Kaffeehauptstadt Bremen

14 Kaffeeröstereien der Hansestadt
29. September 2022

Ein Beitrag von Janet Binder/Jann Raveling

Kaffee in Bremen – wir zeigen Bremens Kaffeeröstereien! Bei Bremer Kaffee klingeln bei den meisten Namen bekannter Marken und Kaffeeröstereien wie Jacobs, Azul oder HAG in den Ohren. Die bremischen Häfen sind die wichtigsten Importstationen für Kaffee in Deutschland, und das schon seit Jahrzehnten. Fast jede zweite Bohne wird über Bremen oder Bremerhaven importiert. Seit einigen Jahren kommen viele Kleinröstereien wie Lloyd Caffee oder Cross Coffee hinzu: Bremen ist die Kaffeehauptstadt Deutschlands.

Oliver Kriegsch (links) und Kevin Windhorst (rechts) knüpfen an eine lange Tradition Bremens als Kaffeestadt an: Sie gründeten mit „Cross Coffee“ eine Kaffeerösterei © Pressedienst Bremen

Wenn Oliver Kriegsch Kaffee zubereitet, ist das eine kleine Zeremonie. Er legt den Papierfilter in den Porzellan-Halter und gießt kurz heißes Wasser darauf. „Das öffnet die Poren, spült den Papiergeschmack weg und wärmt die Keramik vor“, erklärt er. Das durch den Filter gelaufene Wasser schüttet er anschließend weg. Auf den nassen Filter gibt er 12 Gramm frisch gemahlenes Kaffeepulver pro Tasse. „Das Verhältnis von Kaffee und Wasser ist wichtig“, sagt Kriegsch. Schließlich kommt schwallartig das 92 Grad heiße Wasser über das Pulver. Es duftet. Der Kaffee ist fertig.

Oliver Kriegsch hat 2013 seine Kaffeerösterei in Bremen gegründet: Cross Coffee. Geröstet wird im Hafengebiet, verkauft wird vor allem über das Internet. Kriegsch knüpft mit seiner Unternehmensgründung an eine lange Tradition Bremens als Kaffeestadt an. Diese verdankt die Hansestadt dem Niederländer Jan Jahns von Huisten, der das Kolonialgetränk nach Bremen brachte. Auf sein Betreiben genehmigte der Rat der Stadt Bremen im Jahr 1673 das erste öffentliche Kaffeehaus Deutschlands.


Erste Kaffeefabrik Europas stand in Bremen

Vor über 100 Jahren gründete dann Ludwig Roselius in Bremen Kaffee Hag. Es war nicht nur die erste Kaffeefabrik Europas, sondern auch weltweit das erste Unternehmen, das koffeinfreien Kaffee verkaufte. Die Bohnen aus Übersee wurden im Bremer Hafen umgeschlagen. Da lag es nahe, dass sich auch weitere Kaffee-Unternehmen in der Hansestadt ansiedelten. „In der Hoch-Zeit des Kaffees ab Anfang der 1920er Jahre gab es um die 250 Kaffeeröstereien in Bremen“, erzählt Christian Ritschel, Geschäftsführer und Röstmeister von Lloyd Caffee, einer der ältesten Privatröstereien in Bremen. Der Erfolg hielt nicht ewig. „Problematisch wurde es, als die Supermärkte aufkamen und der Kaffeepreis sank“, erklärt Ritschel. Röstereien fusionierten oder gaben ganz auf.

Noch heute haben einige Branchengrößen ihren Sitz in der Hansestadt: Melitta, Mondelez mit den Marken Jacobs, Kaffee Hag, Tassimo und Onko sowie Azul und Westhoff. Bremen ist die größte Rösterei im Melitta-Konzern, produziert hier rund 500.000 Packungen täglich. In Weyhe, direkt vor den Toren Bremens, röstet Aldi Nord seinen Kaffee. Andere große Marken können ihre Herkunft auf Bremen zurückführen, etwa Eduscho, 1924 von Eduard Schopf in Bremen gegründet, heute eine Marke von Tchibo. Das ehemalige Eduschogebäude trägt heute als Kaffeequartier in der Bremer Überseestadt noch Reminiszenzen an die alte Zeit.


Kaffeeröstereien in Bremen

Außer diesen industriellen Röstereien haben sich neben Cross Coffee weitere kleine, aber feine Kaffee-Hersteller etabliert:

Rösterei Hemken im Bremer Viertel in einem urigen Laden. Neben Kaffee gibt es hier auch Tee. Besonderer Kundentipp: Die Espresso-Röstung!

Münchhausen kann auf eine lange Tradition zurückblicken – 1935 wurde die Kaffeerösterei gegründet und ist noch heute ein absoluter Tipp für Kaffee-Fans. Das Unternehmen produziert schonend geröstete Bohnen aus sortenreinen und gemischten Kaffeesorten, die es an zahlreichen Orten in Bremen zu kaufen gibt.

Lloyd Caffee ist sogar noch ein wenig älter: 1930 gegründet, hat das Unternehmen eine bewegte Vergangenheit mit einem kurzen Ausflug nach Hamburg hinter sich. Inzwischen lenkt Röstmeister Christian Ritschel die Geschicke. Ihm ist es zu verdanken, dass Lloyd Caffee seit 2009 im Holz- und Getreidehafen der Bremer Überseestadt in einem Gebäudekomplex sitzt, der einst Kaffee Hag gehörte. „Dort, wo heute unser Café ist, wurde früher der Rohkaffee angenommen“, sagt Ritschel. Entsprechend versteckt liegt das Café mit Shop und gläserner Rösterei. Kaffeeliebhaber finden trotzdem den Weg. Sie kommen sogar in Gruppen mit Reisebussen, um Ritschel beim Rösten über die Schulter zu schauen und Interessantes in seinen Kaffeeseminaren zu erfahren. Ritschel erzählt dann nicht nur etwas über den Weg der Bohne vom Anbaugebiet bis in die Tasse, sondern auch etwas über die unterschiedlichen Röstverfahren und die Zubereitung.

Die Bremer Kaffeegesellschaft hat ihr Geschäft im Kulturdenkmal Böttcherstraße. Selbstgeröstete Bohnen, vertrieben unter dem Namen Büchlers Beste Bohne. Für Feinschmecker gibt es Kaffee-Raritäten, etwa die alte Sorte Brasil Yellow Bourbon oder den berühmten Katzenkaffee Kopi Luwak aus Indonesien.

Union Rösterei. Im Gebäude der Union Brauerei Bremen, direkt unter dem Dachboden, haben sich vier Männer die Mission gesetzt, Kaffee zu kochen, passend zum Craftbier der Union Brauerei. Und das machen sie auch – sie rösten von Hand und vertreiben bisher vier verschiedene Sorten.

Komodo Coffee. Aus Indonesien kommt der Kaffee, den Andreas Elfert in Bremen röstet und vertreibt. Besonderen Wert legt er auf nachhaltige, faire Produktionsbedingungen – und fährt dazu auch mal selbst nach Indonesien. Mehr dazu beim Bremer Blog Charakterstück. 

Slokoffie. Noch konsequenter auf die Umwelt achten die Jungs von Slokoffie. Die Kaffeebohnen stammen aus Honduras und haben ihren langen Weg von Lateinamerika nach Bremen per Segelschiff zurückgelegt – nahezu CO2-neutral. Daneben ist der Kaffee natürlich auch fair und bio. Und weil die Fahrt so lange braucht – zwei Monate – ist er eben Slow, der Slokoffie.

Dieckmann röstet nicht nur eigenen Kaffee, sondern bietet auch Rohkaffee, also noch ungeröstete Bohnen. Zusammen mit dem ebenfalls erhältlichen Mini-Röstautomaten kann jeder seinen eigenen Kaffee produzieren, frischer geht es wohl nicht.

Utamtsi Die Arabica-Bohnen von Utamtsi stammen aus dem Hochland Kameruns und werden dort von Kleinbauern geerntet. Utamtsi legt großen Wert auf fairen Handel und ist ein Gemeinschaftsprojekt eines Kenianers und eines Deutschen. Geröstet wird in der Nähe von Bremen.

Seit 20 Jahren röstet auch Contigo in Bremen, ebenfalls bio und fairtrade. Die Kaffees, schwerpunktmäßig aus Äthiopien, werden täglich in kleinen Mengen frisch geröstet und im hauseigenen Ladengeschäft in der Bremer Katharinenstraße verkauft. Bestseller ist die „Bremer Mischung“, eine besonders würzige Mischung, die, nach Angaben des Firmengründers Ingo Herbst, sogar im Hause der Kaffee-Familie Schopf auf Begeisterung stößt.

Ganz frisch ist die „Rösterei am Deich“ von AZUL. Die Marke feiert 2019 ihr 70-jähriges Bestehen und ist vor allem als Lieferant für die Gastronomie bekannt. In der neuen, gläsernen Rösterei können Interessierte Röstmeisterinnen und Röstmeistern bei der Kaffeeverarbeitung über die Schulter schauen, Führungen buchen und im Werksverkauf den frischen Kaffee mit nach Hause nehmen.

Im 2020 neu eröffneten Johann Jacobs Haus betreibt der Kaffeekonzern eine kleine Spezialitätenrösterei mit wechselnden Kaffeesorten und einem Shop für Kaffeezubehör. Die Röstungen lassen sich auch im Onlineshop des Unternehmens kaufen.

Klein aber fein – Kalles feinster Röstkaffee bietet sechs verschiedene Kaffeesorten. Mit der Rösterei erfüllte sich Gründer Marc Dziondziak einen Traum. Produkte lassen sich in seinem eigenen Ladengeschäft im Bremer Viertel oder an verschiedenen Verkaufsstellen in der Hansestadt erstehen, sowie natürlich im Onlineshop.

Geschäftsführer und Röstmeister Christian Ritschel leitet die Geschicke von Lloyd Caffee. © Pressedienst Bremen

Beliebtestes Getränk in der Bundesrepublik

Auch heute noch ist Kaffee ein großes Geschäft. Es ist das beliebteste Getränk in Deutschland: 2019 lag der Pro-Kopf-Konsum nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes bei durchschnittlich 166 Litern Kaffee – und damit deutlich höher als der von Mineralwasser (141 Liter) oder Bier (99 Liter). Im selben Jahr wurden 1,2 Millionen Tonnen Rohkaffee nach Deutschland geliefert. Diese wurden allerdings nicht vollständig hier konsumiert, die deutschen Häfen dienen für Teile des Rohkaffeeimports als Umschlagplatz. Mehr als Fünftel des Imports (226.000 Tonnen) werden in Deutschland geröstet, bevor sie wieder exportiert werden.

Fast jede zweite Kaffeebohne gelangt dabei über Bremen in die Bundesrepublik, insgesamt 590.000 Tonnen (Statistisches Landesamt Bremen, 2018). Damit sind die bremischen Häfen, neben Hamburg, die wichtigsten Importplätze in Deutschland. Kaffee ist im Bundesland mit rund 1,1 Miliarden Euro das fünftwichtigste Importgut, weitere 773 Millionen Euro an Kaffee-Warenwerten werden jährlich über Bremen exportiert. In der Branche „Verarbeitung und Handel von Kaffee, Tee, Kakao und Gewürze“ arbeiten im Bundesland rund 2.100 Menschen (Statistisches Landesamt, 2017).

Der Bedarf an Kaffee ist also groß, und Industrieware bestimmt den Markt. Doch der handwerklich geröstete Kaffee aus bester Rohware, sagt Röstmeister Ritschel von Lloyd, habe in Zeiten, in denen sich Menschen Kaffeemaschinen für mehrere Hundert Euro in die Küche stellen, stark gewonnen. „Für uns als kleine Röstereien ist das eine Nische“, so Ritschel. „Aber eine, in der wir uns wohlfühlen.“


Kleine Röstereien bieten den besonderen Kaffee

In diese Nische will sich auch Oliver Kriegsch von Cross Coffee etablieren. Der 48-Jährige ist eigentlich Unternehmensberater, aber Kaffee ist seine große Leidenschaft. Angefangen hat die, als er bei Jacobs Maschinenschlosser lernte. Nach seinem anschließenden Maschinenbaustudium war er für die Betriebstechnik von Großröstereien zuständig. Auch privat interessierte er sich fürs Rösten, experimentierte mit einem Haushaltsröster zu Hause. „Das hat zunehmend Zuspruch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis gefunden“, sagt Oliver Kriegsch. Deshalb entschloss er sich schließlich, das Ganze größer und gewerblich aufzuziehen.

Acht direkt gehandelte Rohkaffees bietet er inzwischen an. „Wir können ihn bis zum einzelnen Kaffeebauern zurückverfolgen“, sagt Kriegsch. Zu jedem Kaffee könne er eine eigene Geschichte erzählt. Die Bohnen werden bei Cross Coffee eher hell geröstet, selbst der Espresso. „Dadurch kommen alle Aromen durch“, erklärt Kriegsch. „Kaffee hat um die tausend Aromen, weitaus mehr als Wein.“ Ebenso wie beim Wein seien die Lage und die Bodenverhältnisse entscheidend für den Geschmack. Den Lampocoy-Kaffee aus Guatemala beschreibt Oliver Kriegsch so: „Leicht nussig, leichte Zitronenaromen, leichte Gewürznote, hat einen schönen Körper, das gibt ein volles Gefühl im Mund, und er ist er noch relativ süß.“


Kaffee-Schulungen in Bremen

Und wer jetzt selbst Lust hat, sich näher mit Kaffee auseinanderzusetzen, ob mit verschiedenen Sorten, der Kunst des Kaffeekochens oder des Röstens, der kann sich in der Kaffeeschule Bremen weiterbilden. Betrieben wird die Schule unter anderem von Oliver Kriegsch – eine gute Ausgangslage für ein perfektes Kaffeeerlebnis. Vielleicht werden es dann auch bald noch ein paar mehr Kaffeeröstereien sein, die in Bremen die wertvollen Bohnen veredeln.

Auch das 2020 neu eröffnete Johan Jacobs Haus mitten in der Innenstadt bietet mit Kaffee-, und Barista-Seminaren und Tastings einen Start in die vielfältige Kaffeewelt. Das Gebäude mit Café und Shop steht am Ort, wo 1915 der Urahn der Jacobs Kaffee-Dynastie, Johann Jacobs, sein Kaffeegeschäft zu ersten Erfolgen führte.