Ungefähr dort, wo jetzt seine Küche steht, lag Sebastian Hamester wochenlang im Krankenbett und grübelte, wie sein Leben weiter gehen sollte. Heute ist er Küchenchef im Strandhotel Fontana am Timmendorfer Strand – die Geschichte eines Küstenkochs aus Leidenschaft.
Ungefähr dort, wo jetzt seine Küche steht, lag Sebastian Hamester wochenlang im Krankenbett und grübelte, wie sein Leben weiter gehen sollte. Als die Entscheidung fiel, griff sie tief ins Familienleben: Hamester beschloss, seiner Leidenschaft zu folgen und Koch zu werden. Sein Vater, der mit ihm als Nachfolger in seiner Versicherungsagentur gerechnet hatte, musste umdenken. Und seine Mutter begann, Pläne zu schmieden, ganz allmählich, fast noch unbewusst. Ehefrau Julia machte klar, sie würde mit von der Partie sein. Heute strahlen alle, sie haben es geschafft: Das „Strandhotel Fontana“ an Timmendorfs Promenade eröffnete und hat sich schnell etabliert. Dazu gehört das Gourmetrestaurant „Horizont“ – Küchenchef ist Sebastian Hamester.
Vom Versicherungskaufmann zum Gourmetkoch
Der 37jährige grinst fast ein wenig entschuldigend: „Ich habe immer gern gekocht. Für die Familie, für Freunde, einmal ein Acht-Gänge-Menü für 20 Personen. Die feierten eine Geburtstagsparty, ich stand in der Küche.“ Auch, wenn der Vater an der Entscheidung seines Sohnes zu kauen hatte – so ganz unschuldig war er daran nicht. „Er kocht selbst gern. Seine Tomatensoße ist fabelhaft und sein Gänsebraten ist der einfach der beste“, sagt Hamester. Die Familie liebte immer schon gutes Essen, zuhause, auf Reisen, in schönen Restaurants. „Das gab mir ein Gefühl für die Zutaten und die Zubereitung.“
Dennoch entschied sich Hamester nach der Schule und nach einem Aufenthalt in Boston: „Ich lerne Versicherungskaufmann und übernehme Vaters Betrieb.“ So geschah es. Nach der Lehre schob er ein BWL-Studium in Kiel nach, wo er seine spätere Frau kennen lernte. Er selbst kochte vergnügt als Hobby. 2006 hatte seine Mutter an Timmendorfs Strandallee ein „Hotelchen“ mit einer Handvoll Zimmer gekauft, ein kleines Wohnhaus daneben. Genau dort beschloss ihr Sohn, sein Leben zu ändern nach einem schweren Autofall.
Die Lehre begann bei Karlheinz Hauser auf dem Süllberg, dessen Gourmet-Restaurant zwei Sterne im Michelin schmücken, der ein Bistro betreibt, Feste ausrichtet im großen Ballsaal für hunderte von Gästen und auf die Terrasse im Winter eine Almhütte stellt und im Sommer eine schicke Grillstation. „Ich war schnell geerdet,“ sagt Hamester und lacht. „Da lernt man rasch, was Arbeit heißt“, sagt Hamester, „auch was Hierarchie bedeutet. Aber 16 Stunden in der Küche sind für mich schöner als acht Stunden im Büro.“ Hamesters Augen glänzen. „Ich habe unglaublich viel gelernt.“
Weil die Familie im Osten Hamburgs lebte und der Weg in den Westen zu viele Stunden in Anspruch nahm, schloss er die Lehre im „Lenz“ in Duvenstedt ab. Die asiatische Küche faszinierte den spät Berufenen, Reisen nach Asien vertieften die Liebe, die schließlich in einer Ausbildung beim bekannten Sushi-Meister Toshi in Los Angeles gipfelte. Wo Steffen Henssler gelernt hatte, konnte Hamester nicht falsch liegen. Eine üppige Karte für Sushi und Sashimi gehört heute zum Angebot im „Horizont“, dass nur abends geöffnet ist, und das nicht nur für Hotelgäste.
Norddeutsch bis Japanisch
Die Beschäftigung mit japanischen und vietnamesischen Gerichten war prägend. Hamesters Teller sind hübsch gestaltet, ohne an Ikebana zu erinnern. Die Portionen von Fisch, Fleisch, Gemüse, Soße sind nicht klein. Am Ende des Abends steht der Gast zufrieden auf, aber nicht vollgestopft, denn etwas fehlt: die Sättigungsbeilage. Die kann man extra bestellen: Pommes frites oder Bratkartoffeln zum 300 Gramm starken Entrecôte, das mit Sauce Béarnaise kommt oder mit Kalbsjus, Selleriepüree oder Jasmin-Reis zum Fisch. Der gebratene Steinbeißer mit Schlangenbohnen, Buchenpilzen und Hollandaise macht aber auch glücklich ohne Kartoffelpüree oder Edamame, diese leckeren Kerne der unreifen Sojabohne.
Die Karte ist verständlich. Die „Makrele nordisch“ steht mit Gurke süß & sauer, Meerrettich und Buttermilch auf der Karte, unter Zitronengras-Currycappuccino kann man sich etwas vorstellen ebenso wie unter „Geräuchertem Kabeljau“ mit Erbsenpüree, Nussbutter, Quinoa und Räucherfischfond. Serviert werden aber durchaus raffinierte und aufwendig zubereitete Speisen, die mariniert, pochiert, gebeizt oder geflämmt werden. Wenn dann Chicken Teriyaki auf der Karte steht, weiß man, es geht um gut gewürztes Geflügel, aber im Gegensatz zu den unübersichtlichen Gerichten mit zerschnibbeltem Huhn in undefinierbarer, meist recht salziger Flüssigkeit, die es gern am Schnellimbiss gibt, schickt Hamester hier die pure Köstlichkeit auf den Tisch: Würzig, leicht, aromatisch, und, begleitet von verschiedenen Karotten in unterschiedlicher Farbe, auch noch hübsch anzusehen.
Nachhaltiger Tüftler
Hamester ist auch ein Tüftler. „Wir versuchen, aus allem noch das letzte rauszuholen. Das ist energie- und geldschonend.“ Zwiebelschalen und Strünke werden nicht weggeworfen sondern im Kombi-Dämpfer getrocknet. „Die werden dann beim Räuchern im Green Egg, einem Grill- und Räucheröfchen für drinnen, auf die Kohle gelegt. Das spart den Kauf von Holzspänen und gibt ein feines Aroma.“ Eine Sellerieknolle wird komplett verwertet: Erst im Salzteig gebacken, dann das weiche Innere ausgehöhlt und mit Nussbutter (Braune Butter) gemixt als Beilage verwendet. Die Schale wird getrocknet und frittiert, bis sie zum knusprigen Chip wird, der dann zum Beispiel geschmorte Kalbsbäckchen begleitet. „Ich liebe Schmorgerichte.“ (Was er gar nicht mag: Rosinen! Und Tofu. „Selbst der Beste und Feinste schmeckt immer nach Wellpappe.“)
Nachdem Hamester sich noch bei Jens Rittmeyer, ein Stern im Michelin, im Hörnumer Hotel „Budersand“ alles aufgesogen hatte, was man mit Gemüse machen kann, von Dörren bis Räuchern, kehrte er nach Timmendorf zurück. Die Eltern hatten beschlossen, ihr Wohnhaus aufzugeben und an seine Stelle einen adretten, weißen Neubau zu stellen mit kleinem Wellnessbereich und einem richtigen Restaurant. Lange hatte es nur Frühstück im „Fontana“ gegeben. Nun ist ihr Sohn sein eigener Herr, während Mutter und Ehefrau in großartiger Eintracht das Hotel ausgestattet haben und es mit Liebenswürdigkeit, Geschmack und guter Laune führen.
Für den Gast gibt es noch ein Schmankerl: Direkt gegenüber, zwischen Promenade und Ostsee, liegt das reetgedeckte „Milchhäuschen“, das zum „Fontana“ gehört, früher eine Frittenbude, jetzt ein kleiner, feiner Imbiss. Da gibt’s saftige Burger, Ceasar’s Salad (Croutons sind selbst gemacht!), extra leckere Currywurst mit hausgemachter Soße und Trüffelmayo zu den Kartoffelstäbchen sowie einer feschen kleinen Weinkarte. Eine nette Abwechslung.