Johanna Rädecke

Redakteurin

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Unterschiedliche Reaktionen auf Hamburger 2G-Option

30. August 2021

In Hamburg zeichnet sich ein geteiltes Echo auf das seit Samstag mögliche 2G-Modell in der Corona-Pandemie ab. Während einige Kneipen, Restaurants und vor allem Clubs das Angebot begrüßen, lehnen es andere eher ab. „Die meisten meiner Gäste sind geimpft und warten nur darauf, dass sie wieder drinnen sitzen können“, sagte Andreas Neumann, Geschäftsführer der Gaststätte Hardy’s in Hamburg-Hoheluft, der Deutschen Presse-Agentur. Er werde daher ab Oktober auf 2G umstellen, wenn alle seine Mitarbeiter geimpft sind. Mit dem neuen 2G-Modell könnten dann mehr als doppelt so viele Gäste in der Fußball-Kneipe Platz finden.

Ingo Wandmacher: Strassengastronomie
©Ingo Wandmacher

Das seit Samstag in Hamburg geltende 2G-Optionsmodell ist bislang bundesweit einmalig. Veranstalter und Wirte können damit selbst entscheiden, ob sie nur Geimpfte und Genesene einlassen, die dann weitgehend von den Corona-Einschränkungen befreit sind, oder ob sie weiter das 3G-Modell nutzen wollen – also auch aktuelle Tests akzeptieren. Wer mitmachen möchte, muss sich über eine Webseite anmelden. Bürgermeister Peter Tschentscher hatte die Entscheidung des Senats damit begründet, dass Geimpfte und Genesene im Vergleich zu den Ungeimpften keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen hätten.

Andere Gastronomen, darunter die Promiköche Steffen Henssler und Tim Mälzer, wollen ihre Restaurants weiter für alle Gäste offen lassen. Ähnlich sieht die Situation in der Clubszene und auf der Reeperbahn aus. Während Olivia Jones, die einige Bars auf dem Kiez betreibt, auf Instagram darauf hinweist, dass das 2G-Modell nur eine Alternative ist, die für viele Gastronominnen und Gastronomen aktuell aber keine Option sei, freuen sich andere über die neuen Möglichkeiten. „Nur mit einer vollen Auslastung funktioniert es für uns wirtschaftlich“, sagt Julius Horn von der Bar Freundlich + Kompetent in Hamburg-Barmbek.

Hamburg geht im Umgang mit Geimpften und Genesenen einen Sonderweg. Mit einem bislang bundesweit einmaligen 2G-Optionsmodell ermöglicht der rot-grüne Senat der Hansestadt Veranstaltungen seit Samstag fast ohne Corona-Auflagen – sofern nur Geimpfte und Genesene sie besuchen. Für Ungeimpfte wird die Luft in Hamburg derweil dünner.


Was ist das 2G-Modell?

Das 2G-Optionsmodell für Geimpfte und Genesene ist eine Ergänzung des bestehenden 3G-Modells für Geimpfte, Genesene und Getestete. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Modellen besteht darin, dass beim 2G-Modell für Veranstalter und Gäste kaum noch Corona-Einschränkungen gelten. Denn wenn sich ausschließlich Geimpfte und Genesene auf einer Veranstaltung, in einem Club oder in einem Hotel treffen, besteht nach Ansicht des Senats ein so geringes Infektionsrisiko, dass Lockerungen möglich sind. Anders ist das beim von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen und seit dem 23. August gültigen 3G-Modell: Da dieses auch Getestete – also in der Regel Ungeimpfte – umfasst, gelten teils strenge Corona-Einschränkungen. Veranstalter konnten zwar bislang auch schon ein 2G-Modell nutzen, allerdings ohne die Lockerung der Corona-Einschränkungen.


Was ist das Ziel der Neuregelung?

Juristisch betrachtet will Bürgermeister Peter Tschentscher nach mehr als einem Jahr voller Einschränkungen nun dem Grundgesetz wieder zu seinem Recht verhelfen, etwa bei der Berufs- und Gewerbefreiheit. Er sagt: „Beschränkungen müssen verhältnismäßig sein und dürfen nur so lange erfolgen, wie sie zur Pandemiebekämpfung nötig sind.“ Politisch will er aber auch den Druck auf die Ungeimpften erhöhen. Nach dem Motto: Je weniger sie am sozialen Leben teilhaben können, desto mehr entscheiden sich dann vielleicht doch noch für eine Impfung. Auch beim 3G-Modell wird es für Ungeimpfte spätestens am 11. Oktober ungemütlicher, denn dann müssen Corona-Tests selbst bezahlt werden.


Wer kann das 2G-Modell in Anspruch nehmen?

Der Senat hat dazu eine lange Liste erstellt, die beinahe das gesamte gesellschaftliche Leben betrifft. Sie reicht von Gaststätten, Clubs und Hotels, geht über Theater, Kinos, Museen und Konzertsäle und endet noch nicht bei religiösen Veranstaltungen, Messen, touristischen Rundfahrten und Volksfesten. Denn unter anderem ist auch der Sport betroffen. Die 2G-Regelung ist danach auch bei Sportanlagen, in Fitnessstudios, Schwimmbädern und Saunen sowie bei Sportveranstaltungen vor Publikum möglich.


Welche Lockerungen bietet das 2G-Modell?

Unter anderem Restaurants, Kneipen, Kinos, Theater, Museen und Zoos können ihre Einrichtungen wieder voll nutzen. Wenn sie nur Geimpfte und Getestete einlassen, gibt es keine Kapazitätseinschränkungen mehr. Auch das Abstandsgebot und die Testpflicht in geschlossenen Räumen sind dann aufgehoben. Für die Gastronomie vor allem in den Partyvierteln wie auf dem Kiez in St. Pauli und im Schanzenviertel besonders wichtig dürfte zudem die Aufhebung der Sperrstunde von 23.00 bis 6.00 Uhr sein. Hinzu kommt: Statt 50 dürfen drinnen dann 150 Menschen tanzen, draußen sind es 750. Bei Sportveranstaltungen mit Publikum verdoppelt sich die Personengrenze in Innenräumen auf 1300 und im Freien auf 2000. Die Maskenpflicht bleibt jedoch bestehen.


Wer kontrolliert das Einhalten der Spielregeln beim 2G-Modell?

Das müssen die Veranstalter, Gastronomen und Anbieter selbst machen. Sie sind dafür verantwortlich, dass jeder Gast vor Betreten der Einrichtung seinen Impfbeleg oder Genesenennachweis digital oder in Papierform sowie einen Personalausweis oder Pass vorlegt. Wird das missachtet, drohen Bußgelder zwischen 1000 und 20 000 Euro. Außerdem kann eine weitere Teilnahme am 2G-Modell untersagt werden.


Gibt es Ausnahmen?

Nein. Wegen des Infektionsrisikos sind grundsätzlich alle Ungeimpften – auch jene, die sich wegen einer Schwangerschaft oder sonstigen medizinischen Gründen gar nicht impfen lassen können – von 2G-Veranstaltungen ausgeschlossen. Einzige Ausnahme sind Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahre. Weil sie sich noch nicht lange impfen lassen können, dürfen sie vorerst auch ungeimpft in 2G-Locations. Bürgermeister Tschentscher hat aber bereits angekündigt, dass diese Möglichkeit für die 12- bis 17-Jährigen in voraussichtlich sechs Wochen ausläuft.


Werden viele beim 2G-Modell mitmachen?

Das ist unklar, denn es gibt auch viel Kritik. Einige werfen dem Senat vor, nicht nur eine Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen, sondern die Verantwortung dafür auch noch auf die Veranstalter abzuschieben, die das Ganze ja kontrollieren sollen. Auch arbeitsrechtlich mache 2G Probleme, da das Modell nur dann angewandt werden darf, wenn auch alle dort eingesetzten Beschäftigten geimpft oder genesen sind – was oft nicht der Fall sei und vom Arbeitgeber aus datenschutzrechtlichen Gründen auch gar nicht abgefragt werden dürfe. Aus der Hotellerie wiederum kommen Bedenken, weil viele Gäste Monate im Voraus gebucht hätten und ja nicht einfach vor die Tür gesetzt werden könnten, wenn sie nicht geimpft seien. Ähnliche Bedenken kommen aus der Kultur.


Führt das 2G-Modell zu einer Impfpflicht durch die Hintertür?

Der Deutsche Ethikrat meint: Nein. „Eine Pflicht ist etwas, dem man sich nicht entziehen kann“, sagte dessen Vorsitzende Alena Buyx dem Hörfunksender NDR Info. Das sei hier nicht der Fall. Stattdessen werde „Druck aufgebaut, um es attraktiver zu machen, sich und andere zu schützen“. Aus ethischer Sicht sei das 3G-Modell besser, weil es mehr Teilhabe biete. Wenn sich die Situation aber weiter verschlechtern würde, sei 2G ethisch vertretbar, wenn damit maßvoll umgegangen werde. „Man sollte vorher alles andere ausgeschöpft haben.“ Wichtig sei zudem, vorab zu überdenken, welche Bereiche betroffen seien. „Die Disco ist nicht der Sportverein und auch nicht der Behördenbesuch.“