Johanna Rädecke

Redakteurin

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Gesunde Lebensmittel aus gesunden Strukturen

Voelkel Naturkostsafterei
25. August 2020

Erstveröffentlicht am 28. September 2019

Das Voelkel-Sortiment. © Joachim von Ramin

„Langfristige Beziehungen, moderate Preisgestaltung und emphatisches Einkaufen – das sind die drei Grundsäulen unseres Unternehmen“, sagt Boris Voelkel gut gelaunt. Die Sonne scheint auf die Wiese hinter dem Büro des Unternehmens. Trotz der imposanten Mosterei und dem laufenden Betrieb herrscht hier, zwischen Holzbänken, Hofkatzen und Rosenbüschen, eine Atmosphäre wie in Bullerbü. Bei einem Stück Apfelkuchen, Kaffee und natürlich ganz viel Saft stellt sich die Familie Voelkel vor. Stefan Voelkel, Stiftungsvorsitzender und Vater von vier Söhnen, legt die meisten seiner Wege in Höhbek mit dem E-Bike zurück. Dies lehnt an der Mauer, während er von der Verantwortung für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und seinem Herzensprojekt „Ackergifte? Nein Danke“ erzählt. Voelkel setze sich für das Allgemeinwohl, nachhaltige und biologische Landwirtschaft und eine hohe Qualität ein, Verantwortung für Mensch und Natur ist der Leitgedanke. 

Sein Sohn Boris ist für den Einkauf zuständig und befasst sich leidenschaftlich mit samenfestem Saatgut und der guten Zusammenarbeit mit den Landwirten aus der Umgebung. Die Bio- und Demeter-Qualität der Rohwaren und die werterhaltende Herstellung der Naturkostsäfte sind ihm und dem Unternehmen eine Herzensangelegenheit. Hierzu gehört auch die vollständige Transparenz der Lieferkette, vom Anbau bis zum fertigen Produkt. Mit rund 40 Prozent hat Voelkel von allen Saftherstellern den höchsten Demeteranteil im Sortiment.

Boris Voelkel (rechts) setzt sich für eine nachhaltige Zusammenarbeit in der Landwirtschaft sowie Kultursaat ein. @ Joachim von Ramin


Von der mobilen Saftpresse zu 200 Mitarbeitern 

Der Biomarkt boomt in den letzten Jahren, die Nachfrage nach Bioprodukten steigt. Doch die Konventionalisierung des Biomarktes, lasche Kontrollen und eine schiere Flut verschiedenster Biosiegel machen es nicht leicht, einen Überblick über „gute“ und „schlechte“ Produkte zu behalten. „Außerdem bedeutet Bio nicht, dass man damit zwangsläufig ein gutes Produkt hat“, erklärt Boris Voelkel. „Ich weiß damit nur, dass zum Beispiel dieser Apfel keine Pestizide enthält, er kann aber trotzdem aus Südafrika kommen oder eine genmanipulierte Hybridsorte sein.“

Der Bio- und Demetergedanke prägt Voelkel schon seit knapp 90 Jahren. In den 20er Jahren siedelten Karl und Margret Voelkel auf den Höhbeck, einen dünn bewohnten Landstrich an der Elbe in Niedersachsen. Sie pflanzten zunächst Apfel-, Birnen- und Kirschbäume sowie Erdbeeren, Johannisbeer- und Stachelbeersträucher in ihrem Obstgarten an und bewirtschafteten ihn nach anthroposophischen Gesichtspunkten. So wurde bereits vor über achtzig Jahren der Demeter-Gedanke als Grundstein für das Familienunternehmen gelegt. Die Überzeugung zu dieser ganzheitlichen Wirtschaftsweise zieht sich bis in die Gegenwart als roter Faden durch die gesamte Voelkel-Historie. Nachdem Karl und Margret Voelkel mehrere Jahre mit einer fahrbaren Saftpresse – dem „Mostmax“ – von Dorf zu Dorf zogen und die Früchte der Bürger vor Ort in köstliche Säfte verwandelten, entstand 1936 in der stillgelegten Meierei von Pevestorf am Fuß des Höhbeck eine feste Bio-Mosterei.

Den Durchbruch zu einer modernen Bio-Saftkelterei erlebte das Unternehmen in der dritten Generation, unter der Leitung von Stefan Voelkel. Seit Anfang der 80er Jahre steht er an der Spitze des Familienunternehmens und entwickelt mit Leidenschaft neue Säfte. Seit 2011 befindet sich Voelkel zu 90 Prozent in den Händen der Voelkel-Stiftung, 10 Prozent gehören der gemeinnützige Stiftung Verantwortung für Mensch und Natur, die ökologische und soziale Projekte fördert. Durch den Besitzübergang in eine Stiftung ist das Unternehmen unverkäuflich, der Standort bleibt in Höhbeck und Gewinne werden verstiftet. Die Säfte werden in rund dreißig Länder, darunter Frankreich, Dänemark und Italien, exportiert. 

Für die Nachhaltigkeit ist Stefan Voelkel auf das E-Bike umgestiegen. © Joachim von Ramin


Produkt des Jahres

Heute produziert das Familienunternehmen in seiner Mosterei über 200 verschiedene Getränke, darunter reine Gemüse- und Obstsäfte, Saftmischungen, Schorlen, Limonade, Cidre, Essig und Heißgetränke. Die Familie sprüht förmlich vor Inspirationen, bringt Ideen von Reisen mit und entwickelt bis zu zwanzig neue Produkte im Jahr. Bei diesen Produkten zeigt sich Nähe zur Regionalität: Mit dem Apfelsaft aus Streuobst beispielsweise unterstützt das Unternehmen den regionalen Streuobstanbau und sichert damit Kulturgut und den Lebensraum für eine vielfältige Artengemeinschaft von Tieren und Pflanzen.

Der „feldfrische Möhrensaft“ wurde von demeter zum „Produkt des Jahres 2019“ ausgezeichnet. Die Kombination aus den Sorten Solvita und Rodelika Möhren mache den Geschmack aus, schwärmt Boris. Erstaunlich ist die Süße des Safts, natürlich nur aus der Möhre. Zuckerzusätze kommen nämlich nicht in die Tüte, pardon, Glasflasche. Das meistverkaufte Produkt, so erzählt Boris bei der Mostereiführung, ist jedoch die „RhababerZisch“. 

Für die neue BioZisch baut Familie Wöllner Nutzhanf an. © Joachim von Ramin


Mit dem Trend

Dass Voelkel auch auf aktuelle Trends setzt, zeigt die Zusammenarbeit mit Familie Wöllner im Herzen der Altmark. Seit 1993 betreiben sie dort ökologische Landwirtschaft, seit vier Jahren baut Marius Wöllner nun auch Nutzhanf an. Dieser findet seinen Weg nicht nur in die Produkte von darumbio!sondern seit dieser Saison auch in die Mosterei in Höhbeck. Die BioZisch Hanf ist nämlich die erste Hanf-Limo aus Deutschland. Die älteste Nutzpflanze der Welt mit dem hohen Omega 3 Fettsäurengehalt schmeckt man deutlich heraus, berauscht wird man dadurch jedoch nicht.

In Nutzhanf ist im Gegensatz zum psychoaktiven Cannabissorten kein oder nur sehr gering THC enthalten. Hanftee oder CBD Tropfen wirken entspannend, mehr aber nicht. Kaum zu glauben, wenn man mit Marius in einem üppig-grünen Feld steht, den herben Geruch einatmet und Afroman im eigenen Kopf because I got high singt. 

„Hanf ist super für den ökologischen Landbau“, erklärt Marius, „weil er keine Herbizide benötigt und einfach wächst.“ Aber mit bereits der zweiten Dürre in Folge im Wendland kommt auch der Hanf nicht gut zurecht – wie sich in der Ernte bemerkbar macht.

Bis der Hanf seinen Weg in die Flasche fand, ging Zeit ins Wendlande: „Ich hab‘ nacheinander alle bequatscht, den Papa und die Brüder – jeder einzelne musste überzeugt werden“, lacht Marius. Nun bleibt abzuwarten, wie die Limonade bei dem Endverbraucher ankommen wird – die Autorin ist jedenfalls angetan.

Produzent Marius Wöllner erklärt die positiven Eigenschaften von Hanf. © Joachim von Ramin

 

 

Für den Neuzugang im Voelkel-Sortiment wird Limonade mit Hanf hergestellt. © Johanna Rädecke

Voelkel Naturkostsafterei

 

Über das Wendland

Das Wendland befindet sich im östlichen Niedersachsen, eingerahmt von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Die Region ist durch Auen, Wiesen, Wälder, Biosphärenreservate und ökologische Landwirtschaft geprägt. Naturschutz wird großgeschrieben, ob im UNESCO Biosphärenreservat, im Naturpark Elbhöhen-Wendland oder in der Nemitzer Heide. Beliebt ist die Region vor allem bei Radfahrer*innen und Wassersportler*innen.

Wendland-Links:

Route der alten Obstsorten im Wendland

Storchenbier

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