Susanne Giral

Freie Journalistin

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Freigeist und Produktversteher Heiko Antonievicz überzeugt in der Bio-Gutsküche

Erstes Highlight auf dem Schleswig-Holstein Gourmet Festival
7. Oktober 2023

Seltener Besuch in der Gutsküche auf den Bio Gut Wulksfelde vor den Toren Hamburgs: Am 30. September und 1. Oktober hatten sich Rebecca und Matthias Gfrörer den außergewöhnlichen Produktversteher Heiko Antoniewicz als Gastkoch für das 37. Schleswig-Holstein Gourmet Festival eingeladen. Er ist nicht nur Koch aus Passion, sondern auch gefeierter Buchautor und Tüftler. „Für mich gab es keinen anderen Beruf als Koch“, sagt der gebürtige Dortmunder, der zweifelsfrei zur Spitzenklasse der weißen Zunft in Deutschland gehört. „Ich nehme nur wenige Termine wie diesen beim ältesten Gourmetfestival Deutschlands an, wo ich ganze Menüs für Gäste entwickle und koche.“  

v.l. Matthias Gfrörer, Heiko Antonievicz © S. Plaß

Sein Gastgeber Matthias Gfrörer bot ihm dazu die ganze Palette wertvoller Produkte vom Bio Gut Wulksfelde. Heiko Antonievicz schöpfte dankbar aus dem Vollen: ob Kartoffeln, Rote und Bunte Bete, Beeren, Kürbisse und Wildfleisch. „Daher wurde erst zwei Wochen vorher das Menü geschrieben, um die Region in ihrer ganzen Fülle auf die Teller zu bringen“, erzählt Heiko Antonievicz, der gern mit Gewürzen arbeitet und eine Schwäche für schwarzen Kardamom hat. „Über offenem Feuer bekommt er sein rauchiges Aroma und passte hervorragend zum 3. Gang: Hof-Angus Tea mit schwarzem Kardamom, Steinpilz, geröstete Gerste und 42 Monate in Salzlake gelegener Topinambur.“

Die Region auf dem Gourmet-Teller 

Der aromatischen Vorspeise: Petersilien Couscous, Bunte Bete, Haselnuss Gutskräutersalat und Heidelbeeren folgte ein butterzarter Seesaibling mit crunchiger Schweineschwarte, brauner Butter, Holunderkapern und fermentiertem Spargel. Der Ruhrpott Molekularkoch beschreibt: „Zu Wild passt Kaffee sehr gut. Daher habe ich zum Hirschkalbsrücken eine Kaffeejus und Kaffeesalz komponiert und ihn mit Hokkaido, kandierten Oliven, Quitten und Pfifferlinge flankiert.“ Eine ungewöhnliche Komposition begeisterte die Gutsküchen-Gäste auch zum Finale des anregenden Abends: Wulksfelder Gelbe Tomaten, weiße Schokolade, Sauerrahmeis und Sonnenblumenkerne. Dazu schenkte Gastgeberin Rebecca Gfrörer eine 2020 Riesling Auslese, Monzinger Frühlingsplätzchen vom Weingut Udo Weber (Nahe) ein. 

© S. Plaß

Der 57-Jährige hat eine Vision: Kulinarik ständig neu zu erfinden. Man könnte ihn auch als Erfinder beschreiben, denn in seiner Profiküche, die Antoniewicz liebevoll „Labor“ nennt, entstehen ständig neue, genussvolle Innovationen. Ob als Auftrag oder in eigenem Interesse, bei Heiko Antonievicz werden Nahrungsmittel neu definiert, so wurden Senfkörner nicht nur zu Senf verarbeitet, sondern karamellisiert und bekamen einen völlig anderen Geschmack, der hervorragend zu Erdbeeren oder Himbeeren passt. Sein Handwerk lernte Antoniewicz im Hotel Der Lennhof in Dortmund und sammelte dann Erfahrungen in der Gourmetküche von 2-Sterne-Koch Gerhard Gartner im Gala (Aachen). Der Visionär verfeinerte seine Künste anschließend bei Berthold Bühler und Henri Bach im Gourmetrestaurant Résidence in Essen-Kettwig, in dem er sechs Jahre verbrachte. „Beide Stationen haben mich geprägt und mir die Freude am kochenden Handwerk vermittelt“, sagt Heiko Antonievicz, der 1992 in die Selbstständigkeit startete. Er gründete den Catering-Service Art Manger, aus dem schon bald ein gleichnamiges Restaurant in der Dortmunder Gartenstadt hervorging. Bis zur Schließung 2004 war es mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.

Impulse durch Ferran Adria 

„1998 lernte ich Ferran Adriá im elBulli (Costa Brava) kennen und seine Molekularküche schätzen. Er gab mir Impulse, dass in der Küche viel mehr geht. So habe ich 2002 angefangen, mich mit Wissenschaftlern auseinanderzusetzen, um ein tieferes Verständnis für das Kochen und die Abläufe in den Produkten zu bekommen,“ erklärt Heiko Antonievicz, der in seinen zwei Jahren als Küchendirektor im Premium Catering Service Kofler & Kompanie auch Menüs für Queen Elizabeth und Angela Merkel kreierte. Seit 2006 ist der Unternehmer multidimensional aufgestellt: Er betreibt nicht nur seine eigene Consulting- und Catering-Agentur, sondern ist Autor, Produktentwickler, Workshopleiter und Ambassador für Lebensmittel zugleich. In seltenen Fällen, wie beim 37. SHGF, agiert er als Gastkoch und präsentiert in ganzen Menüs sein Wissen um Gewürze und Lebensmitteln. 

„Ich möchte mit meinen Erkenntnissen auch andere weiterbringen. Beispielsweise wird Raps verkannt und meist nur als Biodiesel oder Öl verarbeitet. Dabei ist Raps nachwachsend, hat sieben Erntezeiten und so viele Geschmäcker: Mit 20 cm ernten wir ihn als Spargel, bei 50 cm bilden sich Knospen, die wie Brokkoli schmecken“, erklärt der Tüftler. Mehr als 30 Kochbücher hat der Unternehmer inzwischen veröffentlicht, zwei davon vom ‚Gourmand World Cookbook Award‘ als innovativstes Kochbuch ausgezeichnet. Sein neuestes Werk „Gewürze“ widmet sich mit 75 gaumenkitzelnden Rezepten dem i-Tüpfelchen der Kochkunst.  

Auch Matthias Gfrörer ist mit Leidenschaft Koch und schreibt Rezeptbücher. Seine Heimat haben er und seine Frau Rebecca vor 13 Jahren mit der Gutsküche auf dem Bio Gut Wulksfelde nur einen Kilometer von Hamburgs Grenze entfernt gefunden. Gerade wurde der zur Gutsanlage gehörende Hofladen als bester Biohof Europas ausgezeichnet. Das Ehepaar hat mit der Gutsküche einen Ort für Genuss ganz im Zeichen und Einklang mit der Natur geschaffen. In der Gutsküche erlebt der Gast, was die Jahreszeiten gerade in Top-Qualität hergeben. Wertschätzung, Nachhaltigkeit und Kreativität stehen im Zentrum der Philosophie. In Kürze ist eine Episode mit Heiko Antonievicz im SHGF-Podcast auf allen üblichen Kanälen zu hören. Mehr über das SHGF unter www.gourmetfestival.de

Mehr über Heiko Antoniewicz & die Gutsküche 

© S. Plaß