Meisterliches Blech

Instrumente Made in Bremen erklingen in den besten Konzertsälen der Welt
14. November 2021

Ein Beitrag von Berit Böhme

Ob in der Oper von Sydney, bei den New Yorker Philharmonikern oder im thailändischen Königspalast – die Instrumente von Thein Brass aus Bremen erklingen auf allen Kontinenten. Neben einer sehr hohen handwerklichen Qualität punktet die in den 1970er Jahren gegründete Meisterwerkstatt durch ihre große Entwicklungsfreude.

Geschäftsführer Olav Brandt spielt auf einem Cimbasso, einer Variante der Bassposaune. © WFB/Berit Böhme

Lichtdurchflutete Werkstatt

Messinggeruch liegt in der Luft. Die junge Werkstattmeisterin poliert Ventilteile auf Hochglanz, während ihr Kollege nochmal prüfend über einen fertigen Posaunenzug streicht. Nur wenige Meter weiter nimmt eine Trompete Gestalt an. In der lichtdurchfluteten Werkstatt von „Thein Brass“ in Bremen-Walle zaubern fachkundige Hände aus hauchdünnem Blech meisterliche Instrumente. Und das schon seit fast 46 Jahren.


Vom Waldhorn bis zur Tuba

Gegründet wurde die Manufaktur von Heinrich und Max Thein. Die Brüder entstammen einer alten Bremer Instrumentenbaudynastie, die sich vor allem mit Klavieren einen Namen gemacht hat. Theinsche Pianos erklangen sogar auf Ozeanriesen wie der „Titanic“. Heinrich Thein (71) hat sich mittlerweile aus der Geschäftsführung zurückgezogen, seit 2015 leitet sein 64-jähriger Bruder die Firma zusammen mit dem gut zehn Jahre jüngeren Olav Brandt. „Man wird nicht Instrumentenbauer, um Geld zu verdienen“, sagt Brandt. „Die Musik steht im Vordergrund, der Klang, die Möglichkeiten. Es ist so eine Art Lebensphilosophie.“ Thein Brass verkauft vor allem Posaunen und Trompeten. Das Portfolio reicht jedoch vom Waldhorn bis zur Tuba. „Historische Instrumente bauen wir auch. Zum Beispiel Dreilochtrompeten.“ 


Bekannt für Entwicklungsfreude

Bekannt ist die Manufaktur zudem für ihre Entwicklungsfreude. „Sie hat durch zum Teil einzigartige Innovationen eine große internationale Reputation gewonnen“, sagt der bekannte Bremer Jazztrompeter Ulrich Beckerhoff anerkennend. Etwa bei der Weiterentwicklung der Kontrabassposaune. Max und Heinrich Thein waren die ersten, die diese zu einem gut gebräuchlichen, doppelventiligen Orchesterinstrument machten. Klanglich liegt sie zwischen Bassposaune und Tuba und kommt beispielsweise bei manchen Wagner-Stücken zum Einsatz. „Die Instrumente der Firma Thein genießen international einen hervorragenden Ruf, da sie für einen unverwechselbaren Klang stehen und hochwertigst hergestellt werden“, schwärmt der Hamburger Trompeter und Professor Matthias Höfs.


Arbeit am „Berliner Modell“

„Die Arbeit mit dem Musiker bringt uns weiter“, sagt Max Thein. Von der Zusammenarbeit mit internationalen Solisten profitieren am Ende auch die Laien. „Die einzelnen Modelle werden ständig weiterentwickelt und ganz individuell auf den Kunden angepasst“, sagt Höfs. Derzeit entwickelt Max Thein mit Andre Schoch von den Berliner Philharmonikern eine neue Trompete. Das „Berliner Modell“ soll den höheren Ansprüchen der heutigen Orchesterarbeit gerecht werden. „Mehr Tourneen und Konzerte in kürzerer Zeit“, sagt Thein. „Diese Musikrichtung heute, und morgen die nächste.“ Ziel ist ein universelles Instrument, „leichter in der Spielbarkeit, mit mehr Durchsichtigkeit und mehr Klangfülle“. „Wir sind auf der Suche nach einem möglichst vielseitigen Instrument“, ergänzt Schoch. „Es ist Detailarbeit.“ Extrem kleine bauliche Veränderungen hätten eine große Auswirkung. „Es ist ein Riesenunterschied nach zwei Tagen“, sagt Thein. Schoch ist schon seit 2007 Kunde bei Thein. „Die Verbindung zwischen Instrumentalist und Instrumentenbauer, da muss auch die Chemie stimmen“, sagt der Trompeter. „Bei Thein hab ich die Instrumente sofort geliebt.“ Es sei eine echte Freundschaft entstanden.

Thein Brass verarbeitet Messing mit drei unterschiedlich hohen Kupferanteilen. © WFB/Berit Böhme

Eine Frage von Millimetern

„Wir machen sehr viel mit der Hand“, sagt Brandt. „Maschinell gefertigten Instrumenten fehlt dieses Quäntchen Leben im Ton.“ Die Bremer verarbeiten drei Messingvarianten: mit 70, 85 oder 90 Prozent Kupfer. Vor rund 30 Jahren entwickelten die Theins hauchdünne Bleche mit einer Stärke von 0,3 Millimetern für die Schallbecher. „Das war schon ein Meilenstein“, betont Brandt. „Jedes Instrument hat einen eigenen Bauplan“, sagt Brandt. „Es entwickelt sich auch immer weiter.“ In den Plänen sind auch die verschiedenen Techniken beschrieben, in manchen Fällen zum Beispiel dass man nur mäßig mit dem Hammer schlagen soll. 20 bis 30 Prozent der Trompeten und Posaunen werden vergoldet, die übrigen versilbert. „Das hat klangliche Gründe“, sagt der Geschäftsführer. „Die galvanische Schicht verbindet sich. Die Obertöne werden angeregt, versilberte Instrumente klingen heller und strahlender.“ Gold mache den Klang „noch ein bisschen runder und eleganter. Die Vergoldung kappt die Obertöne etwas.“


22 Palasttrompeten

Instrumentenbauer Günther Poppe arbeitet seit 22 Jahren bei Thein Brass. Er ist stolz darauf, dass die Instrumente aus Bremen in der ganzen Welt gespielt werden. „In der Oper in Sydney, bei den New York Philharmonics.“ 70 Prozent der Instrumente gehen ins Ausland. An diesem Nachmittag hat Poppe eine Spezialanfertigung für einen japanischen Posaunisten auf der Werkbank. „Ich baue überwiegend Posaunen“, so Poppe. „Aber eigentlich hab‘ ich alles schon gebaut.“ Gerne erinnert er sich an den Nachbau von 22 historischen Naturtrompeten für den Palast des thailändischen Königs Bhumibol im Jahre 1999.


Mini-Posaune und Trompetengeige

An manche Instrumente erinnert sich Max Thein besonders gerne. „Ich bin von Haus aus Posaunist“, sagt er. „In die Jazzposaune ‚Maxime‘ ist meine ganze Liebe reingeflossen und meine ganze Lust.“ Für das Ensemble „German Brass“ baute Thein einmal „eine extrem minikleine Posaune. Da haben wir echt gezweifelt, ob das funktionieren könnte.“ Gerne erinnert er sich zudem an den Nachbau einer historischen Geige mit versteckt eingebauter Trompete für das Münchener Stadtmuseum.


Wie ein Maßanzug

Musiker Uli Beckerhoff schwärmt von der Qualität der Bremer Werkstatt. „Ich schätze vor allen Dingen an meinen Instrumenten der Firma Thein, dass sie handwerklich exzellent gearbeitet sind“, sagt der Professor der Folkwang Hochschule in Essen und künstlerischer Leiter des Bremer Festivals „Jazzahead“. „Sie sind wie ein Maßanzug, der sehr präzise auf die Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen Bläsers zugeschnitten ist.“Alle Mitarbeiter arbeiten sehr genau, sehr gut und in einer hohen Qualität“, sagt Andre Schoch. „Jedes Instrument ist ein Kunstwerk für sich.“ Musiker und Instrumentenbauer befruchteten sich gegenseitig.

Olav Brandt lötet Teile einer Trompete zusammen. © WFB/Berit Böhme

„Man muss sehr gut zuhören“

Neben handwerklichem Geschick müsse ein Instrumentenbauer „sehr gut zuhören können, was der Musiker möchte“, sagt Olav Brandt. Jeder Musiker sei unterschiedlich. Kaufinteressenten können die Instrumente ausgiebig in einem der Spielräume testen und sie auch ein oder zwei Wochen Zuhause ausprobieren. Die meisten Musiker werden bei den vorhandenen Modellen fündig. Beckerhoff lobt die Mitarbeiter von Thein Brass: „Sie nehmen sich sehr viel Zeit für jeden einzelnen Kunden, unabhängig davon, ob es sich um einen sehr bekannten Profimusiker oder einen Laien handelt.“


Auf den Thein-Stil bringen“

Thein Brass hat eine 18-köpfige Belegschaft. Ein Drittel der Beschäftigten ist weiblich, seit rund sechs Jahren arbeiten in der Werkstatt auch Instrumentenbauerinnen. „Das ist keine Frage der Kraft, wenn man die Techniken beherrscht“, sagt der Geschäftsführer. In puncto Feinmotorik seien die Frauen zudem oft besser als ihre männlichen Kollegen. Die Manufaktur legt großen Wert auf Auszubildende, derzeit sind es vier. Nach der Lehre soll der Nachwuchs möglichst im Haus bleiben. „Danach geht das Lernen erst los“, sagt Brandt. „Man arbeitet sich peu à peu ran.“ Es dauere etwa zwei Jahre, die frisch Ausgelernten „auf den Thein-Stil“ zu bringen. Der Nachwuchs jenseits der Belegschaft liegt Thein Brass auch sonst am Herzen. Das Unternehmen fördert Bläserklassen an Schulen und lädt regelmäßig zu Coachings und Workshops mit Profimusikern.


Satter Nachklang

Thein ist übrigens auch eine Meisterwerkstatt für Schlaginstrumente. Triangeln entstehen dort in sieben verschiedenen Größen. „Sie werden per Hand geschmiedet und gebogen“, sagt Brandt. Konventionelle Triangeln klingen zehn bis zwölf Sekunden nach, die Bremer dagegen satte 40 Sekunden.

Musiker können in der Manufaktur aus einer Vielzahl von Mundstücken wählen. © WFB/Berit Böhme