Filmreife Musik

André Feldhaus komponiert für Fernsehen und Kino
11. Februar 2021

Ein Beitrag von Anne-Kathrin Wehrmann

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einem Steg am Starnberger See. Sanfte Klavierklänge sind zu hören, nach einigen Takten setzen Streicher ein. Noch bevor Hans Albers, gespielt von Ken Duken, sagen wird: „Ich brauche dich“, und seine große Liebe Hansi Burg ihm antwortet: „Ich weiß“, ist dem Fernsehzuschauer schon klar: Hier geht es um starke Gefühle. Gefühle, die die Figuren im Film in diesem Moment durchleben – und die im besten Fall auch beim Publikum etwas auslösen. Wie die Reaktionen vor den Bildschirmen letztlich ausfallen, bestimmt ein Mann aus Bremen nicht unwesentlich mit: Filmmusik-Komponist André Feldhaus.

Der 45-Jährige arbeitet mit Emotionen, wie er selbst sagt. „Im Idealfall kann ich mit meinen Kompositionen Menschen glücklich machen und sie berühren“, meint er. Welchen Anteil die Musik an der Gesamtwirkung eines Films habe, lasse sich zwar nicht bemessen: „Aber genau das ist der Zauber von Filmmusik – dass sie unsere Gefühle beeinflusst, auch wenn wir ihre Wirkung nicht bewusst wahrnehmen.“ Das Dokudrama „Die Liebe des Hans Albers“, das Anfang Januar 2021 in der ARD lief, gehört zu den jüngsten Werken des Bremers.

André Feldhaus hat sich als Filmkomponist mit eher leisen Tönen einen Namen gemacht. © WFB/Jörg Sarbach

Das Unbekannte als Inspirationsquelle

Insgesamt hat er inzwischen rund 120 Filmmusiken komponiert, darunter acht fürs Kino. „Ich versuche bei jedem Film, mich neu zu erfinden“, erzählt Feldhaus. „Ich tauche immer wieder in neue Themen ein, die ich vorher noch nicht kannte.“ So wie bei seinem aktuellen Projekt, einer deutsch-israelischen Produktion über die Grabeskirche in Jerusalem. Dass er dort selbst noch nie gewesen ist, macht die Arbeit für ihn nicht schwieriger – im Gegenteil: „Wenn es um Orte geht, die ich schon kenne, bin ich oft eher befangen. Das Unbekannte macht mich dagegen neugierig und inspiriert mich. Irgendetwas passiert dann in mir.“ Üblicherweise gehe er so vor, dass er einen Film beim ersten Betrachten nur an sich vorbeiziehen lasse, um ein Gefühl für die Menschen und die Situationen zu bekommen. „Dann fange ich an zu improvisieren, bis sich etwas entwickelt. Und oft hat der Filmemacher natürlich auch schon recht konkrete Vorstellungen davon, wie er es haben möchte.“


Meister der leisen Töne

Seine Aufträge bekommt Feldhaus überwiegend von den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern sowie von freien Produktionsfirmen, die Kinofilme herstellen. Wer auf dem Markt bestehen wolle, müsse in seiner musikalischen Stilistik breit aufgestellt sein, berichtet er. „Bestenfalls hat man dabei aber auch seinen eigenen persönlichen Stil, um nicht austauschbar zu sein.“ Er selbst hat sich einen Namen gemacht mit den eher leisen Tönen, die minimalistisch daherkommen und gut ins Ohr gehen. 

Und auch, wenn sich die Technik in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt hat und sich inzwischen fast alle Instrumente digital einspielen lassen: Für ihn ist es entscheidend, immer auch mindestens ein echtes Instrument mit dabei zu haben. „Ohne elektronische Musik geht es nicht mehr: Das fordert der Markt, weil es sonst unmodern klingt. Aber die klassischen Instrumente haben immer ein unvorhergesehenes Moment. Sie leben und sind bei jedem Anschlag anders, und dadurch atmet letztlich die gesamte Musik.“


Improvisation statt Noten

André Feldhaus weiß, wovon er spricht. Der geborene Münsteraner begann im Alter von sechs Jahren mit Klavierunterricht und spielt für seine Filmmusiken heute auch das Schlagzeug und die Gitarren selbst ein. „Von Anfang an war ich eher ein Improvisator als ein Notenblattspieler“, erinnert er sich. „Ich habe praktisch schon komponiert, seit ich die ersten Tasten gespielt habe.“ Trotz seiner Begeisterung für die Musik widmete er sich später anderen Themen und studierte Film- und Fernsehwissenschaft sowie Germanistik in Bochum, Liverpool und Bremen. „Ich interessiere mich für so viele Dinge, dass ich auch andere Bereiche abdecken wollte“, sagt er. Das Komponieren verlor er aber nie aus den Augen und schrieb schon während des Studiums erste Stücke für Kurzfilme. Das klappte so gut, dass er mit der Zeit seine Leidenschaft zum Beruf machte.

Feldhaus teilt sich sein Studio mit zwei Sounddesignern, um kurze Wege zu haben. © WFB/Jörg Sarbach

Kurze Wege als Standortvorteil

In Bremen fühlte sich Feldhaus von Anfang an so wohl, dass er nach seinem Studium in der Hansestadt blieb. Sein Studio in der Böttcherstraße teilt er sich mit zwei Sounddesignern. Die viel beschworenen „kurzen Wege“ betrachtet er als echten Standortvorteil. „Meistens treffe ich schon auf dem Weg hierher auf dem Marktplatz die ersten Leute“, berichtet er. „Die Medienszene hier ist wie ein kleiner Kiez, wir haben einen guten und entspannten Austausch miteinander.“ Die Stadt habe alles, was er für seine Arbeit brauche: eine angemessene Förderlandschaft, mit Radio Bremen einen ARD-Sender und eine kleine freie Filmproduktionsszene. 

Dass ihm bei einem Projekt so gar nichts einfällt, ist ihm bisher nach eigener Aussage noch nie passiert. „Manchmal geht es schneller, manchmal braucht es länger. Aber da habe ich inzwischen meine Erfahrungswerte und Techniken, die mir weiterhelfen.“ Und wenn es doch mal zäh läuft und nicht vorangehen will, fährt er einfach mit seinem Rad an die Weser und dreht dort eine Runde: „Da kommen mir dann eigentlich immer irgendwelche Ideen.“


Austausch per Video-Konferenz

Bevor die Corona-Pandemie weite Teile des Landes stilllegte, war der 45-Jährige häufig auch in den Film-Hochburgen Berlin, Köln und Hamburg unterwegs. Aktuell begegnet er seinen Auftraggebern fast ausschließlich in Video-Konferenzen. „Und trotzdem kommt es am Ende irgendwie zu einem Film, das ist schon bemerkenswert.“ Der Vorteil seines Jobs sei es, dass er ihn von jedem Ort aus machen könne. „Aber perspektivisch würde ich schon gerne für jedes Projekt mindestens einmal die entscheidenden Menschen auch wieder persönlich treffen und ihnen in die Augen schauen.“ 

Dass zwischenzeitlich alle weltweiten Drehs wie Reisereportagen und politische Dokumentationen aus dem Ausland weggebrochen sind, kommt mit Verzögerung langsam auch bei ihm an. Was ihn aber mindestens ebenso beschäftigt: dass derzeit auch die Filmfestivals ausfallen oder bestenfalls online stattfinden. „Das heißt, dass auf gewisse Weise die Belohnung für meine Arbeit wegfällt. Es fehlt einfach die Festivalstimmung – und die Netzwerk-Atmosphäre, aus der häufig Folgeaufträge hervorgehen.“


Mehr Zeit für eigene Songs

Trotz der aktuell schwierigen Lage ist André Feldhaus optimistisch, dass es auch weiterhin Filme geben wird, für die Musik benötigt wird. Dann wird er im Hintergrund wieder mit darüber entscheiden, welche Emotionen beim Publikum geweckt werden. Die zusätzliche Zeit, die ihm momentan wegen der Auswirkungen der Pandemie zur Verfügung steht, nutzt er unterdessen vermehrt für eigene Projekte. So schreibt und produziert er schon seit Jahren eigene Songs und hat die Arbeit daran in den vergangenen Monaten noch einmal intensiviert. Der Stil lasse sich schwer beschreiben, meint er: „Das ist zum einen Instrumentalmusik, die bildreich ist, aber nicht opulent. Zum anderen sind es Singer-Songwriter-Stücke.“

Er denke darüber nach, die Songs demnächst zu veröffentlichen. Nicht auszuschließen, dass er nach seiner lange zurückliegenden Zeit als Sänger und Gitarrist in einer Punk-Band irgendwann auf die Bühne zurückkehrt – und dann aus der eher unsichtbaren Rolle des Filmkomponisten auch wieder ins Scheinwerferlicht des Band-Musikers treten wird.

Filmkomponist André Feldhaus in seinem Studio in der Böttcherstraße. © WFB/Jörg Sarbach