Jens Mecklenburg

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Erdbeer- und Spargelanbauer in der Krise

Direktvermarkter im Vorteil
2. Juni 2022
©Ingo Wandmacher

Spargel und Erdbeeren sind für viele Landwirte in diesem Jahr kaum kostendeckend zu produzieren. Das liegt nur zum Teil an der Inflation.

Spargel- und Erdbeerbauern in Deutschland spüren eine deutlich gesunkene Nachfrage. Die Kunden kauften im Lebensmitteleinzelhandel vor allem Grundnahrungsmittel und No-Name-Produkte, sagt Fred Eickhorst, Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen. „Davon sind wir mit Spargel und Erdbeeren stark betroffen.“

In dieser Saison sei eine deutlich geringere Einkaufsmenge registriert worden, bestätigte Claudio Gläßer von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. Das belegten Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem April. Spargel sei ein „verzichtbares Gemüse“, das viele Menschen mit höheren Preisen in Verbindung brächten: „Es schauen doch viele Leute darauf, wofür sie das Geld ausgeben und was nach dem Tanken noch übrig ist, was man zurücklegen muss für kommende höhere Rechnungen.“ Und die Menschen, die nicht so stark auf den Preis achten müssten, würden ihr Geld derzeit lieber für Reisen ausgeben – hier gebe es offenbar einen großen Nachholbedarf nach zwei Jahren coronabedingter Enthaltsamkeit.

Dabei sind die Spargelpreise derzeit so niedrig wie lange nicht mehr. In der vergangenen Woche habe der Durchschnittspreis für weißen Spargel aus deutschem Anbau bei 7,06 Euro pro Kilo gelegen, sagte Gläßer – 12 Prozent unter dem Durchschnittspreis der entsprechenden Vorjahreswoche. „Der Spargel und auch die Erdbeeren waren noch nie so billig zu diesem Zeitpunkt, auch nicht vor Corona“, sagte Eickhorst.

Allerdings teilt sich der Markt in zwei Bereiche, so Eickhorst. Die Direktvermarkter, die ihre Ernte ohne Umwege an die Kunden verkaufen, haben viel weniger mit Rückgängen zu kämpfen: „Sie haben eine Kundschaft, die ohnehin Qualität aus der Region der Discountware im Supermarkt vorzieht.“

Früchte aus Spanien sind billiger 

Probleme dagegen haben die Höfe, die vor allem für den Lebensmitteleinzelhandel produzieren. „Die Handelskonzerne heizen hier den Preiskampf an, indem sie sehr lange parallel die Importware anbieten. Zu deren Preisen können wir in Deutschland nicht produzieren, erst recht nicht, wenn der Mindestlohn kommt.“

Für diese Erdbeererzeuger sei die Lage ernst, erklärt Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer: „Sie können bei den hohen inländischen Produktionskosten nicht mit denen aus Spanien mithalten. Trotz des massiven Anstiegs der Produktionskosten liegt der Erdbeerpreis im Handel unter dem des Vorjahres.“

Schmerzhaft für die heimischen Produzenten ist auch die Konkurrenz ausländischen grünen Spargels. Eine Discountmarktkette habe das Kilo grünen Spargels jüngst für 2,96 Euro pro Kilo verkauft, sagte Gläßer.


Weitere Höfe werden schließen

Die Kaufzurückhaltung werde Auswirkungen haben, sagte Eickhorst. Schon jetzt seien viele Flächen aus der Produktion genommen worden, und das mitten in der Saison. Die Anbaufläche werde weiter sinken, einige kleinere Spargelbetriebe seien aus dem Geschäft ausgeschieden – vor allem diejenigen, die ausschließlich den Großhandel beliefert hatten. Diese hätten schon während der beiden vergangenen Coronajahre praktisch kein Geschäft mehr gehabt, sagte Eickhorst. Mit der Einführung des Mindestlohnes von 12 Euro zum 1. Oktober werde sich die Wettbewerbssituation der deutschen Landwirte im Vergleich mit der Konkurrenz aus Italien oder Spanien noch weiter verschlechtern, sagte Eickhorst. Es sei absehbar, dass weitere Landwirte aufgeben werden. Die Selbstversorgungsquote in Deutschland bei Obst mit 19 Prozent und bei Gemüse mit 35 Prozent sei schon jetzt nicht hoch und werde damit noch weiter zurückgehen: „Der Verbraucher hat es mit seinem Einkaufsverhalten an der Verkaufstheke in der Hand, ob es weiter regionale Produkte aus Deutschland gibt, auch wenn diese teurer sind als aus dem Ausland.“