Jens Mecklenburg

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Sylter Duo sind die „Köche des Jahres“

Gault-Millau kürt Spitzengastronomie
12. November 2018

Der neue Gault&Millau begrüßt die zunehmende Unbeschwertheit in der Gastronomie und die Entwicklung einer authentisch deutschen Küche.

© Ydo Sol

„Zwei Jahrhunderte lang war Spitzengastronomie auch hierzulande untrennbar mit luxuriösem Ambiente verbunden, das ist vorbei“, konstatiert die internationale Gourmetbibel Gault&Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2019. „Die neue Unbeschwertheit trägt dazu bei, dass sich Deutschland als kulinarische Nation emanzipiert. Das treiben vor allem jene herausragenden Köche voran, die bei aller Weltoffenheit eine eigene, authentisch deutsche Handschrift entwickeln, die sich an heimischen Lebensmitteln und wiederentdeckten kulinarischen Traditionen inspiriert.“ Die Restauranttester sind überzeugt: „Klassische Gourmettempel-Insignien gehen ebenso an den Wünschen des Publikums vorbei wie der in ambitionierten Küchen immer häufiger praktizierte Menü-Zwang. Die Gäste sehen gehobene Gastronomie immer selbstverständlicher als Teil des Alltags, den sie entspannt genießen möchten.“

Als weitere kulinarische Trends beobachten die Tester in diesem Jahr:

Die klassischen Luxusprodukte, meist französisch, sind auf dem Rückzug – sie werden ersetzt durch High-end-Zucht aus aller Welt und die Entdeckung der Natur vor der eigenen Haustür als Schatzkammer.

Immer mehr Köche verfallen der schönen, bunten Instagram-Welt, in der plakative Optik wichtiger ist als guter Geschmack und bestes Handwerk.

Die Küche des östlichen Mittelmeerraums spielt mit ihrer geballten Aromatik und reichen Tradition auch bei uns eine immer größere Rolle.


Koch des Jahres

Für ihre „gemeinsam entwickelte authentisch norddeutsche Küche, die ganz auf die Qualität hochwertiger und vergessener regionaler Produkte setzt“, kürt der Guide Johannes King, 55, und Jan-Philipp Berner, 30, vom „Söl’ring Hof“ in Rantum auf Sylt zum „Koch des Jahres“. Erstmalig wurde damit ein Duo ausgezeichnet. Die Süddeutsche schrieb passend: „Der General am Küchenblock hat abgedankt.“ King, seit der Eröffnung im Jahr 2000 prägender Kopf der Küche, und Berner, seit 2013 als Küchenchef an seiner Seite, „setzen darauf, dass eine Makrele, ein Knurrhahn oder Wittling aus nahen Gewässern in Qualität und Frische und damit auch im Geschmack die aus dem Ausland herbeigeschafften Fische übertrifft, und demonstrieren, dass neben Salzwiesenlamm, Austern und Seeigel aus der Nordsee auch Strandgewächse der Insel und Knickfrüchte, die am Wegesrand wachsen, genug Delikatesse für Spitzenküche mit norddeutscher DNA haben“.

Die schmeckt man von einer Vorspeise wie Apfel-Selleriesalat mit gestocktem Austernschaum und frischem Dill bis zum Dessert „Sylter Rose“ aus Schokolade mit Moosbeerensaft, gepopptem Amarant und knusprigen Miniaturen aus Weizen, Hafer, Mandel und Haselnuss. Und auch dazwischen, wenn Edles wie Kaisergranat subtil mit frischen Kräutern gekrönt oder vermeintlich Einfaches wie der heimische Steinköhler mit geliertem Dill, Karottenstampf, Eismeergarnelen und Felchenrogen in die Gourmetklasse gehievt wird. Für solche Gerichte erhalten die beiden Köche, die ihre Freizeit am liebsten in der Natur verbringen, „weil sie den Kopf frei macht“, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung”.

© Michael Magulski

Weitere Auszeichnungen

Neben dem „Koch des Jahres“ vergibt der Guide weitere Auszeichnungen an führende Gestalter einer genussreichen Gastronomie in Deutschland:

Gastgeber des Jahres wurde zum Beispiel Nils Blümke vom „Français“ in Frankfurt, der „die hierzulande im Service so selten erfolgreiche Gratwanderung zwischen formvollendet und locker, hochprofessionell und humorvoll perfekt beherrscht“.

Aufsteiger des Jahres: Daniel Schimkowitsch vom „L.A. Jordan“ in Deidesheim/Pfalz, der „vom Jungen Wilden zum prägnanten Küchenchef mit eigener kulinarischer Handschrift wurde: auf das Wesentliche konzentriert, intelligent durchstrukturiert, optisch ansprechend und mit Mut zu raffinierter (gerne euro-asiatischer) Würze“.

Sommelier des Jahres: Stephanie Hehn vom „Lakeside“ in Hamburg, die „mit Bravour die seltene Chance nutzte, einen Keller von null aufzubauen, und ihre Gäste mit ebenso großem Sachverstand wie Feingefühl und Charme berät“.


Weltklasse – Deutschlands beste Köche

19,5 Punkte

19,5 Punkte, die für Küchen von Weltklasse verliehen werden, erkocht sich neu auf „seinem Parcours durch Asiens Aromenwelt“ Tim Raue in seinem nach ihm benannten Restaurant in Berlin. Raue, der 2007 „Koch des Jahres“ war, „brilliert mit dem einzigartigen Zauber seiner hochentwickelten und ganz eigenständigen Küche. Typisch ein Hauptgang wie ‚kalb, erbse & kamebishi soja 10y‘: Das Fleisch vom Kalbskamm ist zart geschmort, hat aber Fasern wie beim Pulled Pork, es liegt in einem glänzenden Spiegel aus Sojasauce, die zehn Jahre lang in Zedernfässern reifte und mit Chili stark eingekocht wurde. Die Schärfe dieser Aromenbombe federt ein Klecks elegantes Erbspüree ab, der weichen Konsistenz bietet sich gepuffter schwarzer Quinoa als Kontrast. Als Sidekicks beleben Tupfen vom gelierten Apfel und eine daumengroße grüne Röhre, aus der die Frische von Zuckerschote, Staudensellerie, Apfel, Ingwer und Jalapeño zu ahnen ist.“

Mit Raue stehen sieben weitere Köche mit je 19,5 Punkten an der Spitze der kulinarischen Hitparade des Gault&Millau:

Christian Bau vom „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ im saarländischen Perl ist „mit seiner japanisch inspirierten Qualitätsphilosophie bei allem Meeresgetier in Bestform, so bei dezent mariniertem Langoustinen-Carpaccio mit Imperialkaviar, Kampachi-Makrele mit diversen Muscheln, Algen, Misomayonnaise und Krustentier-Eis oder köstlichem Bauchfleisch vom Thunfisch, umrahmt von gegrillter Avocado, fermentiertem Rettich, Edamame-Bohnen und winzigen Pilzen – mehr Meer geht nicht“.

Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg „beschäftigt sich intensiv wie kaum ein deutscher Spitzenkoch mit der kreativen Verfeinerung heimischer Produkte und Traditionsgerichte. Im Frühjahr servierte er das deutsche Lieblingsgemüse Spargel in überraschender Variante: Die Basis bildet weißer, roh über Holzkohle gegrillter und in der eigenen Hitze im Vakuum gegarter Spargel, mit Barbecue-Sauce lackiert. Dazu gibt es klassisch gekochtes und fein gezupftes Eisbein, Sauerkrautgelee, etwas Hollandaise, Bärlauchcreme, die gepuffte Schwarte vom Schwein sowie eine kunstvolle Rolle aus weißem und grünem Spargel“.

Klaus Erfort vom „GästeHaus“ in Saarbrücken ist „wie kaum ein Koch hierzulande so sicher im Umgang mit unterschiedlichen Aromen, dass er eine Stopfleberterrine in ein hauchdünnes Algenblatt hüllen, karamellisierte Reiscreme, etwas gehobelten Rettich und Korianderöl hinzugeben und einen harmonischen Kontext erzeugen kann“.

Christian Jürgens von der „Überfahrt“ in Rottach-Egern am Tegernsee „vereint klassische Geschmackstiefe mit optischer Verführung, wenn seine hinreißend aussehende ‚Tegernseer Perle‘ beim Essen Schicht um Schicht ihr köstliches Innenleben enthüllt: In einer Halbkugel aus Saiblingsmousse, überzogen mit zart am Gaumen zerplatzendem Saiblingskaviar und Limettenabrieb, versteckt sich erfrischendes Gurkeneis, mit kleinen Gurkenstückchen gespickt.“

Torsten Michel von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn (Nordschwarzwald) „gelingen Gerichte von großer innerer Harmonie, die alle Sinne glücklich machen. Sein Stil verneint nie die edle französische Basis, interpretiert sie aber zeitgemäß. Auf der satten Tranche von glasiertem Rochenflugel leuchtete, sehr grafisch angerichtet, schwarzer Kaviar neben pochierten Gillardeau-Austern auf dem schneeweißen Fisch. Austern-Nage mit Champagner umfing diese Kreation voller Harmonie, Eleganz und Finesse.“

Clemens Rambichler vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich (Südeifel), der „das kulinarische Vermächtnis des 2017 verstorbenen Helmut Thieltges bewahrt und weiterführt. Das gelingt ihm mit Medaillons von den besten Langoustinen, die wir kennen, in intensiver Krustentieressenz mit pfirsichfruchtiger Note ebenso wie mit der roh gerollten Gänseleber zu zarten Scheiben vom Blue Fin Tuna in Ingwer-Limonenvinaigrette von sanfter Schärfe.“

Joachim Wissler vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach bei Köln „folgt in seiner offensichtlich nie versiegenden Kreativität keinen Moden, Trends und Hypes, wenn er beispielsweise zu dem auf Holzkohle angegrillten Lammnacken, confiert mit Holzkohlenbutter, gelbe Safran-Butterbohnen, ein grün gefärbtes weißes Bohnenpüree und luftige Ricottagnocchi in hinreißendem Orangen-Pfifferling-Sud mit allerkleinsten Pfifferlingen und tiefgründigem Lammfond anrichtet“.


19 Punkte

19 Punkten bekamen für ihre inspirierten Gerichte wieder Claus-Peter Lumpp vom „Bareiss“ in Baiersbronn („Steinbutt auf Passepierre-Salat und provenzalische Mandelcreme, zu dem ein weißer Tomatensud angegossen und sich separat als eigenes Gericht im Schüsselchen unter einem Mandel-Esspapier Fregola sarda, Steinbuttwürfel und Mandelgrieß verstecken“);

Christoph Rüffer vom „Haerlin“ in Hamburg („Taube mit einem süß-herben Klecks Püree von violetten Auberginen und mexikanischer Mole, die entschärft, aber nicht gezähmt wurde. Tunkt man die Praline von der Keule hinein, entfaltet sich eine geradezu weihnachtliche Fülle von Aromen“);

Peter Maria Schnurr vom „Falco“ in Leipzig („gefrostete Entenleber gehobelt als vielschichtige ‚Hong Kong Foi‘ auf in Sake eingelegter, pochierter Auster mit ‚Duck-Tea-Gelee‘, Litschi-Marmelade und gereiftem süßen Reiswein“);

Hans Stefan Steinheuer von „Steinheuers Restaurant zur alten Post“ in Bad Neuenahr („mit Schwertmuschelwürfelchen bestreuter Steinbutt in Taubnesselvelouté mit einem wie Reis roh gerührten Kartoffelrisotto“).

© Ydo Sol

Immer besser

Auf 18 Punkte steigern sich außer dem Sylter „Koch des Jahres“-Duo u.a. Benjamin Gallein vom „Ole Deele“ in Burgwedel. Auf 17 Punkte verbessern sich u.a. Thomas Martin vom „Jacobs“ in Hamburg und André Münch vom „Der Butt“ in Rostock. Dieselbe Note erreicht auf Anhieb Cornelius Speinle im neueröffneten „Lakeside“ in Hamburg.


Die neue POP-Kultur

Dass sich in Deutschland – nach dem Vorbild französischer Neo-Bistros und lässiger skandinavischer Gastkultur – immer mehr junge, unkonventionelle gastronomische Konzepte neben dem klassischen Restaurantformat entwickeln, die kulinarischen Anspruch mit viel Lockerheit verbinden, würdigt der Guide mit seinem neuen POP-Signet. Es zeichnet insgesamt 70 Bistros, Szenetreffs und andere Adressen aus, die zwar nicht im Gault&Millau punkten können, wo aber begeisterte Gastgeber ihre Vorstellungen von unkompliziertem Genuss umsetzen.


Die besten Restaurants in Hamburg

19 Punkte

  • Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten
  • 18 Punkte
  • The Table in der Hafencity


17 Punkte

  • Jacobs im Hotel Louis C. Jacob in Nienstedten
  • Lakeside im Hotel The Fontenay in Rotherbaum
  • Piment in Eppendorf
  • Seven Seas auf dem Süllberg


16 Punkte

  • Anna Sgroi in Pöseldorf
  • Bianc in der Hafencity
  • Landhaus Scherrer in Ottensen
  • Trüffelschwein in Winterhude


15 Punkte

  • 100/200 in Rothenburgsort
  • Fischereihafen in Altona
  • Nikkei Nine im Hotel Vier Jahreszeiten
  • Osteria da Francesco in Pöseldorf
  • Petit Amour in Ottensen
  • Rive in Altona
  • Tschebull in der City
     


Die besten Restaurants in Bremen

16 Punkte

  • Das Kleine Lokal in Fesenfeld


15 Punkte

  • Grashoff’s Bistro
     


Die besten Restaurants in Niedersachsen

19,5 Punkte

  • Aqua in Wolfsburg


18 Punkte

  • Ole Deele in Burgwedel


17 Punkte

  • Gourmet in Aerzen Keilings in Bad Bentheim
  • Apicius in Bad Zwischenahn
  • Schillingshof in Friedland
  • Die Insel in Hannover
  • Titus in Hannover


16 Punkte

  • Gasthaus Lege in Burgwedel
  • Genießer Stube in Friedland
  • Das Alte Haus in Braunschweig
  • Palio in Celle
  • Sterneck in Cuxhaven
  • Weinbasis in Hannover
  • Novalis in Nörten-Hardenberg
  • Torschreiberhaus in Stadthagen
  • La Fontaine in Wolfsburg
  • N°4 in Buxtehude
© Ydo Sol

Die besten Restaurants in Schleswig-Holstein

18 Punkte

  • Meierei Dirk Luther in Glücksburg
  • Bodendorf’s in Tinnum auf Sylt
  • Söl’ring Hof in Rantum auf Sylt
  • Courtier in Weissenhaus


17 Punkte

  • Orangerie in Timmendorfer Strand
  • Buddenbrooks in Lübeck


16 Punkte

  • Hardy’s in Westerland auf Sylt
  • JM in Westerland auf Sylt


15 Punkte

  • Bootshaus in Weissenhaus
  • Alt Wyk in Wyk auf Föhr
  • San Lorenzo in Glinde
  • Ahlmanns in Kiel
  • Balthazar in Lübeck
  • Wullenwever in Lübeck
  • Privileg im Historischen Krug in Oeversee
  • 1797 in Panker
  • Diva in Scharbeutz
  • Spices by Tim Raue in List auf Sylt


Die besten Restaurants in Mecklenburg-Vorpommern

18 Punkte

  • Friedrich Franz in Heiligendamm


17 Punkte

  • Ostseelounge in Dierhagen / Darß
  • Klassenzimmer in Feldberger Seenlandschaft
  • Der Butt in Rostock


16 Punkte

  • Freustil in Binz auf Rügen
  • Weinhaus Uhle in Schwerin
  • O‘ Room in Heringsdorf auf Usedom


15 Punkte

  • Blüchers in Göhren-Lebbin
  • Büttner’s in Greifswald
  • Ich weiß ein Haus am See in Krakow
  • Am See Gutshaus Kubbelkow in Sehlen auf Rügen
  • Gutshaus Stolpe in Stolpe
  • Belvedere in Heringsdorf auf Usedom
© Gault & Millau

Gault-Millau Restaurantguide 2019

Insgesamt beschreibt und bewertet der Gault&Millau in seiner neuen Ausgabe 1026 Adressen, darunter 216 neu aufgenommene. 848 Gourmetlokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants verleihen die 32 Tester die begehrten Kochmützen.

Der Guide erscheint im Münchner ZS Verlag (768 Seiten, 39.99 Euro).