Johanna Rädecke

Redakteurin

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„Wenn die Regierung sich nichts einfallen lässt, stehen bald unzählige Kleinbetriebe vor dem Aus“

Corona lässt Gastronomen bangen
18. März 2020

Die Coronapandemie verändert das öffentliche wie private Leben in ganz Europa massiv. Während in Frankreich Ausgangssperren verhängt werden, der Papst seine Ostermesse nur virtuell halten wird, der Aktienhandel eine historische Talfahrt absolviert, Fake News die Panik weiter anheizen und in Norddeutschland die Inseln abgeriegelt werden, kämpfen immer mehr Kleinbetriebe mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus. Nordische Esskultur hat mit Karsten Schnauer, Inhaber des Eppendorfer Cafés „Karl, Günther & Marie“ über die spürbaren Auswirkungen und Maßnahmen gesprochen.

Karsten Schauer in seinem Café unweit des Eppendorfer Marktplatzes © Karl, Günther & Marie

Von außen betrachtet könnte man meinen, dass die Gäste lediglich die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen bei einem Stück der vielen selbstgebackenen Kuchen im Außenbereichs des Cafés genießen wollen. Doch die Unsicherheit ist groß. Ob denn in der nächsten Woche noch geöffnet sei, wird Inhaber Karsten gefragt, und ob der Cappuccino oder frischer Ingwertee (Abwehrkräfte können nun ja nicht schaden) auch zum Mitnehmen erhältlich sind. Der Innenraum des gemütlichen Cafés ist hell, mit Blumen bestückt – und leer. Zur Mittagszeit kommen Stammgäste auf einen Teller Kürbisrisotto vorbei und versichern, trotz der Maßnahmen weiter zu kommen. Doch am Morgen hatten bereits viele Gäste das sonst zu jedem Wochentag heiß geliebte Frühstück ausfallen lassen. 


Nordische Esskultur: Welche Auswirkungen der Corona-Krise sind im lebendigen Hamburg-Eppendorf spürbar?

Karsten Schnauer: Oh, da gibt es eine ganze Menge an Auswirkungen. Die Straßen sind leer, plötzlich gibt es selbst in Eppendorf überall Parkplätze und viele Läden haben bereits geschlossen. Nur in den Supermärkten ist die Hölle los. Überall sind leere Regale. Verrückte Welt… 

Was mir außerdem noch deutlich auffällt, ist die veränderte Stimmung unter den Menschen hier im Viertel. Es gibt nur noch ein Gesprächsthema: Corona. 

Die Stimmung ist merkwürdig. Ein Teil der Menschen ist missgelaunt, angestrengt und auch aggressiv. Ängstlich, wie das nun weitergehen wird und welche Auswirkungen noch auf uns zukommen. Der andere Teil ist verärgert und sieht vieles als Panikmache. 

Bei uns im Café ist der Verbrauch an Toilettenpapier, Papierhandtüchern und Seife exorbitant gestiegen. 


Wie hoch ist der Prozentsatz der Stornierungen? Gibt es eine Steigerung zum Normalfall?

Im Zeitraum der letzten drei Wochen sind es etwa 30%. Unsere Umsatzeinbußen liegen derzeit bei 35%. Wir hoffen, dass es nicht ansteigt und die Menschen nach wie vor die lokalen Geschäfte und die Gastronomie unterstützen 


Welche Maßnahmen werden jetzt zum Schutz der Gäste und Mitarbeiter ergriffen?

Wir erweitern unsere Sitzplätze im Freien und reduzieren die Sitzplätze im Gastraum, damit die Gäste ohne Sorge weiterhin ins Café gehen können. Das gesamte Team achtet strikt auf die empfohlenen Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen. Wir bieten alle Speisen und Heißgetränke nun auch TOGO an. Alle Gäste und Mitarbeiter, die sich nicht wohl fühlen, bitten wir, zuhause zu bleiben und sich auszukurieren. Alle Entscheidungen, die wir treffen, haben als oberste Priorität die Gesundheit der Gäste und Mitarbeiter. Und gleichzeitig müssen wir die Existenzsicherung im Blick behalten. Das ist ein tägliches Ringen um das richtige Verhalten. 

Auch To Go erhältlich: Das Café stellt sich auf die veränderte Situation ein. © Karl, Günther und Marie


Woher bekommen Gastronomen ihre Auflagen?

Es gibt wohl ausgesprochene Empfehlungen und Anweisungen vom Bund und den Ländern, die wir befolgen müssen. Allerdings können wir uns nirgendwo so richtig informieren. Es gibt tausende Pressemitteilungen, aber teilweise mit unterschiedlichen Angaben. Es bräuchte eine Website von einer staatlichen Stelle, auf der alle nötigen Infos für Gastro- und Hotelbetriebe zu finden sind. 


Gibt es Hilfen oder Strategien für die in kleinen und mittleren Betrieben der Gastronomie?

Einen unmittelbaren Anspruch auf Entschädigung haben Selbständige nur, wenn sie in Quarantäne müssen. Momentan gibt es noch keine konkreten Hilfen. Man könne wohl Sofortkredite bei der KFW-Bank beantragen, allerdings mit einem hohen Zinssatz. In sämtlichen Talkshows sagt die Regierung dazu folgendes: Bla bla bla! Die Gastronomie und Kleinbetriebe werden überhaupt nicht berücksichtigt. Es sind die üblichen Floskeln, die wir zu hören bekommen, aber uns wird nicht geholfen. Wir können höchstens Kredite aufnehmen und Steuern stunden lassen, aber was heißt das denn. Wir verschulden uns hoch. Und von welchen Einnahmen sollen wir denn dann die Steuerstundungen und Kreditrückzahlungen bezahlen? Es ist notwendig und richtig, dass die Regierungen Maßnahmen verhängt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Doch öffentlich und eindringlich von Restaurantbesuchen abzuraten, diese aber nicht zu schließen – das finde ich einfach nur widerwärtig. Ohne eine behördliche Anordnung haben wir keinen Anspruch auf Hilfeleistungen, den Totalausfall durch die öffentlichen Pressemitteilungen haben wir trotzdem. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn die Regierung sich nichts einfallen lässt, dann stehen bald unzählige Kleinbetriebe und Gastronomiebetriebe vor dem wirtschaftlichen Aus oder müssen sich hoch verschulden. Und uns würde es nicht anders ergehen. 

Hier in Hamburg rufen viele Stadtmagazine und Onlinemagazine dazu auf, die Locals zu unterstützen. Auch Petitionen kann man unterschreiben. Zum Glück haben wir treue Gäste. Wir sind daher vorsichtig optimistisch und danken all den Gästen umso mehr, die uns in dieser schwierigen Situation treu bleiben und weiterhin vorbeikommen. 


Was bedeutet es für „Karl, Günther & Marie“, wenn nun von behördlicher Seite eine komplette Schließung angeordnet wird und was ist Ihre Meinung zu dieser potentiellen Maßnahme? 

Dies würde bedeuten, dass ich Personal kündigen muss und wir als Betriebsinhaber (je nach Dauer der Schließung) vor dem Aus stehen. 

Meiner Meinung nach ist es eine Enteignung und Entmündigung. Selbst, wenn die Geschädigten im vollen Umfang für diesen Zeitraum auch entschädigt werden. Entschädigung bedeutet für mich, dass sich die Höhe der Entschädigung an dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz und an den Fixkosten orientiert. 

Paragraph 56 IfSG besagt, dass Betriebe, die vom Staat geschlossen werden, angemessen entschädigt werden. Aber was heißt denn angemessen? Wieder keine konkreten Angaben für die Selbstständigen. 


Das Interview führte Johanna Rädecke für Nordische Esskultur.

 

 

© Karl, Günther und Marie

 

Lichtblick für die Gourmetlandschaft

Inhaber Karsten Schnauer lässt „seine Marie“ unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften geöffnet. Seinen Carroux-Kaffee, das große Teesortiment, die (teils glutenfreien) Kuchen, Frühstücke und Leibspeisen der wechselnden Wochen- und Tageskarten sind nun alle zum Mitnehmen erhältlich. Kontaktlose Lieferung oder einen Drive-In wie bei bekannten Fast-Food-Ketten können er und Küchenchef Georg zwar nicht bieten – dafür jedoch eine frische, kreative Küche und hohen Kaffeegenuss.

 

Karl, Günther & Marie

Erikastraße 47
20251 Hamburg

www.karlguenterundmarie.de
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Öffnungszeiten

Mittwoch        09:00 – 18:00 Uhr
Donnerstag     09:00 – 22:00 Uhr
Freitag            09:00 – 18:00 Uhr
Samstag          09:00 – 18:00 Uhr
Sonntag           09:00 – 18:00 Uhr

 

Reservierungen und To Go – Bestellungen unter:

Georg Kratzer 0171 5453957

Karsten Schnauer 0172 8536261