Jens Mecklenburg

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Droht der Ostsee eine Umweltkatastrophe?

Fischsterben an der Oder
14. August 2022

Das massenhafte Fischsterben in der Oder beunruhigt seit Tagen die Menschen, die in Polen und Deutschland an dem Fluss leben. Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern rechnet inzwischen mit Auswirkungen auf die Ostsee und das Stettiner Haff. Es sei damit zu rechnen, dass die Belastungen, je nach Wind- und Strömungsverhältnissen, die Odermündung nahe der polnischen Stadt Stettin bereits am Abend erreichen, schrieb das Ministerium in einer Mitteilung. Im Verlauf des Wochenendes könnte dann auch der vorpommersche Teil des Stettiner Haffs betroffen sein.

© Ingo Wandmacher

Auf Fisch und Wasserentnahme verzichten

Das Ministerium von Till Backhaus rief die Anlieger vorsorglich dazu auf, auf das Fischen und jegliche Wasserentnahme zu verzichten. Die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern bereiten demnach aktuell Gewässer- und Fischproben vor.

Die Ursache für das massenhafte Fischsterben entlang der Oder ist noch nicht klar. Bisherige Laboranalysen brachten noch keinen genauen Aufschluss über die Belastung des Wassers und die Ursachen.

Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe, hat das Fischsterben in der Oder als „Umweltkatastrophe von noch nie dagewesenem Ausmaß“ bezeichnet. Der Nationalpark Unteres Odertal habe große Befürchtungen, dass die Auswirkungen so riesig seien, dass sie sich noch über Jahre hinziehen, sagte Hoppe im rbb-Inforadio. Auch der Tourismus sowie die Weide- und Fischwirtschaft seien stark beeinträchtigt.

Am Samstag begann in Schwedt an der Oder eine Aktion zum Einsammeln der Kadaver. Die Einsatzkräfte seien mit Schutzanzügen ausgerüstet, sagte Hoppe. Es sei davon auszugehen, dass für den Menschen gesundheitsgefährdende Stoffe im Spiel seien.

Der Nationalpark Unteres Odertal bei Schwedt in der Uckermark wurde vor mehr als 25 Jahre gegründet und gilt als Deutschlands einziger Flussauen-Nationalpark. Das Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze hat eine Länge von 50 Kilometern und erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 10.000 Hektar.

Er zieht sich am westlichen Uferrand der Oder von Hohensaaten im Süden bis Staffelde im Norden. Wasservögel und andere Zugvögel nutzen das Areal als Rastgebiet.

Suche nach den Ursachen geht weiter

Die Suche nach der Ursache für das massenhafte Fischsterben in der Oder geht weiter: Quecksilber und Schwermetalle sind laut polnischen Analysen nicht verantwortlich.

Dies hätten weitere Analysen toter Fische durch das staatliche Veterinärinstitut ergeben, schrieb Umweltministerin Anna Moskwa am Samstagabend auf Twitter. Zuvor hatte die Regierung in Warschau bereits erhöhte Quecksilberwerte als Ursache ausgeschlossen.

© Hendrik Neubauer

Die Analysen wiesen aber auf erhöhte Salzwerte im Wasser hin und stimmten somit mit den Erkenntnissen der deutschen Behörden überein, sagte Moskwa der Nachrichtenagentur PAP. „Der hohe Salzgehalt der Oder hat möglicherweise andere giftige Stoffe im Wasser oder im Bodensediment aktiviert. Die toxikologische Untersuchung der Fische wird dazu beitragen, eventuelle Schadstoffe festzustellen, die zum Tod der Tiere beigetragen haben.“

Nach Angaben von Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel weist die Oder „sehr stark erhöhte Salzfrachten“ auf. Der Begriff Salzfrachten bezeichnet im Wasser gelöste Salze. Polens Regierung vermutet, dass der Fluss mit Chemieabfällen vergiftet wurde. Die polnische Polizei hat eine Belohnung von umgerechnet etwa 210.000 Euro für die Aufklärung ausgesetzt.

Nach Angaben des Innenministeriums in Warschau sind derzeit 2000 Polizisten, mehr als 300 Feuerwehrleute sowie 200 Soldaten an den Ufern der Oder im Einsatz. Sie helfen bei der Bergung verendeter Fische und warnen Bürger, den Kontakt mit dem Wasser zu meiden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat bei der Aufklärung des Fischsterbens in der Oder derweil anfängliche Probleme bei der Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Polen eingeräumt. Sie habe nun eine bessere Koordinierung vereinbart, sagte die Grünenpolitikerin.

Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben bereits Ende Juli Hinweise, dass in dem Fluss massenweise verendete Fische treiben. Nun stehen Regierung und Behörden in der Kritik, gezögert zu haben. Am Freitagabend entließ Regierungschef Mateusz Morawiecki deshalb die Leiter der Wasserbehörde und der Umweltbehörde. Er selbst habe erst am Mittwoch von dem massiven Fischsterben erfahren. „Ich wurde auf jeden Fall zu spät informiert.“

Im Oder-Grenzgebiet begannen am Wochenende Hunderte Helfer damit, tote Tiere einzusammeln. In der Kleinstadt Lebus nahe Frankfurt breitete sich durch die Verwesung unangenehmer Geruch aus, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa feststellte. Zu sehen war auch, wie sich Vögel tote Fische schnappten. Einsatzkräfte trugen Gummistiefel und Handschuhe, um sich vor direktem Kontakt mit dem Wasser und den Fischen zu schützen.