Gisela Reiners

Journalistin

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Köche am Meer – Gunter Ehinger

Kreativ, offen, exakt aber nicht verbissen
30. Januar 2020

Erstveröffentlicht am 17. September 2019

Köche müssen bei ihrer Arbeit viel stehen. Da erstaunt es ein klein wenig, wenn Gunter Ehinger einen Sitz ablehnt. Der Grund: „Ich muss viel organisieren. Das geht nur vom Schreibtisch aus.“ Der Küchenchef im Hotel „Gran Belveder“ in Scharbeutz betreut nicht nur seine mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Gourmet-Küche, sondern auch noch das Restaurant des Hotels, das der Ostsee Therme, die zum Haus gehört plus Snackbar, das Steakhaus „Sol y Mar“ und an der Promenade das „Dünenhaus“, einen Imbiss-Tempel. Organisieren liegt Ehinger im Blut und das Optimieren von Abläufen ist seine Leidenschaft.

Küchenchef Gunter Ehinger
Gunter Ehinger – Küchenchef im Hotel „Gran Belveder“ in Scharbeutz; © Hotel Gran Belveder

Organisationstalent

Diese Neigung ist absolut notwendig, wenn man sich Gerichte ausdenkt wie das „Schulterscherzel mit Paprikapesto“. Wenn man da nicht akkurat arbeitet, nicht genau weiß, wann man mit dem Schmoren beginnen muss und dann ans Kurzbraten gehen kann, bekommt man leicht zwei zähe Stücke Fleisch heraus. Und wenn man nicht richtig plant, was für welches Gericht wann eingekauft werden muss und in welcher Menge, ist leicht Ebbe im Kühlraum oder es verdirbt eine Menge. Deshalb ist es schon ein Puzzlespiel für vier bis fünf Futterkrippen am Ostseestrand zu planen, einzukaufen, zu kochen und zu servieren, vor allem, wenn die Bandbreite zwischen Imbiss und Feinschmecker-Restaurant liegt. Hat der Imbiss eine Handvoll Plätze so finden im Hotelrestaurant bis zu 100 und in der Gourmetabteilung gerade mal 20 Gäste Platz.

Der 44 Jahre alte Dresdner Gunter Ehinger, Sohn einer Ärztin und eines Ingenieurs, wollte Archäologie studieren, hätte aber jahrelang auf einen Platz warten müssen. Verwöhnt vom heimischen Essen fand er Koch als erstrebenswerten Beruf. Er lernte im heutigen „Hilton“ an der Frauenkirche, „damals das erste Haus am Platze“, sagt er und grinst ein bisschen. 1990 war es mit der Koch- und Esskultur in Sachsens Hauptstadt noch nicht allzu weit her. Also nach Ausbildung und Zivildienst ab in den Westen, in den „Deidesheimer Hof“, ins „St. Urban“, das Lokal fürs Deftige. „Da wurde sehr gut gekocht, mit hervorragenden Produkten, aber es zählte doch die große Menge an Saumagen, Leberknödeln und Pfälzer Liebling, einer Leberwurst. Da habe ich schon gelernt, wie so eine Küche organisiert sein muss.“

Doch die Station im Zweitrestaurant, dem „Schwarzen Hahn“, stillte mehr den Wissensdurst. „Da wurden Feinheiten zelebriert. Es gab nicht nur einen kleinen Räucherofen in der Küche, es wurden auch herrliche Soßen gekocht, es gab Artischocken und feine Ravioli, ganz zu schweigen von Gänsestopfleber und Steinbutt, Taube und Lachs. Mit solchen Produkten hatte ich noch nicht gearbeitet. Da musste man sehr präzise kochen, denn jedes Gericht soll ja immer genauso schmecken und aussehen wie am Vortag, egal, ob es für einen Gast gekocht wird oder für 10. Die Koordination der Abläufe fand ich schon faszinierend.“

Nach Stationen im Sulzburger „Hirschen“ in Baden (2 Sterne) und bei Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach (3 Sterne) im Rheinland ging es zurück in die Heimat: Zwei Jahre kochte Ehinger bei Stefan Herrmann (heute: bean & beluga, 1 Stern) im Restaurant „Caroussel“ des Bülow Palais im Dresdner Barockviertel. Aber es war noch nicht genug, in Heidelberg („die beste Schule“) machte er seinen Küchenmeister. Wichtiger aber für Ehingers Leben war Karlsruhe, wo er Küchenchef in den „Oberländer Weinstuben“ wurde: Er lernte seine Frau, eine Weißrussin, die Pädagogik studierte, kennen und bekam auch noch seinen ersten eigenen Stern.


Ein Sachse wurzelt im Dünensand

Irgendwie scheint er darauf hin gesteuert zu haben, ehrgeizig und exakt, aber doch kreativ und offen für Einflüsse, und nicht verbissen. „Ich sollte das Haus wieder auf einen guten Weg bringen“, sagt er. „Das ist geglückt und der Stern war die Anerkennung.“ Aber: „Man feilt ja immer an sich und muss sich weiterentwickeln.“

So folgte er dem Tipp eines Freundes und bewarb sich für das neu erbaute Hotel in Scharbeutz, das „Gran Belveder“, ein Vier-Sterne-Plus-Haus mit 70 Zimmern und 15 Suiten, vom Strand nur durch einen Fußweg getrennt. Es hat Bar und Beauty-Spa und ist – durch einen gläsernen (Bademantel-) Übergang – verbunden mit der Ostsee Therme, einem Spaßbad von 14 000 Quadratmetern mit rasanter Doppelrutsche, Saunagarten, Wildwasserkreisel und einer Dachterrasse mit Panoramablick auf die Lübecker Bucht.

Ehinger wollte mit seinem Zug nach Norden in ein völlig neues Haus selbst Akzente setzen. „Das reizte mich einfach. Da musste ich hin.“ Das Hotel öffnete im Juni 2008, Ehinger startete im August 2008 – ein kleines bisschen zu spät. Der Michelin-Führer für 2009 mit Erscheinungsdatum im Herbst hatte schon Redaktionsschluss. Aber bereits im Jahr drauf bekam Ehinger den Stern. Er lächelt und gibt zu: „Es war schon ein Ritterschlag.“ Inzwischen ist er fest verwurzelt im Dünensand: Das Ehepaar hat mittlerweile drei Kinder, der Stern wird jedes Jahr bestätigt.

Das Kochen mit regionalen Produkten findet Ehinger „toll“. Er bezieht zwar Wild vom Jäger aus der Umgebung, verschiedene alte Obstsorten aus dem Alten Land, Angler Sattelschwein vom Spezialschlachter und Bärlauch von einer Mitarbeiterin, selbst gepflückt. „Aber es ist auch eine Einschränkung.“ So verzichtet er nicht auf Jakobsmuscheln oder Carabinero, tief rote Riesengarnelen, Thunfisch und orientalische Gewürze im Couscous. Warum nicht alle Aromen ausnutzen? Das beflügelt die Kreativität.

Jetzt muss es gesagt werden: Ehinger sächselt. Er macht das auf so eine nette Art, dass man sich erinnert fühlt an den Dresdner Schauspieler Uwe Steimle, der von 1993 bis 2009 als alerter Jungspund Jens Hinrichs im „Polizeiruf 110“ zusammen mit einem altgedienten Kommissar (Kurt Böwe) ermittelte. Wie Steimle ist Ehinger eher zierlich, blond und hellhäutig. Kennt er Steimle? „Nicht persönlich.“ Als er erfährt, dass Steimle für den Audioguide des Grünen Gewölbes in Dresden, einer Kleinodiensammlung, eine Führung auf Sächsisch spricht, die sehr gut ankommt, und die fast so klingt, als würde Ehinger sie sprechen, muss er lachen und beschließt: „Da muss ich hin.“ Beim nächsten Familienurlaub. Und die Kinder, allesamt Norddeutsche, am Ostseeufer geboren, kommen mit.

Hotel Gran Belveder
© Hotel Gran Belveder

 

HOTEL GRAN BELVEDER

DiVa Gourmet
Strandallee 146
23683 Scharbeutz

Tel. 04503 / 3526 – 707
restaurant@belveder.de

www.hotel-belveder.de

 

Offen:
Mi. – Sa.: 18 bis 21 Uhr