Ein Beitrag von Claudia Kuzaj
Wird im Sport eine bedeutende Trophäe verliehen, ist es gut möglich, dass sie durch Bremer Hände gegangen ist: In der hanseatischen Silbermanufaktur Koch & Bergfeld wurde schon am DFB-Pokal, an den Meisterschalen für Männer und Frauen sowie am Großen Preis von Deutschland gearbeitet. Jetzt haben die Bremer Pokal-Profis ein ganz besonderes Exemplar wieder zum Glänzen gebracht: den Hockey-WM-Pokal – eine der schönsten Trophäen der Welt. Ganz besondere Umstände haben ihn in die Überseestadt nach Bremen geführt.
Dort liegt die Manufaktur mit ihrer historischen, doch zugleich zeitlosen Einrichtung in Sichtweite des Europahafens. Wer die Türen öffnet, hört es gleich: Hämmern, klopfen, schlagen; dazu ein feiner Nachhall. Holzregale voller Werkzeuge und Formen, Stück an Stück, eng gepackt, daneben Werkbänke und Vitrinen. Koch & Bergfeld steht für traditionsreiches Handwerk, klassische Manufakturarbeit. Eine Arbeit, die Zeit braucht, weil es auf allerkleinste Details ankommt – international einzigartige Expertise, die es hier in Bremen noch gibt. Mittendrin: ein reich verziertes Kunstwerk, der Hockey-Weltmeisterschaftspokal. Unten ein mit Elfenbeinintarsien aufwendig verzierter Fuß, oben die zum Teil vergoldete Weltkugel. Das deutsche Männer-Team hat den Pokal Ende Januar in Indien gewonnen, erstmals seit 2006 und zum erst dritten Mal insgesamt. Klar, dass das gefeiert wurde. Und zwar so fröhlich und ausgelassen, dass es im Lauf der Feierlichkeiten zu einem Missgeschick kam – ein der Weltkugel aufgesetzter Hockeyschläger brach ab.
Was also tun? Nach Bremen gehen – das war die Empfehlung, die die Hockeysportler bekamen. Hier steht nun Hans Grotegeers, Silberschmied bei Koch & Bergfeld, und streicht vorsichtig über den im Manufakturlicht glänzenden Pokal-Korpus. Es sei schon eine besondere Aufgabe gewesen, ein solches Stück zu reparieren. „Irland, Großbritannien, Island und Skandinavien mussten abmontiert werden“, fasst Grotegeers nüchtern zusammen. Nun ist der Hockeyschläger wieder an seinem Platz, die Länder sind es ebenfalls. Großes handwerkliches und künstlerisches Können, dazu Konzentration und Ausdauer waren gefordert, einmal mehr.
An Bord des Norddeutschen Lloyd fuhr das Bremer Silber einst um die Welt
Vor bald 200 Jahren – anno 1829 – eröffneten Gottfried Koch und Ludwig Bergfeld die Bremer Gold- und Silberschmiedewerkstatt, die kontinuierlich wuchs. 1914 exportierte das Unternehmen ins zaristische Russland, nach Österreich-Ungarn, Kolumbien, Venezuela und Skandinavien. An Bord der Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd fuhr das Bremer Silber um die Welt. Apropos Schifffahrt: Einst bestellten stolze Bremer Reeder die Silber-Nachbauten ihrer Schiffe bei Koch & Bergfeld. „Sie wurden im Maßstab 1:275 originalgetreu nach den technischen Zeichnungen gefertigt“, sagt Prokurist Roland Thölken. „So ein Schiff dauert ein halbes Jahr.“ Einige dieser historischen Modelle stellen die Bremer Silber-Künstler in ihrer Manufaktur in der Überseestadt, die als gläserne Manufaktur konzipiert ist, aus. Ein Showroom, in dem gearbeitet wird – so war es gedacht, als das Unternehmen 2007 in die neu entwickelten alten Hafenreviere zog. Besteckfertigung und Korpusmanufaktur – sprich Tafelsilber und Trophäen – waren bereits in den 90er Jahren getrennt worden. Die Wirtschaftsförderung Bremen unterstützte Koch & Bergfeld-Chef Florian Blume, der die Manufaktur seit 2005 führt, bei der Suche des neuen Zuhauses der Korpuswerkstatt. Werkzeuge und historische Einrichtung nahmen die Silberschmiede mit in die Überseestadt.
Mit Bremen fühle man sich eng verbunden, sagt Thölken, verweist auf „gewachsene Strukturen“ und nennt als Beispiel den Silberfundus der Senatskanzlei im Weltkulturerbe Rathaus. „Wir sind spezialisiert auf Korpusbau, auf Gegenstände der Tischkultur des 19. und 20. Jahrhunderts. Gerade haben wir wieder Kerzenleuchter aus dem Bremer Rathaus hier, die wir restaurieren. Sie sind mindestens 100 Jahre alt.“ Über Jahrzehnte gewachsene Verbindungen seien das, sagt Thölken. „Wir sind fest verwurzelt in unserer Hansestadt. Das Kaufmännische einer Handelsstadt, das passt einfach zu uns. Und: Bremen hat wirklich einen guten Namen.“
Ein besonderer Auftrag der Bayern
Bremens Expertise ist auch in Bayern bekannt. Thölken erinnert sich an einen Besuch vom FC-Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß in der Manufaktur. Handwerkskunst in Teamarbeit bekam der prominente Gast zu sehen. „Er war so begeistert“, erinnert sich Thölken. Champions-League-Pokal – dessen Grundform übrigens auf einen Bremer Entwurf zurückgeht – Meisterschale, DFB-Pokal: Für ihr Museum bestellten die Münchener anschließend bei den Bremer Pokal-Profis Repliken ihrer Trophäen. „Das war ein toller Auftrag“, schwärmt Thölken. „Ein richtiger Schub für das Unternehmen.“ Die Verbindung zum Sport hat sich zu einem wesentlichen Standbein der Bremer Manufaktur entwickelt. Dabei geht es nicht allein darum, den Namen des aktuellen Gewinners – oftmals aus München – in eine Trophäe zu gravieren. Es geht um die Herstellung von Repliken für die Trophäenschränke (oder Museen) der Titelträger. Thölken: „DFB und DFL empfehlen, mit uns Kontakt aufzunehmen, wenn eine Repliken-Anfrage kommt.“ Ebenso laufe es beim Deutschen Handball-Bund. Fußball und Handball, Basketball, E-Sport und Hockey – das sind die Disziplinen, in denen die Bremer Pokal-Profis glänzen. „Wir haben eine Kernkompetenz darin, ein Gefühl dafür aufzubauen, was zu einem Verein passt“, so Thölken.
„Die Mitarbeiter sind das Kapital dieser Firma“
Wie es sich für ein mit dem Sport so eng verbundenes Unternehmen gehört, wird der Team-Gedanke hier großgeschrieben. „Die Mitarbeitenden sind das große Kapital dieser Firma, unsere Silberschmiedinnen und -schmiede. Unser Ziel ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei unserem Handeln immer im Vordergrund stehen“, betont Thölken. Um das traditionsreiche Handwerk, das Wissen um Kunstfertigkeit und Details weiterzugeben, bildet Koch & Bergfeld auch aus – zurzeit gibt einen Auszubildenden. Silberschmied, das ist der Lehrberuf in der gläsernen Manufaktur am Bremer Europahafen. Ziel sei, dass jeder, der hier anfange, auch bleibe, sagt Thölken mit Blick auf den Nachwuchs. „Das ist die Zukunft.“ 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden das Team der Manufaktur. Vom Entwurf über den Bau bis zur Gravur sind hier sämtliche Korpus-Kompetenzen vereint. „Jeder Arbeitsschritt fußt auf dem anderen.“
Expertise, mit der die Bremer traditionsgemäß auch in Bereichen außerhalb des Sports punkten. Ebenso glanzvoll: die Fertigung hochwertiger Geschenke und Instandsetzung historischer Stücke. Um welche Geschenke geht es? „Alles, was mit Silber zu tun hat“, antwortet Thölken. „Wir bauen ja alles“: Kleine Babyrasseln zur Geburt, Schlüsselanhänger, Prunkbecher – Silber für alle Lebenslagen, wenn man so will. „Immer häufiger handelt es sich um Spezialanfertigungen“, sagt Thölken. „Es kommt zum Beispiel ein Kunde und sagt, mein Enkel ist geboren, er hat das Sternzeichen Steinbock. Was können Sie mir denn dazu machen?“ Und dann lassen sich die Korpus-Künstler etwas einfallen. „Wir entwickeln im Team und gemeinsam mit dem Kunden Ideen für das Besondere.“ Geschenke, an denen über Wochen, oft über Monate gearbeitet wird. Eine Kundin ließ beispielsweise für ihr Enkelkind in Südamerika einen drei Zentimeter großen Silberkerzenleuchter fertigen, eine andere Kundin schenkte ihrem Sohn die Bremer Stadtmusikanten in Sterlingsilber. In gewissem Sinne auch eine Trophäe – und zwar eine mit Lokalkolorit. Der Sport- und Trophäenbereich mache etwa 70 Prozent des Geschäfts aus, sagt Prokurist Thölken. „An Sportpokalen, da hängen so viele Emotionen dran, das ist ein Phänomen. Deswegen ist es auch so schön, dafür zu arbeiten.“