Jens Mecklenburg

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Von Panikmache bis Pleitewelle

Die aktuellen Corona-Entwicklungen im Überblick
20. April 2020

Im Gastgewerbe wird eine Pleitewelle erwartet. Steakhaus-Gründer Eugen Block spricht von Panikmache. In vielen Ländern versucht man sich Corona schön zu trinken. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick. 

Pleitewelle im Gastgewerbe erwartet

Im deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe droht wegen der Corona-Krise nach Darstellung der Branche etwa jedem dritten Betrieb die Pleite. Rund 70 000 Hotel- und Gastronomie-Betriebe stünden vor der Insolvenz, warnte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) am Sonntag. Den gut 223 000 Betrieben gingen bis Ende April rund 10 Milliarden Euro Umsatz verloren.

„Ohne zusätzliche staatliche Unterstützung steht jeder dritte Betrieb vor der Insolvenz“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA Ingrid Hartges.

Die Bundesregierung stellte den von der anhaltenden Schließung besonders betroffenen Hoteliers und Restaurantbetreibern finanzielle Unterstützung in Aussicht.

Die Lockerungen für andere Bereiche ohne Perspektiven für die Gastronomie bezeichnete Hartges als große Enttäuschung. „Wir mussten als Erstes schließen und werden wohl auch mit am längsten zu leiden haben.“ Der Verband fordert eine verantwortungsvolle Öffnung von Restaurants und Cafés, die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent und einen staatlichen Rettungs-Fonds mit Direkthilfen für Betriebe, ähnlich der Dürre-Hilfen für Landwirte 2018.

Eine Mehrwertsteuersenkung von 19 Prozent auf 7 Prozent fordert der DEHOGA seit Jahren. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder pocht ebenfalls auf eine Mehrwertsteuersenkung. Die CSU will dies im Koalitionsausschuss ansprechen und startete eine eigene Kampagne.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellt Hilfen in Aussicht. „Natürlich schauen wir genau, ob und wo wir gezielt weitere Hilfen benötigen. Wir haben vor allem jene Branchen im Blick, für die es noch nicht so schnell wieder losgeht. Das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört sicherlich dazu“, sagte Scholz der „Welt am Sonntag“.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“: „Und klar ist, wir werden hier auch zusätzliche Hilfen benötigen, damit nicht ein Großteil der Unternehmen aufgibt und vom Markt verschwindet“. Altmaier nannte die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent einen „Vorschlag, der eine sorgfältige Prüfung verdient“: „Ich könnte mir aber auch konkrete Hilfen bei Modernisierungen und Kosteneinsparungen vorstellen.“

Aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) muss sichergestellt sein, dass von Hilfen auch Arbeitnehmer profitieren. Die Mitarbeiter der seit Wochen geschlossenen Betriebe müssten meist mit dem Kurzarbeitergeld von 60 Prozent des letzten Nettolohns auskommen. Anders als andere Arbeitgeberverbände habe sich der Dehoga geweigert, über Tarifverträge eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu vereinbaren, kritisierte NGG-Chef Guido Zeitler.

Eine schnelle und unbürokratische Hilfe zur Krisenbewältigung im Gastgewerbe könne die von der Hans-Böckler-Stiftung vorgeschlagene zeitweilige Aussetzung der Mehrwertsteuer sein. Die bereits seit Jahren vom Dehoga geforderte dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent lehne die NGG dagegen weiterhin ab: „Es muss jetzt um Akutmaßnahmen gehen – eine ganze Branche auf Dauer von der Steuerlast zu befreien, wäre falsch“, sagte Zeitler.

Die Linke im Bundestag spricht sich für eine Ausweitung der staatlichen Soforthilfen für kleine Firmen und Selbstständige aus, um auch deren Lebenshaltungskosten aufzufangen. Nur so lasse sich eine Pleitewelle bei kleinen Unternehmen wie Kneipen, Restaurants und Cafés verhindern, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag). Auch die Grünen plädieren für eine Ausweitung der Hilfen auf Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. „Die Bundesregierung muss Hotels und Restaurants so unterstützen, dass Betriebe, die vor der Krise gut aufgestellt waren, nach der Krise noch existieren“, sagte Wirtschaftsexpertin Katharina Dröge der Funke Mediengruppe.

Aus Sicht des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Christian Dürr, sollten unter Vorgaben zur Hygiene und Zugangsbegrenzung auch Gastronomen ihre Geschäfte wenigstens wieder teilweise öffnen dürfen. Statt Steuern vorauszahlen, sollten Unternehmen eine sofortige Liquiditätsspritze vom Finanzamt bekommen. Der zweite Schritt wäre eine nachträgliche Steuersenkung.

v.l. Jens Mexer Odenwald und Eugen Block © S. Giral


Steakhaus-Gründer Eugen Block will sein Geld zurück

Der Hamburger Gastro-Unternehmer Eugen Block hat die Bundesregierung massiv für ihre Corona-Politik kritisiert. „Die Herrschaften haben angstgetrieben Panik gemacht“, sagte er dem „Spiegel“. „Ich warte immer noch auf den seit langem angekündigten Corona-Peak. Noch immer stehen die Krankenhäuser halb leer“, monierte der 79-jährige Gründer und Mehrheitsgesellschafter der Restaurantkette Block House. „Mit den entstehenden Kosten hätte Herr Spahn seine Intensivabteilungen verdoppeln können. Nein, er muss das ganze Volk wegsperren und das Leben auf den Kopf stellen.“

Schon zu Beginn der Coronakrise ließ Block über seinen Geschäftsführer Stephan von Bülow mitteilen, dass er vom Krisenmanagement der Bundesregierung wenig hält: Die Schließungen von Restaurants und Hotels seien „eine Enteignung“, sagte der Steakhaus-Gründer Anfang April dem „Hamburger Abendblatt“. Bereits im März habe er Briefe verschickt, an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Finanzminister Olaf Scholz (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und das Robert Koch-Institut. „Ich habe klargemacht, dass das totale Einstellen des öffentlichen Lebens zum wirtschaftlichen Niedergang führt.“ Dem Finanzminister habe er geschrieben, wie viel er in diesem Jahr bereits verloren habe, so Block – und er werde versuchen, sich das entgangene Geld von der Regierung zurückzuholen.

Block sagte, er selbst habe keine Angst vor dem Coronavirus, obwohl er mit seinen 79 Jahren zur Risikogruppe gehöre: „Fangen Sie nicht auch noch an mit der Panikmache! Dann sterbe ich eben drei Tage früher, na und? Ich habe Gottvertrauen. Ich gehe danach zum liebenden Gott.“

Stephan von Bülow, Geschäftsführer der Block-Gruppe, sieht die Lage anders als sein Chef. „In dieser Krise muss jeder seinen Beitrag leisten“, sagte er dem „Spiegel“.  

Protest mit leeren Stühlen

Mit leeren Stühlen vor der Frauenkirche haben Gastronomen in Dresden Alarm geschlagen und für Aufsehen gesorgt. Der „Leaders Club“ will aus der Idee eine bundesweite Protestbewegung machen. Am 24. April soll die Aktion starten.

Hunderte leere Stühle und eine festlich gedeckte Tafel ohne Gäste vor der Dresdner Frauenkirche – Gastronomen aus ganz Sachsen hatten am Freitag auf ihre prekäre Situation im Zuge der Corona-Pandemie aufmerksam gemacht. „Jeder Stuhl steht für einen Gastronom“, mahnte die Interessengemeinschaft Sächsischer Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter, die den „Hilferuf“ organisierte. In einem dabei übergebenen Brief an Regierung und Landtag mahnen die 530 Unternehmer mit über 20 000 Mitarbeitern: „Unsere sächsische Gastronomie steht vor dem Aus.“. Sie bitten um Gespräche, Förderungen, Zuschüsse und Lösungen für „den Ausstieg aus dieser Misere“.

Der „Leaders Club“ ein Zusammenschluss großer Gastronomen in Deutschland will aus den „leeren Stühlen jetzt eine bundesweite Kampagne machen.


Den nordischen Sommer noch nicht abgeschrieben

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat das touristische Sommergeschäft noch nicht abgeschrieben. Er setze „große Hoffnungen auf den Tourismus in seinem Bundesland in den Sommermonaten“, sagte Günther in einem Interview der ARD-Sendung Bericht aus Berlin.

In einem ersten Schritt solle wieder der Aufenthalt in Zweitwohnungen möglich sein, die derzeit nicht betreten werden dürfen. Danach seien die privaten Vermietungen und dann die Hotels an der Reihe. In einem letzten Schritt würden dann auch Tagestouristen wieder zugelassen.

Zumindest in den ersten Phasen der Öffnung des Tourismus wird es nach seinen Worten aber Kontrollpunkte an den Stränden geben müssen, damit sich dort nicht zu viele Menschen gleichzeitig aufhalten.

Mehr Kurzarbeitergeld

Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil hat sich für eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes in der Corona-Krise ausgesprochen. „Nicht nur für Geringverdiener, auch für Facharbeiter bedeutet Kurzarbeit einen erheblichen Einbruch. Miete und Rechnungen müssen ja weiterbezahlt werden. Deswegen suchen wir in der Regierung und mit den Sozialpartnern intensiv nach einer Lösung“, sagte der SPD-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Kurzarbeit gilt in Politik und Wirtschaft als probates Mittel für Unternehmen, um einige Wochen oder Monate der Flaute zu überbrücken, ohne Mitarbeiter entlassen zu müssen. Die Beschäftigten erhalten dann 60 Prozent – mit Kindern 67 Prozent – des Nettoverdienstausfalles. In einigen Branchen stocken die Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld aber nach tariflichen Vereinbarungen auf.

Aus der Politik waren zuletzt Forderungen laut geworden, das Kurzarbeitergeld als staatliche Leistung zu erhöhen – nach Wunsch der Grünen auf bis zu 90 Prozent des Nettoausfalls bei kleineren Einkommen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die CDU-Arbeitnehmerorganisation CDA hatten Forderungen zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes erhoben.

Die Forderung des DGB, die staatlichen Zuschüsse von 60 auf 80 Prozent der Nettoeinbußen (87 Prozent bei Arbeitnehmern mit Kindern) für die Monate Mai, Juni und Juli aufzustocken, nannte Heil nach Angaben des Blattes „plausibel“. 

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi warnte vor wachsender Armut durch Kurzarbeit und forderte ebenfalls eine höhere Leistung. Insbesondere in Branchen wie der Gastronomie und in Friseursalons, wo Beschäftigte zum Teil auch von den Trinkgeldern lebten, sei die Not zum Greifen, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der „Augsburger Allgemeinen“: „Hier besteht die Gefahr, dass Menschen millionenfach in das Hartz-IV-System reinrutschen.“

„In einem neuen Corona-Rettungspaket für das Gastgewerbe muss sichergestellt sein, dass nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer profitierten“, sagte Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zur aktuellen Forderung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) nach weiterer finanzieller Unterstützung. 

Die Mitarbeiter der seit Wochen geschlossenen Betriebe müssten meist mit dem Kurzarbeitergeld von 60 Prozent des letzten Nettolohns auskommen. Bei den in der Branche ohnehin niedrigen Löhnen sei die Corona-Pandemie für die Betroffenen „längst eine finanzielle Katastrophe“. Zeitler konkret: „Einer Köchin in Berlin bleiben noch etwa 900 Euro zum Leben – das reicht einfach nicht aus.“

Nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig für eine rasche Anhebung des Kurzarbeitergeldes aus.


Sich Corona schön trinken

In Russland ist nach Angaben unterschiedlicher Umfrageinstitute der Verkauf von Wodka zeitweise um ein Vielfaches nach oben geschossen. Besorgt über diese Entwicklung äußert sich etwa Sultan Chamsajew von der Organisation „Nüchternes Russland“: „Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses gefährliche Virus nun die Ursache für andere Krankheiten wird.“ In dem Land gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, das Alkoholproblem in den Griff zu bekommen. Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow scheiterte einst kläglich mit einer Kampagne, und viele Russen nehmen ihm die Verbote bis heute übel.

Die Deutschen kaufen in der Corona-Krise nicht nur Klopapier sondern auch mehr alkoholische Getränke. Von Ende Februar bis Ende März gingen gut ein Drittel mehr Weinflaschen über die Ladentheken als im gleichen Zeitraum 2019, wie der Nürnberger Marktforscher GfK herausgefunden hat. Auch bei klaren Spirituosen wie Gin oder Korn beträgt die Steigerung 31,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings geben die Experten zu Bedenken: Die Zuwächse im Einzelhandel stehen Umsatzverlusten in der Gastronomie gegenüber. Wer nicht im Restaurant oder in der Bar trinken kann, tut es also womöglich einfach zu Hause.

In Südafrika gehen Politiker jedoch genau diesen Weg: Im Kampf gegen das Coronavirus geht ein landesweites Alkohol- und Tabakverbot einher mit einer strengen, fünfwöchigen Ausgangssperre. Dort kommt es immer wieder zu Plünderungen in Alkoholläden. Menschen – junge wie auch ältere – räumten ganze Geschäfte aus. Und auch der Schwarzmarkt blüht: Restbestände von Wein, Whiskey oder Zigaretten sollen per Chat-Gruppen illegal und überteuert angeboten werden. 

Der Schwarzmarkt blüht laut Medienberichten auch in Indien, wo Alkoholgeschäfte und Bars in weiten Teilen des Landes geschlossen bleiben.

Im schwer vom Coronavirus getroffenen Frankreich will man hingegen nicht auf ein Alkoholverbot setzen. Der Apéro mit einem Glas Wein gehört in dem Land schließlich zum Kulturgut. Die Alkoholverkäufe in Supermärkten gingen in den ersten zwölf Tagen nach Einführung der Ausgangssperre jedoch um gut 16 Prozent zurück, wie eine Anfang April veröffentlichte Studie des Markforschungsinstituts Nielsen zeigte. Besonders betroffen davon war demnach Champagner – die Verkaufszahlen seien in dem Zeitraum um 52,5 Prozent gesunken.

Auch im Nachbarland Spanien gibt es keine Maßnahmen der Regierung, den Alkoholkonsum einzudämmen. In den Metropolen Madrid, Barcelona und Sevilla ist unter anderem der beliebte Aperitivo in Kneipen nicht mehr möglich und dürfte dafür eher zu Hause getrunken werden. Nach einer Studie der Fachzeitschrift Inforetail von Anfang April kletterten die Verkaufszahlen beim Bier damals innerhalb von nur einer Woche um fast 80 Prozent, bei Wein um gut 60 Prozent.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte im Übrigen davor, dem Alkohol eine Schutzwirkung gegen das Virus zuzuschreiben. Diesen „gefährlichen Mythos“ gebe es weltweit. Es sei falsch zu glauben, „dass der Konsum von hochprozentigem Alkohol das Virus abtöten kann. Das tut er nicht.“ Ganz im Gegenteil: Der Alkoholkonsum schwäche das Immunsystem und werde zudem mit einer Reihe von Erkrankungen in Verbindung gebracht, die eine Person anfälliger für Covid-19 machen könnten.