Jens Mecklenburg

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Was bringt 2022

Von essbaren Trinkhalmen bis Robokellner
3. Januar 2022

Essen, Trinken, Reisen: Was dieses Jahr angesagt sein könnte: Nach den Fleischexzessen vieler Leute in der Weihnachtszeit werben selbst Discounter für einen fleischlosen Monat Januar zum Jahresstart. Vom sogenannten Veganuary ist dann gern die Rede. Der Markt der Ersatzprodukte boomt. Neu in Deutschland sind zum Beispiel die sogenannten Steaks der Schweizer Marke The Green Mountain, die mit Soja- und Weizenprotein und färbendem Randensaftkonzentrat (also Roter Bete) Rindfleisch besonders echt nachvollziehen sollen.

Das Wiener Start-up Revo Foods stellt dagegen Lachsersatz unter anderem aus Erbsenprotein und Algenextrakt her, bei dem 3D-Drucker die Struktur von orangefarbenen Muskelfasern und weißem Bindegewebe imitieren. Werden vegane Steaks und veganer Lachs zum Massenphänomen? Man wird sehen. Der Marktanteil von Fleisch- und Fischersatzprodukten wird auf jeden Fall weiter zunehmen.

Essbare Trinkhalme

Nach dem Einweg-Plastikverbot 2021 kürte die Stiftung Warentest das Produkt eines Start-ups aus Regensburg als „beste Alternative zum Plastikstrohhalm“. Es geht um essbare Halme, die eigens gebacken werden. Christian Zippel von der Firma Knusperhalm in Donaustauf sagt, Mehrwegstrohhalme seien oft schwer zu reinigen und bei Nudeln als Halm werfe man oft wertvolles Essen in den Müll. Die neutral schmeckenden Trinkhalme aus Hartweizen, Wasser und Rapsöl knuspere man dagegen nach dem Drink einfach weg. 20 Stück kosten etwa 3 Euro. Landen die alternativen Trinkhalme im Laufe des Jahres im Lebensmitteleinzelhandel und setzen sich durch?


Robokellner

Roboter servieren Speisen und Getränke schon in einigen Restaurants in Norddeutschland, etwa im Hafenrestaurant Grömitz oder im Lokal Anders in Walsrode. In den vergangenen Monaten reagierten einige Gastronomen damit auf den Personalmangel, der sich in der Corona-Krise noch verstärkt hat. Sie wollen ihren Gästen auch mehr Schutz vor dem Virus bieten und sorgen außerdem für Unterhaltung. Werden Robokellner vom teuren Gag zur Alltagserfahrung? Möchte man sich als Gast von Kellnerin Roba oder Kellner Robo bedienen lassen? Ich denke eher nicht.


Neue Milchalternative

Pflanzendrinks aus Soja, Reis, Mandeln, Erbsen, Lupinen oder Hafer boomen. Es gibt also gute Gründe, daran zu glauben, dass pflanzliche Milch noch mehr an Popularität gewinnt. Eine Marke aus Schweden namens Dug hat nun auch eine cremige alternative Milchsorte aus Kartoffeln im Angebot. Kommt die Kartoffelmilch nach Deutschland und wird der nächste große Hype? Ich tippe: ja.

Reisen

Wo tobt die Pandemie 2022 besonders stark, welche Länder schotten sich weiter ab, wo normalisiert sich das Leben mit dem Coronavirus? Viele Fragen in Sachen Tourismus sind offen, doch an Reisetipps mangelt es trotzdem nicht. Der Lonely Planet zum Beispiel empfiehlt in seinem Buch „Best in Travel 2022“ als Städte Auckland (Neuseeland), Taipeh (Taiwan) und immerhin auf Platz drei die grüne Uni-Stadt Freiburg.

Und das Magazin National Geographic zählte zu seinen 25 erstaunlichen Zielen für 2022 auch das Ruhrgebiet: „Mieten Sie in Essen ein Fahrrad für eine autofreie Ruhrtalfahrt auf Radwegen, von denen viele früheren Bahngleisen folgen. Oder erkunden Sie zu Fuß den neuen 150 Kilometer langen Hohe-Mark-Steig, einen Trekkingpfad.“ Ruhrgebiet? Der Reisende sucht das Außergewöhnliche. Nord- und Ostsee kann ja jeder.


Neue Bringdienste

In den USA entstanden Pizzaservices schon in den 60er Jahren und wurden Teil der Populärkultur. In den 90ern wurde das auch in Deutschland beliebter. In Amerika stieg man da schon vom Telefon langsam aufs Internet als Bestellweg um. Seit gut zehn Jahren läuft immer mehr über Apps. Seit den ersten Pizzataxis vor Jahrzehnten hat sich zunehmend eine Botenkultur entwickelt, die in der Corona-Zeit neue Höhepunkte erreicht hat.

„Sie tragen kein Restaurantessen auf ihren urbanen Schultern, sondern Lebensmittel. Onlinesupermärkte sind das neue große Ding der Start-up-Szene“, lästerte im letzten Jahr die taz und meinte: „Die Dienstbotifizierung macht vor nichts halt.“ Die Frage ist, was bringen Billiglöhner als nächstes an unsere Haustüren? 


Und sonst? 

Algen werden zunehmend bei der Ernährung eine Rolle spielen. Alle werben mit „Nachhaltigkeit“ (auch wenn 80% davon Greenwashing ist). „Regionalität“ bleibt ein Zugpferd, auch wenn keiner so genau weiß, was damit eigentlich gemeint ist. Der Bio-Anteil an Lebensmitteln wird weiterwachsen, in der Menge auf Kosten der Qualität. Genusshandwerk und gehobene Gastronomie bleiben wichtige Nischen, die zeigen, was eigentlich möglich wäre, wenn man die Herstellung von Nahrungsmitteln und Essen als menschliche Kulturleistung betrachten würde. Auf ein genussvolles 2022.