Jutta Kürtz

Journalistin & Sachbuch-Autorin

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Erntedank & frohes Fest

Erntefeste im Norden
2. Oktober 2023

Feiern mit den Jahreszeiten

Erntedankgottesdienste gibt es in den christlichen Kirchen, Erntebier in den Dörfern, Erntefeste auch in den Städten. Wir danken für das, was eingebracht worden ist. Wir leben alte Traditionen. Wir haben den Erntekranz und die Erntekrone als Symbol – und viel Nahrhaftes aus Feld und Flur beweisen eine sichtbare Ernte.

Die Bräuche haben Tradition, sie sind ein Zeichen regionaler Identität, sie sind immer aber auch ein Zeichen der Wertschätzung, des Glaubens an eine höhere Macht. Trotz aller lustigen und auch wahrlich abergläubischen Dinge, die bei der Ernte und bei den Festen üblich waren.

Klar, was früher zum Erntefest gehörte:

Een Piep Tobak, een Mund vull Snack,

en köhlen Drunk, en goden Sprung –

Also Rauchen, Reden, Trinken und Tanz. Alles im Übermaß.
Und am nächsten Tag gab es einen Ruhetag, nach dem Rausch.
Und sogar für die Pferde, den Aarn-beer-utslaap-namiddag…

Was die Termine der Erntefeste anging, so orientierte sich die evangelische Kirche an überliefertem Brauch, als sie bereits in der Reformationszeit den Michaelistag (29.9.) oder einen in der Nähe liegenden Sonntag für den Erntedank wählte. Die erste römisch-katholische Erntedankfeier soll bereits im 8. Jh. stattgefunden haben. Der heutige Erntedanksonntag, der Sonntag nach Michaelis (29.9.), ist durch das protestantische Preußen 1773 eingeführt worden, Die deutsche Bischofskonferenz legte dann 1972 den ersten Sonntag im Oktober als Termin fest – für die evangelische Kirche wurde 1985 ebenfalls der erste Sonntag im Oktober als Erntedank-Termin empfohlen. Neuerdings haben wir im Jahreslauf ja auch noch Halloween am 31.10./1.11. Es ist eine ursprünglich keltische Sitte, der Sommerabschied, der Erntedank am 31. Oktober. Danach, am Allerheiligen-Tag beginnt ein neues keltisches Jahr. Die Kelten glaubten, dass der Gott ihrer Toten an diesem Abend die bösen Geister und Dämonen herbeirufen würde. Sie sollten durch Lärm, fröhliche Feiern und viel flackerndes Licht vertrieben werden. Der 1. November wurde von der Kirche zum Tag Allerheiligen erklärt. Aus „All Hallow Evening“ – kurz „HallowsE’en“ wurde dann Halloween.

Die Amerikaner feiern übrigens ihren Thanksgiving-Day am 4. Donnerstag im November, es ist ein gesetzlicher Feiertag. Mit großem Truthahn-Essen.

Es gab mancherorts noch die Ernte danach – die herbstlichen Kürbisse, Kohl und Kartoffeln – am Ende befeiert mit einem Kartoffelfest, dem Kantüffelbeer, mit Kaffee und Punsch und einer kräftigen Erntesuppe. Die jungen Leute saßen am rauchigen, beißenden Kartoffelfeuer und die Kinder steckten die kleinsten Kartoffeln, die Swienskantüffeln auf Stöcker und brieten sie.

Und dann kam das Schlachten im November, am 11.11., dem Martinstag, Tag des Gänseschlachtens. Zugleich Beginn der Winter- und Weihnachtszeit.

Was waren die Schlachttage für herrliche Zeiten auf den Höfen – mit wahnsinnig viel Arbeit, aber auch mit reichlichem und frischem Essen und ausgelassen fröhlichen Festen. Swienskiek und Swiensköst, Pansenköst und Martinseten …

© Ingo Wandmacher

Schabernack

Es gibt unglaublich viele alte Traditionen, die man in den verschiedenen Regionen alle Jahre wieder ausübte. Das begann mit der Aussaat und der Arbeit auf dem Feld. Viele fleißige Hände wurden da gebraucht, so gab es auch viele lustige Bräuche der jungen Leute. Es gab Streich- und Los- und Bindebräuche und so manchen Schabernack. Wer weiß heute noch vom Mähdrommeln und vom Wieschenrecht, vom Bunten Wasser und vom Bullkater … Die Felder wurden umritten und so mancher glaubte wirklich an Geister im Korn und unter der Erde.

Ganz wichtig war viel und gutes Essen. Dabei kam es auf die Gegend und ihr Speise-Brauchtum an. Bunte Mehlbeutel gab es, die Erntesuppe, also die Roggenoorn-supp, eine wunderbare Frische Suppe mit viel drin. Köstlich! Es gab manchenorts auch eine Graupensuppe mit Korinthen und Rauchfleisch und Stutenbrot. Auch Rindfleisch mit Pflaumen und dickem Reis. Zum Aarn-haan – dem Erntehahn lud man ein. Es gab eine festliche, fleischreiche Hühnersuppe mit leckerem Rosinenreis – oder einen Hahnenbraten – auch das Hahnenschlagen gehörte ja als Erntebrauch dazu.

Vor allem gab es die so genannte Große Grütze und den lummerig gekochten Reis mit ordentlichen Butterkuhlen und Zucker und Kaneehl – so viel, dass die Schüsseln nie leer werden durften.


Saure Wochen, frohe Fest

Wenn es kein richtiges Fest mit viel gutem Essen gab, dann machte die Erntekolonne Ärger! Das Fest war ein Natural-Lohn – und es war ein Ausgleich nach dem Motto: Saure Wochen – frohe Feste.

Natürlich gab es auch reichlich zu trinken. Schon auf dem Feld. Und dann beim Feiern. Mit der Fock oder der Erntekrone trat die ersteMagd vor den Gutsherrn und überreichte ihm den Kranz – und dabei sprach sie in wohlgeformten Reimen ganz deutlich den Dank für die Ernte aus, aber auch die Pflichten des Arbeitgebers an, also des Herren. Er hatte für das Fest zu sorgen und für genügend Bier und Schnaps.

Fröhlich wurde getanzt – der erste Tanz des Herrn gehörte der Erntedeern … Das war ein wichtiger sozialer Brauch.

Für die Generationen vor uns schaffte das Miteinander des Arbeitens und des Feierns eine starke Gemeinsamkeit, ein Wir-Gefühl. Trotz einer total veränderten Welt ist das im Kern immer noch so, wenn die Ernte gefeiert wird.

Das sichtbare, überdauernde Zeichen des Erntedanks war und ist die Erntekrone oder der Erntekranz. Oft werden sie aus allen Getreiden gebunden, Sinnbild für Fruchtbarkeit und für das Jahresrund, häufig geschmückt mit Bändern, sogar auch mit Maiskolben und Blumen, zuweilen auch mit herbstlichem Laub und in manchen Gegenden sogar mit Eierketten oder mit einem aus Stroh gebundenen Hahn. Heute ist es Sitte, Erntekronen oder –Kränze in die Kirche zu tragen. So wurde aus dem Volksbrauch ein kirchlicher Segensbrauch.

Mit der Zeit sind die meisten ländlichen Erntebräuche in Vergessenheit geraten. Einiges wird seit einer Weile wiederbelebt. Verständlicherweise sehr verändert. Wie soll man denn auch wie einst Erntebier miteinander feiern, wenn man nicht mehr wie einst miteinander arbeitet … Aber die gemeinsamen ländlichen Feiern und Feste machen Freude, geben Grund zum Danken und zum Nachsinnen und schaffen immer auch eine große Gemeinsamkeit. Regionale Identität.