Jens Mecklenburg

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„Geschundene Ostsee“ soll besser geschützt werden

Auswirkungen für Fischerei und Tourismus
21. März 2024

Die schwarz-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein stellt 12,5 Prozent ihrer Ostsee unter Naturschutz. Dazu erlässt sie strenge Regeln und Verbote. Darauf hat sich das Kabinett am Dienstag geeinigt. Gleichzeitig hat sich die Landesregierung damit von der von den Grünen vorangetriebenen Idee eines Nationalparks Ostsee verabschiedet. Der Widerstand an der Küste war zu groß.

Fischer, Landwirte, Wassersportler, Kommunen und Unternehmen, die vom Tourismus leben, hatten gegen die Pläne, große Teile der Ostsee als Nationalpark unter Schutz zu stellen, mobil gemacht.

Drei neue Schutzgebiete

„Um den Zustand der Ostsee signifikant zu verbessern“, wie Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagt, weist Schleswig-Holstein drei neue marine Naturschutzgebiete aus. Das eine erstreckt sich von Gelting bis zur Schlei. Das zweite liegt in der südlichen Hohwachter Bucht, das dritte westlich von Fehmarn. Diese Fläche von knapp acht Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee ist deutlich kleiner als die, die der grüne Umweltschutzminister Goldschmidt bei der Nationalparkplanung als potenziell schützenswert ausgemacht hatte.

Zusätzlich zu den drei neuen Naturschutzgebieten werden in drei bestehenden Natura-2000-Gebieten die Regeln und Verbote deutlich verschärft. Diese drei Gebiete liegen in der Geltinger Bucht, vor Dänisch-Nienhof („Stoller Grund) und vor Dahme („Sagasbank“). Insgesamt stellt das Land damit 39.000 Hektar oder 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee unter strengen Schutz.

Am härtesten sind die Ostseefischer von den Schutzregeln betroffen. Fischerei wird in den Gebieten ganzjährig verboten. Lediglich Strandangeln bleibt erlaubt. Man habe versucht, die Nutzungsinteressen mit den Interessen der Natur in Einklang zu bringen, sagte Günther. Aber das sei beim Thema Fischen nicht möglich. „Den Fischern gehen jetzt wichtige Fanggründe verloren“, sagte der Regierungschef und kündigte Verhandlungen über Entschädigungszahlen an.

Die Landesregierung erwartet denn auch breiten Protest der Fischer gegen ihre Pläne. „Meeresschutz ohne Einschränkungen gibt es nicht“, sagte der CDU-Politiker.

Für Campingplätze oder Ferienanlagen ändert sich nichts. Auch bleibt Schwimmen erlaubt. Aber die Zonen innerhalb der neuen Naturschutzgebiete, in denen Zugvögel rasten, werden monatelang für Motor- und auch Segelboote tabu sein – und zwar von November bis Ende März. Der bessere Schutz der Rastvögel wirkt sich auch auf Ruderer, Kanu- und SUP-Fahrer sowie Surfer aus. Auch sie dürfen im Herbst und Winter die Rastzonen nicht mehr befahren. Dort, wo in den neuen Schutzgebieten überhaupt noch Boot gefahren werden darf, gilt ein Tempolimit.

Ziel der Maßnahmen ist, „erstmals echte Ruhezonen für eine europaweit einzigartige Tier- und Pflanzenwelt zu schaffen“, sagt Umweltminister Tobias Goldschmidt. Deshalb wird in den Schutzgebieten die Fischerei strikt verboten. Auch dürfen hier kein Sand und kein Kies mehr gebaggert werden, Bohrungen nach Öl und Gas sind genauso verboten wie die Einkofferung von Kohlendioxid im Meeresboden („CCS“).

Zudem will das Land in der Ostsee neue Riffe, Seegraswiesen und Muschelbänke anlegen. Angestrebt sind Zielvereinbarungen mit den Bauern, um den Phosphor- und Stickstoffeintrag ins Meer nachweislich zu reduzieren.

©Ingo Wandmacher

Geschundenes Meer

Die Ostsee ist für Goldschmidt ein „geschundenes Meer“. Einen Grund hat er in den hohen Phosphor- und Stickstoffeintragungen ausgemacht. Die Folge: Der Sauerstoffgehalt sinkt, es kommt zu Algenblüten, Korallen sterben ab, Lebensgrundlage geht verloren. Eine Mitschuld sieht Goldschmidt bei den Landwirten und ihren Düngern. Zur Verringerung der Nährstoffeinträge in die Ostsee will das Land bis Ende des Jahres Zielvereinbarungen mit den Bauern schließen. „Wir wollen die Einleitungen über die Düngeverordnung hinaus signifikant reduzieren“, sagte Günther. „Freiwilligkeit allein reicht dabei nicht aus“, kündigte er belastbare Vereinbarungen an.

Darüber hinaus will das Land gemeinsam mit dem Bund die Munitionsbergung vorantreiben. Auf dem Meeresboden verrotten in der Ostsee geschätzt 300.000 Tonnen konventionelle und 5000 Tonnen chemische Munition. Geplant ist zudem, neue Riffe zu schaffen, Seegraswiesen anzulegen und Lagunen wiederherzustellen. Und zwar ab sofort: „Ab heute wird nicht mehr verhandelt, sondern getan“, kündigte Goldschmidt an.

© www.ostsee-schleswig-holstein.de

Verpasste Chancen

Während der Bundeswirtschafts- und ehemalige schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von einem „starken Zeichen der Landesregierung für mehr Ostseeschutz“ sprach, geht der schwarz-grüne Aktionsplan den Naturschutzverbänden nicht weit genug. Sie sprechen enttäuscht von einer verpassten Chance, das Meer wirksam zu schützen.

„Die Ostsee ist massiv überfischt und überdüngt, die vom Aussterben bedrohten Schweinswale und zahllose Meeresvögel ertrinken Jahr für Jahr in Stellnetzen. Und Zwergseeschwalben finden keinen Platz mehr zum Brüten. Für die Belange des Naturschutzes in und an der stark gebeutelten Ostsee ist das vorgestellte Konzept aus Sicht der Verbände unzulänglich“, erklären BUND und Nabu gemeinsam.

©Ingo Wandmacher

© www.ostsee-schleswig-holstein.de