Die Tafeln in Deutschland haben einen neuen, traurigen Rekord erreicht: Noch nie haben sie so viele Menschen versorgt. Aber sie können laut ihrem Vorsitzenden nicht auffangen, „was der Staat nicht schafft“.
Die Zahl der Bedürftigen, die sich Lebensmittel bei der Tafel holen, war noch nie so hoch wie zurzeit. „Seit Jahresbeginn verzeichnen wir einen Anstieg der Kundinnen und Kunden von 50 Prozent“, sagte der Vorsitzende des Dachverbands Tafel Deutschland, Jochen Brühl, der Düsseldorfer Rheinischen Post. Insgesamt kämen etwa zwei Millionen Menschen.
Die bundesweit rund 960 Tafeln verteilen an Bedürftige Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können. Zuletzt hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DWI) Ende September geschätzt, dass knapp 1,1 Millionen Menschen sich über die Tafeln versorgen würden. Es bezog sich dabei auf eine Umfrage aus dem Jahr 2020.
Tafel-Vorstand Brühl sagte, während die Zahl der Tafel-Kunden gestiegen sei, seien die Lebensmittelspenden zurückgegangen. „Rund ein Drittel der Tafeln sind so überlastet, dass sie Aufnahmestopps verhängen mussten“, sagte Brühl. Hilfesuchende Menschen wegzuschicken, sei für Helfer aber psychisch enorm belastend.
Staatliche Hilfen laut Brühl „unzureichend“ und zu spät
Auffällig seien die Einzelschicksale, so Brühl. „Die Menschen haben große Existenzängste und Sorgen, wie sie Lebensmittel, Wohnen, Heizen zahlen können.“ Die Tafeln könnten aber nicht auffangen, „was der Staat nicht schafft“. Die staatlichen Hilfen seien „unzureichend“ und kämen zu spät. „Menschen, die zu den Tafeln kommen, haben keine Reserven.“
Drei Viertel der Menschen, die Tafeln nutzten, leben nach der DIW-Umfrage von Grundsicherung. Viele seien von Armut bedroht und gesundheitlich beeinträchtigt. Besonders häufig nutzen Alleinerziehende und Paare mit Kindern die Tafeln. Ein Viertel der Menschen, die von den Tafeln profitierten, seien Kinder.
„Armutsbetroffene Menschen brauchen jetzt schnelle Hilfen“, sagte Brühl und appellierte auch an die Solidarität der Gesellschaft: „Wir sind ein reiches Land, wir können es schaffen, dass alle Menschen gut durch diesen Winter kommen.“