird nicht einfach nur zum Wachwerden getrunken, sondern ganz bewusst genossen. Das bestätigt auch die Kaffee-Konsum-Studie „So trinkt Deutschland Kaffee 2021“ des Deutschen Kaffeeverbandes. Danach ist für fast vier von zehn Kaffeetrinkern Kaffee mehr als nur ein Getränk, sie beschäftigen sich auch thematisch mit der aromatischen Bohne. 40 Prozent interessieren sich für Herstellung, Geschichte, Sorten und Herkunftsländer. Rund 169 Liter Kaffee trinken die Bundesbürger durchschnittlich pro Jahr (Angabe für das Jahr 2021). Damit ist er das Lieblingsgetränk der Deutschen, noch vor Wasser oder Bier.