Jens Mecklenburg

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Tomate mit Schokolade und Wacholder

Die besten Köche Niedersachsens
8. November 2019

Tony Hohlfeld vom „Jante“ in Hannover, Markus Kebschull vom „Seesteg“ auf Norderney und Klaus Schunack vom „Iko“ in Osnabrück kürt die internationale Gourmet-Bibel Gault&Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2020 zu Aufsteigern des Jahres in Niedersachsen. Sie erkochen sich im Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 16 von 20 möglichen Punkten. Diese Note steht für einen „hohen Grad an Kreativität und Qualität“ und damit für jene Klasse, in der nach dem Verständnis des Guides Kochen zur Kunst wird. 

Küchenchef im Hotel Seesteg Norderney: Markus Kebschull. © Seesteg Norderney

In Hannovers „Jante“ loben die Tester: „Das schlicht als ‚Spinat, Krustentier, Eigelb, Rettich‘ annoncierte Gericht entpuppt sich als nur ganz kurz flambierter Hummerschwanz mit anblanchiertem Spinat in einer Pilzvinaigrette, geriebenem Rettich und superber Eigelb-Sauce. Der in Ochsenmarkfett gegarte Riesenchampignon bekommt von Sauerampfer und Apfel die Säure, von Haselnusscreme die Süße und von Petersilienschnee die Würze zum Edelpilz.“ Auf Norderney „beeindruckte, mit welcher Sorgfalt die ohne jede Effekthascherei oder verspielte Tellermalerei zubereiteten Gerichte kommen, die südfranzösisch-köstliche, großzügig bestückte Bouillabaisse ebenso wie der schottische Loch Duart-Lachs mit Imperialkaviar, grünem Spargel und Blutorangen-Hollandaise“. Im Osnabrücker „Iko“ überrascht „die Geschmacksintensität der durch allerlei Kräuter aromatisierten Zwiebelsuppe, die mit einem knusprigen dünnen Brotcracker serviert wird, auf dem etwas Comté-Käse schmilzt und ein Onsen-Ei liegt. Die gebratene Jakobsmuschel ist aromenreich arrangiert mit Selleriecreme, Seefenchelblättern, Forellenkaviar und Liebstöckel-Hollandaise.“


„Junges Talent“ entdeckt

Ausdrücklich lobt der Guide, der sich von jeher als Talentscout profiliert, junge Köche, die in dieser Testsaison erstmals Küchenchef wurden und aufgrund ihres Talents und Engagements das kulinarische Deutschland bereichern können. Darunter ist in Niedersachsen Randy De Jong, 26, vom neueröffneten „Kesselhaus“ in Osnabrück. Er erhält „für anspruchsvolle Kombinationen wie Ochsenherztomate, 72-prozentige Edelschokolade und Wacholder sowie von Paprika, Passionsfrucht und Wassermelone zum US-Beef oder Blumenkohl, weißer Schokolade, Tonkabohne und brauner Butter als Dessert“ auf Anhieb 16 Punkte.

Auf 15 Punkte verbessern sich Kai Bachmann vom „Tropeano di Vino“ in Hannover und Sven Vondran von der „Ratsstube“ in Wildemann/Harz. „Erstklassig in Hannover der Pastateller mit glasig-jodigen Jakobsmuscheln, Miesmuscheln, Scampi und hochkonzentrierter Taschenkrebssauce, ebenso erstklassig in Wildemann vom Harzer Höhenvieh das luftgetrocknete, dünn geraspelte Rinderherz als Vorspeise, garniert mit zarten Hornveilchen, aromatisiert mit Fichtennadeln und flankiert von Sauerrahmschaum mit einem kräftigen Schuss Aquavit.“

Dieselbe Note erreicht auf Anhieb auch Alexander Zinke vom neueröffneten „Intuu“ in Göttingen, „der die derzeit so gefragte Nikkei-Küche sehr gekonnt bietet und dessen Umgang mit den Produkten und Aromen aus aller Welt dank langer Auslandserfahrungen von einer in Deutschland seltenen Souveränität ist“. In dem von TV-Koch Tim Mälzer mitbetriebenen neuen „Überland“ in Braunschweig fanden die Tester die Küche nicht wie angekündigt „auf eine spektakuläre Weise unspektakulär“ und besprechen sie deshalb nur ohne Bewertung.

Sven Elverfeld/ 3 Sternekoch und Küchenchef im Restaurant Aqua im Ritz Carlton Hotel. © Wonge Bergmann


Die besten Köche in Niedersachsen

Auf Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault&Millau im Lande steht seit 2002 und weiterhin mit 19,5 Punkten Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg: „Dessen unvergleichlicher Stil lässt sich vielleicht am ehesten durch das beschreiben, was er nicht ist: vordergründig oder hochtrabend. Auch heuer konnten wir die Abwechslung zwischen vornehm-zurückhaltenden Tellern und eindrücklich Kräftigem bestaunen. In die letzte Kategorie fällt etwa die wunderschön angerichtete, wie Tagliatelle geschnittene Sepia mit großzügig bemessenem Imperialkaviar, Belugalinsen, Queller und einer beinahe deftigen Räucherstör-Emulsion. Extrem ausdrucksstark auch die geniale Verbindung von Krabben, Onsen-Ei und einem Kroepoek-artig frittierten Eiweiß obenauf; ein paar rohe Babyspinatblätter gaben das nötige Quäntchen Säure und Bitterkeit.“

Ihm folgt mit 18 Punkten Benjamin Gallein vom „Ole Deele“ in Burgwedel, der „als köstlichen Gruß aus der Küche ein von Krustentiergelee umgebenes Eisbein in einem kümmelbetonten Sauerkrautbaiser schickte, mit einem täuschend echt und bildschön aussehenden „Apfel“ aus ungestopfter Bio-Gänseleber überraschte, die dank weißer Schokolade und Gänseleberfett in Konsistenz und Geschmack bester Foie gras in nichts nachstand, und Kabeljau in Pilzbrühe mit aufwendiger Begleitung anrichtete, in der Blaubeeren für Frische, sehr aromatische Morcheln und Champignons für erdigen Kontrast, Gerste für Knackigkeit und Spinat für hübsche Farbe sorgten.“

Platz 3 halten mit ihren souverän verteidigten 17 Punkten dank inspirierter Gerichte 

•Tim Extravom „Apicius“ in Bad Zwischenahn („die Gänseleberterrine, normaltemperiert und gefroren, mit getrockneten und frischen Himbeeren, karamellisierten Haselnüssen sowie Cassis, Honigcrumble und Sauerklee bekommt als Gegenspieler den kräftigen Fourme d’Ambert-Käse, gefroren und als Schaum”);

• Dieter Grubert vom „Titus“ in Hannover, („famose Taube aus der Bresse, innen gleichmäßig hellrot und außen knusprig, mit besten Morcheln, Purple-Curry-Möhre und Jus von schwarzen Johannisbeeren”);

•Benjamin Meuselvom „Die Insel“in Hannover („immer wieder eine Freude das zarte Prime Beef aus dem Big Green Egg, das hier traditionell mit den in Butter geschwenkten und petersilienbegrünten Pommes ‚Pont Neuf‘ sowie dem Weißen vom Lauch serviert wird”);

 • Stephan Schilling vom „Schillingshof“ in Friedland („zur delikaten Bouillabaisse des Hauses, die cremig legiert war und Allerlei aus dem Meer bot, das im Originalrezept nicht vorkommt, gab’s einen erfrischenden Fenchelsalat mit hauchdünn gehobelten Kumquats“);

• Achim Schwekendiek vom „Gourmet“ in Aerzen bei Hameln („schön leicht die Dessertkomposition aus Aprikose, Hafer, Mandeln, Mandarineneis und mit Lemon-Ysop gekochtem Honig, gekrönt von Duftnesselblüten”).

Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 47 Restaurants in Niedersachsen. 41 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus. Eine Kochmütze erhalten auch die neueröffneten oder erstmals bewerteten Lokale „Köllner’s Landhaus“ in Celle, „Bistro Schweizerhof“ in Hannover und „Octopussy“ auf Norderney (alle 14 Punkte) sowie„Schuberts Brasserie“ in Hannover (13 Punkte).ImVergleich zur Vorjahresausgabe nimmt der Gault&Millau in Niedersachsen 8 Restaurants neu auf und streicht 8 langweilig gewordene; 6 werden höher bewertet. Der Guide erscheint im Münchner ZS Verlag (704 Seiten, 39.99 €).

Die besten Restaurants in Niedersachsen

Tim Extra. © Jagdhaus Eiden Apicus

19,5 Punkte

Aqua in Wolfsburg

18 Punkte

Ole Deele in Burgwedel

17 Punkte

Gourmet in Aerzen bei Hameln

Schillingshof in Friedland

Die Insel und Titus in Hannover

Apicius in Bad Zwischenahn

16 Punkte

Das Alte Haus in Braunschweig

Gasthaus Lege in Burgwedel

N°4 in Buxtehude

Palio in Celle

Sterneck in Cuxhaven

Genießer Stube in Friedland

**Jante und Weinbasis in Hannover

**Seesteg auf Norderney

**Iko und *Kesselhaus in Osnabrück

Torschreiberhaus in Stadthagen

La Fontaine in Wolfsburg

*Newcomer  **Aufsteiger   

 

Insgesamt beschreibt und bewertet der Gault&Millau in seiner neuen Ausgabe 1019 Adressen, darunter 144 neu aufgenommene. 853 Gourmetlokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants verleihen die 32 Tester die begehrten Kochmützen. Der Guide erscheint im Münchner ZS Verlag (704 Seiten, 39.99 €).