Auf dem Weg ins Weinparadies

Winzer Frederik Janus wird neuer Herr im Bremer Ratskeller
1. September 2022

Ein Beitrag von Imke Zimmermann

Seine Eltern waren verwundert, als ihr Sohn begann, sich für Wein zu interessieren. Schließlich war Frederik Janus da erst 13 Jahre alt. Der Teenager-Spleen wuchs sich zum Beruf aus: Ab Herbst 2022 ist er Ratskellermeister von Bremen. Der Ratskeller zählt zu den ältesten Weinkellern Deutschlands.


Herr über 1200 ausschließlich deutsche Sorten

Der Ratskeller ist eine Institution in der Freien Hansestadt Bremen. Erbaut wurde er 1405 zusammen mit dem Rathaus, das mit seiner Fassade aus der Zeit der Weserrenaissance zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. In dessen „köstlichem Fundament“, wie der Ratskeller gern tituliert wird, werden traditionell ausschließlich deutsche Weine ausgeschenkt und gelagert. 1200 Sorten umfasst das Sortiment, das nach Angaben des Ratskellers das größte weltweit ist. Ein einziger Mensch darf und muss diese Weine auszusuchen: der Ratskellermeister. Ab Oktober 2022 wird dieser Frederik Janus heißen. 

Neuer Ratskellermeister Frederik Janus © Joerg Sarbach

Zu seinen künftigen Aufgaben gehört noch viel mehr als Weine auszusuchen: Weinproben für Kunden zu veranstalten zum Beispiel oder durch den unterirdischen, weitläufigen Ratskeller mit seinen Schätzen zu führen. In den vergangenen 33 Jahren füllte Karl-Josef Krötz das Amt aus. Zum Jahresende geht der gelernte Winzer in Rente, der in Bremen fast genauso bekannt ist wie seine Wirkungsstätte. Es wurde ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gesucht – seit dem 17. Jahrhundert folgt laut Ratskeller-Historie „ein salarirter Rathskellermeister dem anderen“. Janus, der in Bremen geboren und wie sein Vorgänger Winzer von Beruf ist, wird der 20. in diesem Amt sein.

„Ich habe noch keine ganz konkreten Vorstellungen von meinem künftigen Alltag“, sagt dieser, wenn er an die Zukunft denkt. „Natürlich möchte ich im Sortiment Akzente setzen und werde mich sehr viel mit der Frage beschäftigen, welche Weine den Ansprüchen des Ratskellers entsprechen und es dann ins Sortiment schaffen.“ Zunächst werde er aber sicher sehr viele Menschen kennenlernen und sich dann sukzessive den Weinkeller erobern. 


Die Eltern sprachen in Rätseln

Janus‘ Berufsweg war nicht annähernd abzusehen, denn er wurde nicht in eine Winzerfamilie hineingeboren. „Bei uns wurde gern mal Wein getrunken wie ja Bremen überhaupt eine Weinstadt ist“, erzählt Frederik Janus. Das mag überraschen, denken doch die meisten bei Bremen an Bier oder Kaffee. Aber in die Handels- und Seefahrerstadt wird seit Jahrhunderten in großem Stil auch Wein importiert.

Die Eltern hätten sich mit viel Ernsthaftigkeit darüber ausgetauscht, welcher Wein eingekauft und gelagert wurde. „Wenn dann ein Wein geöffnet werden sollte, stiegen sie in den Keller hinab und überlegten zum Beispiel, welcher Wein denn jetzt zu schöner Qualität herangereift sei. Das klang für mich interessant, weil ich es nicht verstand“, erinnert sich der heute 34-Jährige.

Dann rückte sein 13. Geburtstag heran. Und als er gefragt wurde, was er sich wünsche, antwortete er: „Zwei Reben und eine Flasche Wein“. Die wollte er nicht trinken, sondern lagern und so ihre Qualität und zudem ihren Wert steigern – darum ließen sich die Eltern darauf ein. Nach der ersten Flasche füllte sich das Weinregal mit weiteren, aus dem Hobby wurde Berufung.

© Joerg Sarbach

Nach Lehre und Studium auf wechselnden Weingütern tätig

Noch zu Schulzeiten habe ihm ein Weinhändler ein Praktikum bei einem Winzer verschafft, berichtet Janus. Nach der Schule absolvierte er eine Winzerlehre und studierte anschließend Önologie, also Weinwirtschaft und -herstellung. Viele Kommilitonen seien nach dem Abschluss auf die elterlichen Weingüter zurückgekehrt – er hingegen habe sich Stellen in wechselnden Betrieben suchen müssen.

„Ich hatte das große Glück, dass Katharina sich von meiner Begeisterung für Wein anstecken ließ“, sagt Janus mit einem Lächeln. Seine heutige Ehefrau ist seine Partnerin seit Schülertagen. Sie studierte Ernährungswissenschaften und arbeitete nebenbei in einem Weinhandel. „Irgendwann kamen wir dann auf die Idee, selbst Wein anzubauen.“ 


Knapp zehn Jahre Herren im Hause in der Pfalz

Also pachteten sie ein Weingut in Herxheim in der Pfalz und legten los. Vor neun Jahren war das und das Paar genoss es, nach und nach 6,5 Hektar Weinberge in die eigene Regie zu übernehmen. „Wir haben immer gescherzt: Um wieder nach Bremen zu gehen, wäre der einzige Grund, dass die Ratskellermeisterstelle frei würde“, sagt Janus, aber auch, dass es tatsächlich den einen entscheidenden Grund für den Berufswechsel nicht gegeben habe. 

„Wir haben mit 26 Jahren angefangen mit einer kleinen Landwirtschaft, die uns bis heute nicht gehört. Inzwischen haben wir aber zwei kleine Kinder.“ Die berufliche Unsicherheit sei ein Risikofaktor gewesen, sagt er. Ein weiterer seien die Wetterunsicherheiten in den vergangenen Jahren gewesen. Zudem hätten er und seine Frau sich in Bremen stets wohlgefühlt, zumal dort Eltern und Schwiegereltern leben. „Wir finden, dass Bremen eine sehr offene, lebenswerte Stadt ist“, sagt Janus. Seine Frau Katharina und er schätzten das viele Grün, die Lage am Fluss. „Uns gefällt auch, dass hier so viel Rad gefahren wird – in Bremen ist das Thema Nachhaltigkeit zu Hause.“ 


In Zukunft wieder in der alten Heimat

Anfang 2022 wurde die Stelle im Bremer Ratskeller tatsächlich ausgeschrieben, Janus warf seinen Hut in den Ring – und überzeugte. „Mit Herrn Janus haben wir unseren Wunschkandidaten gefunden“, sagt Hans Peter Schneider, Geschäftsführer der M3B GmbH, zu der auch der Ratskeller gehört. Janus verfüge über eine ausgezeichnete Expertise, sei ein hervorragender Präsentator und habe trotz seiner jungen Jahre schon viel Erfahrung im Weinbau. „Und das als Bremer, der er ursprünglich ist – denn es schadet ja nicht, auch die Stadt und seine Gepflogenheiten zu kennen, aus der sein Wirken strahlen wird.“

Ab September lebt sich die Familie Janus in Bremen ein, die Wohnung ist schon gefunden. Im Oktober 2022 startet Frederik Janus seinen neuen Job. Zu diesem wird auch gehören, Kundinnen und Kunden beim Kauf zu beraten. Wie können die völlig ahnungslosen unter ihnen es anstellen, einen guten Wein zu finden? „Der Preis ist nicht das erste Kriterium“, betont Janus. Ganz wichtig sei eine gewisse Neugierde. Hilfreich sei zudem Zutrauen zu einem Handelshaus, selbstverständlich besonders gern zum Ratskeller. „Wenn dann jemand das Vertrauen in meine Auswahl aufbringt, ist das natürlich eine tolle Sache.“ Seine eigenen Weine werden im Sortiment des Ratskellers im Übrigen nie zu finden sein – „so eine Vermischung der Interessen wäre nicht gut“. 


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