„Rosinenreis. Die Sonntagssuppe mit Rosinenreis. Und die süßen Möhren dazu!“ Karla strahlt. Hier bei uns im Norden würde man sogar sagen: Sie smustert. Sie strahlt so ganz von innen, heiter und ganz bei sich. Als lägen die süßen Rosinen auf der Zunge …

Es war Karlas Großmutter Hansine im Nordfriesischen, an die sich meine Freundin erinnert. „Wir lebten nach dem letzten Krieg mit drei Generationen auf dem Hof. Wie überall auf dem Lande waren wir Selbstversorger. Im Stall Schwein und Kuh und immer auch Enten, Gänse und Hühner. Es wurde sparsam gekocht. Aber an Festtagen griff sich Oma Hansine ein Huhn. Es war immer gut für eine fast goldene fettäugige Suppe und für ein Frikassee am nächsten Tag. Das beste aber war der Rosinenreis.“
War das ein Kindertraum? Ja. Denn Reis und Rosinen wuchsen ja nicht auf Bäumen und Büschen im Garten. Reis und Rosinen waren teure Kolonialwaren. Es war ja nicht so selbstverständlich wie heute, dass es Waren aus aller Welt für jedermann gab. In der ländlichen Hökerei oder früher noch vom übers Land ziehenden Wander-Höker kauften die Hausfrauen Kostbares aus fernen Landen, Vorrat für festliche Tage. Seltene Gewürze gehörten dazu, Zimt und Kanehl und Vanille, auch Wein und Branntwein und Kaffee, Schokolade und Tee. Und eben Reis. Und Rosinen (oder Sultaninen oder Korinthen). In „Meyers Konservations-Lexikon“ von 1896 lesen wir: „Kolonialwaren sind die aus den Tropen, besonders den europäischen Kolonien, eingeführten Waren, wie Zucker (zum Unterschied vom Rübenzucker, auch Kolonialzucker genannt), Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze, Reis, bisweilen auch Rohstoffe der Industrie, wie Baumwolle, Seiden, Kautschuk, Farbhölzer etc.“
In die klare Hühnerbrühe gab Karlas Großmutter ganz fein geschnittenes Gemüse, zuweilen kleine Fleischwürfel vom Huhn – das Restfleisch wurde so verarbeitet – und gerne lockeren Eierstich. Dazu dann den als Kuppel aufgetürmten Reis, aus dem viele Rosinen herausschauten. Drumherum wurden karamellisierte Möhren gelegt, sie waren in lange Streifen geschnitten und in Butter und Zucker durchgeschwenkt. Das war schön anzusehen und sehr lecker. „Und dann schwammen die Rosinen in der Suppe und ich konnte sie Stück für Stück am Gaumen zerdrücken. Das schmecke ich jetzt noch – und es erinnert mich an glückliche, festliche Tage mit der Großmutter. Von ihr bekam ich ab und zu auch Rosinen aus der Dose als Bonbons, als Süßigkeit.“