Jens Mecklenburg

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Zutritt nur mit Corona-Impfung?

Dürfen Gastronomen, Hotels und Fluggesellschaften Menschen ausschließen, die nicht geimpft sind?
4. Januar 2021

Man kann es sich das leicht ausmalen: Am Eingang zum Club fragt der Türsteher erst nach dem Personalausweis, dann nach dem Impfausweis. Wer den Urlaub bucht, gibt seine Impfpass-Nummer an. Bedauerndes Kopfschütteln an der Hotelrezeption: In den Wellnessbereich kommt man leider nur mit Corona-Impfung. Ist das die Zukunft und realistisch? Erstmal nein.

Noch gibt es in Deutschland und weltweit längst nicht genug Impfstoff für alle, die sich piksen lassen wollen. Aber was ist in einem Jahr?

Drei Dinge sind klar: Um Verschwörungstheoretikern keine Munition zu liefern, ist das Bemühen groß, Sorgen vor einer „Impfpflicht durch die Hintertür“ zu zerstreuen. Solange nicht jeder und jede geimpft werden kann, der oder die das will, sind Privilegien für Geimpfte zumindest in Deutschland nicht vorstellbar. Und: Um zu entscheiden, müssen mehr Erkenntnisse über die Impfstoffe her.

Dürfen Unternehmen – Veranstalter, Hotels, Fluggesellschaften und so weiter – überhaupt Menschen ausschließen, die nicht geimpft sind?


Dürfte man Menschen ohne Impfung ausschließen?

Das hänge „von einer Vielzahl von Faktoren ab, über die zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verlässliche Aussage getroffen werden kann“, erklärt eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums – insbesondere, „in welchem Maße eine Impfung nicht nur die geimpfte Person vor einem Ausbruch der Krankheit schützt, sondern auch andere Personen vor einer Ansteckung.“ Nach Angaben des Robert Koch-Instituts ist denkbar, dass Geimpfte zwar selbst nicht erkranken, das Virus aber weitergeben. Die Firma Biontech rechnet mit Daten dazu bis Februar. „Ganz allgemein“ könne es privaten Anbietern im Rahmen der Vertragsfreiheit freistehen, „den Abschluss von Verträgen oder den Zutritt zu ihren Liegenschaften zu verweigern“, heißt es beim Justizministerium. Anders sei das teils im öffentlichen Personen- und Nahverkehr oder beim Flugverkehr, da gebe es gewisse Pflichten. Wollen Unternehmen überhaupt Nicht-Geimpfte ausschließen? Die Wortmeldungen aus den Branchen fallen unterschiedlich klar aus.


BAHN & FLIEGEN

Für Aufregung sorgte im November die Ankündigung der australischen Airline Qantas, auf bestimmten Strecken nur noch Geimpfte mitzunehmen. In der Branche löste das allerdings eher Kopfschütteln aus. „Wir halten gar nichts davon, die große Gruppe der noch nicht Geimpften vom Luftverkehr oder von den Verkehrsträgern insgesamt auszuschließen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Luftverkehrs-Verbands BDL, Matthias von Randow.

Die Bahn, deren Aktien komplett dem Bund gehören, schließt Privilegien oder Nachteile auf Nachfrage eindeutig aus: „Die Deutsche Bahn wird bei der Beförderung ihrer Kunden keinen Unterschied zwischen geimpften und nicht geimpften Passagieren machen.“


HANDEL

Für den Handelsverband HDE sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: „Eine Einteilung der Kundinnen und Kunden in Geimpfte und Ungeimpfte ist nicht wünschenswert und in der Praxis auch sicher kaum möglich.“


GASTRONOMIE 

Aus Sicht des Gastro-Branchenverbands Dehoga ist jetzt nicht die Zeit für solche Gedankenspiele. „Für diese Diskussion ist es aus unserer Sicht viel zu früh“, sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. „Solange nicht ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung steht, brauchen wir nicht über Zugangsbeschränkungen zu sprechen.“ Zunächst hätten alle ein großes Interesse daran, das geimpft werden könne, wer das wolle – das betreffe auch die Mitarbeiter und Unternehmer in der Gastronomie.

Grundsätzlich müsse die Branche einen diskriminierungsfreien Zugang gewährleisten, erklärte Hartges. „Denn wenn ich als junger Mensch zu den letzten gehöre, die sich impfen lassen können, und vorher nicht ins Restaurant oder ins Hotel darf, könnte dies den Tatbestand der Diskriminierung erfüllen.“ Auch sonst gebe es viele offene rechtliche Fragen – etwa, ob Wirte sich überhaupt einen Impfausweis vorzeigen lassen dürften. „Die Politik ist gefordert, hier für Klarheit zu sorgen“, forderte sie.

Einzelne Hotels und vor allem auch Diskotheken sähen eine Chance darin, dass Gäste einen Schnelltest machten, sagte Hartges. „Natürlich ziehen wir das in Erwägung als eine Branche, die von der Pandemie besonders hart getroffen ist.“ Aber erst mal müssten dafür ausreichend Tests zur Verfügung stehen. Dann gelte es, weitere Fragen zu klären – etwa, wer die Tests durchführen dürfe und wer die Kosten trage.


VERANSTALTER

Der Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow, hält eine Impfung als Einlass-Voraussetzung für nicht rechtens. Eine Diskriminierung von nicht geimpften Personen wäre „aus juristischer Sicht ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 3 unseres Grundgesetzes“, sagt der Jurist. „Daher wäre es aus meiner Sicht auch dem Staat verwehrt, ein Gesetz zu erlassen, welches eine bevorzugte Behandlung von geimpften Personen regelt.“


WAS SAGT DIE POLITIK 

Auf die verweist auch die Politik. Der rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Fechner, sprach in der Welt von Überlegungen, eine Ungleichbehandlung in der Privatwirtschaft zu verhindern. Das fordert etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz mit Blick auf Pflegeanbieter, die Ungeimpfte als Patienten ablehnen könnten. Allerdings fügt Fechner einen einschränkenden Hinweis hinzu: Wenn sich zeige, dass Geimpfte ansteckend seien, dann wäre eine Ungleichbehandlung epidemiologisch nicht zu rechtfertigen. Auf Nachfrage erklärte er, ob das auch im Umkehrschluss gelte – also Privilegien zu rechtfertigen seien, wenn Geimpfte nicht mehr ansteckend seien -, darüber müsse erst diskutiert werden.

Umgekehrt könnte man dann auch sagen: Wer garantiert nicht mehr ansteckend ist, dessen Freiheiten dürfen doch auch nicht mehr eingeschränkt werden – das gibt die FDP zu bedenken. Der Unions-Rechtsexperte Jan-Marco Luczak schimpfte unterdessen über eine „Phantomdebatte“ mit „verfrühten und hypothetischen Diskussionen über verfassungsrechtlich zudem zweifelhafte Verbote“.

Auch aus Sicht von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht „verbieten sich gegenwärtig Privilegien für Geimpfte“, wie sie sagt – weil es offene Fragen zur Wirkung gebe und noch nicht genug Impfstoff da sei. „Wir sollten die richtigen Diskussionen zur richtigen Zeit führen“, mahnte sie. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn hatte Privilegien mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass noch nicht alle die Chance zur Impfung haben. Nur: Das wird sich ändern.

Viele hoffen, dass diese Debatten sich von selbst erledigen. Nämlich dann, wenn sich ausreichend Menschen freiwillig impfen lassen und die sogenannte „Herdenimmunität“ erreicht wird. 60 bis 70 Prozent der Menschen müssen immun sein, um das Virus zu stoppen, hieß es dazu bisher oft von Experten. Doch auch daran gibt es schon Zweifel. Sicher ist in der Pandemie vor allem eines: die große Unsicherheit.