Johanna Rädecke

Redakteurin

Zum Portrait

Wie von einem anderen Stern

Sterneköche talken im Museum
7. Februar 2019

Am vergangenen Dienstag, den 5. Februar, ging es im Stadtmuseum Warleberger Hof kulinarisch her. Gastgeber und Herausgeber von „Nordische Esskultur“ Jens Mecklenburg hatte Sternekoch Mathias Apelt (Restaurant Almans, Kieler Kaufmann) und 2-Sternekoch Dirk Luther (Alter Meierhof, Glücksburg) geladen, um über Sternegastronomie und Esskultur zu sprechen.

Dirk Luther, Jens Mecklenburg und Mathias Apelt im Warleberger Hof. © Johanna Rädecke

Welche Interessen und Fähigkeiten müssen mitgebracht werden, um in den (Sternen-)Himmel der Spitzengastronomie aufgenommen zu werden? Wie wird man zum Sternekoch, welche Bedeutung hat diese Küche für unsere Kultur?

Die Themen, so erklärt Jens Mecklenburg bei der Begrüßung, seien an diesem Abend im Warleberger Hof breit gefächert. Ihm ist es wichtig, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, in der Spitzengastronomie im kulturellen, lokalen und gesellschaftspolitischen Kontext ebenso besprochen werden könne wie die persönlichen Lieblingsessen der geladenen Gäste.

Im Obergeschoss des alten Museumsgebäudes ist einer der Ausstellungsräume zum Hörsaal umgewandelt worden. An den Wänden hängen alte Werbeposter für elektrische Mixer, ein Münzautomat für Milchflaschen steht in der einen, ein alter Elektroherd in der anderen Ecke. Wo normalerweise Exponate der Sonderausstellung „Kiel kocht. Lebensmittelerzeugung, Ernährung und Esskultur im 19. und 20. Jahrhundert“ zu bewundern sind, finden an diesem Abend rund siebzig Zuschauerinnen und Zuschauer Platz, um den Gesprächen der geladenen Gäste zu lauschen.

Mathias Apelt (ein Stern) kocht mit viel Leidenschaft und Kreativität seit vielen Jahren im Restaurant Ahlmanns im Kieler Kaufmann – In Kiel ging mit ihm der einzige Michelin-Stern über der Landeshauptstadt auf. An diesem Abend steht er jedoch nicht hinter dem Herd, sondern stellte sich den Fragen des Herausgebers und des Publikums.

Ebenfalls zu Gast ist der 2-Sternekoch Dirk Luther, einer der drei 2-Sterneköche Schleswig-Holsteins. Sein Domizil hat der gebürtige Hamburger in Glücksburg, wo er als Küchen- und Hotelchef des Alter Meierhof Wurzeln geschlagen hat. Bekannt aus dem NDR Schleswig-Holstein-Magazin widmet er sich auch bei seinem Besuch in Kiel mit Leidenschaft den Themen, die ihm am Herzen liegen. „Heute rede ich in doppelter Geschwindigkeit, um verlorene Zeit wieder wett zu machen“, entschuldigt er lachend seine verkehrsbedingte Verspätung.

©Johanna Rädecke

Auszeichnung Michelinstern – Bedeutung und Möglichkeiten

„Welche Interessen und Talente muss man mitbringen, um Sternekoch zu werden?“, fragt Mecklenburg, der an diesem Abend das Gespräch moderiert. Apelt erklärt, dass ein grundlegendes Interesse für die Produkte wichtig sei – aber vor allem Ausdauer und ein wenig Glück bei der Interessensförderung im Betrieb: „Das Schwierigste am Beruf ist, eine Position zu erlangen, in der man sich selbst verwirklichen kann. Das kann einen erst sehr spät erreichen. Bis dahin heißt es einfach: Durchhalten.“

Ein Stern sei, sowohl für das Restaurant als auch für einen selbst, eine große Auszeichnung. „Aber natürlich“, setzt Apelt hinzu, „bringt es auch viele Vorurteile für potentielle Gäste mit sich. Die Sterneküche hat nach wie vor mit einem ‚Schicki-Micki-Image‘ zu kämpfen.“ Dirk Luther setzt hinzu: „Ein Sternerestaurant ist aus meiner Sicht nichts anderes als ein Restaurant, in dem sehr gut gekocht wird“ – dass das Menü hier teuer ist, liege an der Qualität und Auswahl der Produkte und nicht zuletzt an den höheren Personalkosten. „Sternegastronomen freuen sich, wenn am Ende des Jahres eine schwarze Null unter der Gleichung steht“. Die Wahl, ein Sternerestaurant zu besuchen sei, so Dirk Luther, vergleichbar mit einem Autokauf oder der Wahl eines Theaters: Je nach Qualität gibt es überall Preisunterschiede.

Kochen als Handwerk und Ausdruck der Region

Aber was machen die Kreationen der Köche besonders? Und wie entstehen sie? „Für mich ist das Kochen, also die eigentliche Zubereitung, ein reines Handwerk. Doch das Anrichten ist Kunst für mich“, so Apelt. Anrichten, das habe auch immer etwas mit Emotionen zu tun. Immerhin entstehe hier der erste Eindruck beim Gast. So ein Teller müsse spannend gestaltet sein, mit genau richtig vielen Komponenten, um ein tolles Geschmackserlebnis zu kreieren, ohne überladen zu wirken.

Auf die Gerichte eines Kochs wirkt immer auch seine Umgebung ein. „Die Märkte hier in Kiel sind ganz besonders“, schwärmt der Küchenchef des Kieler Kaufmanns. „So habe ich das auch noch in keiner anderen Stadt erlebt. Bei dem intensiven Kontakt zu den Produzenten entstehen manche Gerichte fast von allein.“

Regionalität ist ein Schlüsselwort guter Küche – mittlerweile ist sie in der Sterneküche wieder angesagt. „Ich bin ein riesiger Befürworter von regionalen Produkten, solange ich sie in meiner vorausgesetzten Qualität erhalte“, sagt Dirk Luther. „Die Region ist sehr wichtig für das Kochen: Wofür steht die Region? Womit können wir arbeiten? Es gibt unglaublich viele, sehr gute Produkte und Produzenten hier in Schleswig-Holstein, mit denen man arbeiten kann“, ergänzt Mathias Apelt.

© Johanna Rädecke

Essen als politischer Akt

Das Thema Regionalität ist unweigerlich ein politisches. Während Dirk Luther betont, man müsse die zusehends aussterbenden Landgasthöfe intensiver stärken und mit lokalen Produzenten zusammenarbeiten, stellt sich unweigerlich die Frage: Was bedroht die Esskultur? Verantwortlich machen die Köche vor allem den Fachkräftemangel und die Zunahme an Convenience-Produkten, die eine vielfältige und regionale Küche hemmen.

„Junge Leute finden, trotz all dem Medienrummel um Kochshows, den Beruf einfach nicht sexy“, so Luther. „Dabei gibt es nichts schöneres, als abends durch das Restaurant zu gehen und in glückliche Gesichter der Gäste zu blicken.“
 


„Die Kulinarik findet wenig Anklang in der Politik“

Sterneküche soll auch für das jüngere Publikum zugänglicher gemacht werden. So bekämpft beispielsweise das Ahlmanns das eingestaubte Image mit einem jugendlicheren Interior und schmackhaften Preisen – das Dreigangmenü kostet hier 67 Euro und bietet eine große Freiheit bei der Speisenwahl. Doch nicht nur die Sterneküche ist Dirk Luther und Mathias Apelt ein Anliegen.

„Die Ernährung sollte auch zur Schulaufgabe gemacht werden“, fordert Luther. Ein sorgfältiger Umgang mit Produkten und ein gewisses kulinarisches Verständnis müsse eben gelernt werden. „Die Regierung in Dänemark hat die Gastronomie im letzten Jahr mit rund 5,4 Millionen Euro gefördert – und das müsste auch hier passieren. Apelt ergänzt: „Die Kulinarik findet zu wenig Beachtung in der Politik.“ Schleswig-Holstein habe einen immensen Tourismuszuwachs zu verzeichnen. Die Gastronomie mehr in die Politik einzubeziehen, könne der Landeskultur und dem Tourismus einen weiteren Schub geben.

© Johanna Rädecke

Und das Lieblingsessen?

Die entspannte Gesprächsrunde sollte natürlich nicht nur im reinen Fachjargon enden. Was, fragt Mecklenburg, wird denn so nach Feierabend am heimischen Herd gekocht?

„Meine Partnerin lebt vegetarisch. Wir gehen liebend gerne über den Markt und schauen dann, was aus dem Einkauf wird“, so Mathias Apelt.

„Bei uns in der Familie kocht jeder mal“, so Dirk Luther. „Sonntags kochen wir alle gemeinsam. Ich persönlich liebe Hausmannskost, vor allem Königsberger Klopse.“

Am Ende des Abends zitierte Mecklenburg Brillat-Savarin: „Nur an der Tafel ist gleich die erste Stunde amüsant.“ Auch ohne Tafel waren es zwei lehrreiche und amüsante Stunden.

 

Weitere Veranstaltungen im Warleberger Hof:

Donnerstag, 14. Februar, 18–19.30 Uhr
„Welche Heimat hat Heimatküche?“
Gespräch über Geschichte und Bedeutung der regionalen Küche.
Podiumsdiskussion mit Dr. Doris Tillmann (Museumsdirektorin), Jutta Kürtz (Journalisatin), Oliver Firla (Feinheimisch-Vorsitzender). Moderation: Jens Mecklenburg. Ort: Warleberger Hof, Eintritt frei.

 

Donnerstag, 28. Februar, 18–19.30 Uhr
„Die Geschichte der Gastronomie von der Antike bis heute“
Eine unterhaltsame kulturgeschichtliche Reise
Vortragsveranstaltung mit dem Gastrokritiker Jens Mecklenburg
Ort: Warleberger Hof, Eintritt frei.

 

Samstag, 9. März, ab 19 Uhr
Geschichte schmecken
Die gutbürgerliche Festküche der letzten 100 Jahre in 5 Gängen von Jochen Strehler serviert, Moderation Jens Mecklenburg
Ort. Gildepark, Hasseldieksdammer Weg 89. 49 Euro pro Person inkl. Aperitif, 5-Gänge-Menü, Wasser, Kaffee.

Anmeldung: Tel. 0431/143 88, strehlers@gildepark.de

Weitere Veranstaltungen und Infos: www.kiel-museum.de